Tamy Glauser (32), das berühmte androgyne Model, das sowohl in Frauen- als auch in Männerkleidern für die grossen Modedesigner über die Laufstege geht, ist ein Kind der 80er-Jahre. Die Tochter eines Models wurde in die Berner Szene hineingeboren. Zu einer Zeit, als die Stadt mit ihren In-Beizen und Trendläden sowie einer grossen Anzahl von Kreativen, Selbstdarstellern und bunten Hunden beeindruckte.
Kindheit bei Pflegeeltern
Doch ein Kind grosszuziehen gehörte nicht zu den Vorlieben der bewegten Jugend. Weder Tamys Mutter noch ihr Vater waren in der Lage, die Elternrolle wahrzunehmen. Deshalb übernahmen Pflegeeltern diese Rolle. So wuchs Tamy Glauser in der Villa des Kartonfabrikanten Heinz Winzenried (†83) auf, der mit ihrem Grossvater Walther Hofer (1920–2013), von dem im Folgenden noch die Rede sein wird, befreundet war.
«Heinz war mein Vater. Er war immer da für mich. Er nannte mich oft ein Geschenk des Himmels», erinnert sie sich heute an ihren Pflegevater, der im ganzen Kanton Bern als Unternehmer, Politiker und Mäzen einen ausgezeichneten Ruf genoss. «Heinz hat mich gelehrt, dass ich alles erreichen kann, was ich mir wünsche», so Tamy.
Er und seine Frau Charlotte (†74) sind überall mit ihr hingereist, und so lernte sie früh verschiedenste Kulturen, Länder und Sprachen kennen. «Das hat mir für den heutigen Job sehr geholfen, überhaupt fürs Leben. Ich hatte grosses Glück mit den beiden», schwärmt das Topmodel.
Als Junioren-Schwimmerin war Glauser top
«Heinz hat alles für mich getan. So hat er das öffentliche Hallenbad in unserem Wohnort Stettlen auf eigene Kosten renoviert, auch damit ich im Dorf trainieren konnte», sagt die ehemalige Schweizer Meisterin der Junioren im 400 Meter-Freestyle-Schwimmen. Seit einem Jahr hat Tamy Glauser Heinz Winzenrieds Initialen auf ihrem Arm tätowiert.
Im Alter von fünf Jahren lernte Tamy Glauser ihren Grossvater kennen: Walther Hofer, den international bekannten Historiker und ehemaligen SVP-Nationalrat. «Das erste Mal, als ich ihn sah, hatte ich keine Ahnung, wer er war, und ich habe mich sehr darüber gewundert, warum mir dieser ältere Herr ständig Küsschen auf den Kopf gab. Erst ein paar Jahre später kam es dann zum offiziellen Kennenlernen: Ich war mit meinen Pflegeeltern bei Walther zum Znacht eingeladen», erinnert sich Tamy.
Grossvater einst als «Linkenfresser» berüchtigt
Hofer, der in Berlin die Zeit des Nationalsozialismus erforschte und darlegte, dass die Nazis und nicht ein Einzeltäter den Deutschen Reichstag angezündet hatten, war auch als «Linkenfresser» und vehementer SRG-Kritiker bekannt.
Tamy Glauser diskutierte oft mit ihm. «Ich habe seinen Geschichten immer wahnsinnig gern zugehört. Mit siebzehn habe ich mich dann entschieden, meine Maturarbeit über ihn und den Reichstagsbrand zu schreiben.» Mit zunehmendem Alter sei sie immer mehr an Geschichte interessiert, betont Glauser: «Ich denke, von meinem Grossvater habe ich ein paar Gene mitbekommen.»
Heinz Winzenried und Walther Hofer: Die zwei aussergewöhnlichen Männer beeinflussen bis heute Tamys Leben. Wenn sie in der Gegend ist, geht sie auf den Friedhof ans Familiengrab, hält kurz inne und denkt an ihren Traum: «Irgendwann kaufe ich vielleicht das Haus meiner Kindheit wieder zurück.»
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