Eigentlich winkte ihr eine grosse Karriere im Fussball, trotzdem setzt Eli Graf (19) auf die Karte Musik. Vergangene Woche hat die Zürcherin mit «Unspoken» ihr erstes Album rausgebracht. Blick erreicht die gelernte Köchin an einem Donnerstagnachmittag direkt nach der Arbeit. Früher wäre das undenkbar gewesen – für Graf wäre dann Fussballtraining angestanden.
Doch ihre Spitzensportkarriere ist beendet. Bis vor rund einem Jahr war Graf Captain der U19-Frauenmannschaft des FC Zürich und Teil der U19-Frauen-Nati. Doch ihr wurde alles zu viel. «Ich habe einen Punkt erreicht, an dem mein Körper mir sagte, dass ich ans Limit meiner Belastungsgrenze gestossen bin», erzählt Graf im Gespräch mit Blick. Sie habe sich einfach nicht mehr wohlgefühlt.
Mit ihrem Job als Küchenchefin in einem Start-up-Sushi-Restaurant in Zürich, dem Fussball und der Musik hatte sie eine Dreifachbelastung. «Nach dem Arbeiten bin ich direkt ins Training, und danach habe ich Musik gemacht», erinnert sie sich. Weil sie alles gern gemacht habe, habe sie die Belastung erst gar nicht realisiert.
Fussball jetzt in einer tieferen Liga
Dem Spitzensport den Rücken zu kehren, sei für sie kein einfacher Schritt gewesen. Vor allem eine Frage habe sie beschäftigt: «Was mache ich nachher?». Denn der Sport begleitete sie ein Leben lang. Schon im zarten Alter von drei Jahren spielte Eli Graf Fussball. Für den FC Zürich lief sie sieben Jahre auf. «Man lebt in dieser Blase – in der eigenen Komfortzone mit geregeltem Tagesablauf», so Graf. Zudem wollte sie ihr Team nicht hängen lassen. Doch sie betont: «Wenn ich weitergemacht hätte, hätte ich mich selbst am meisten im Stich gelassen.»
Fussball spielt Eli Graf noch immer. Das sei ihr auch wichtig gewesen. Allerdings nicht mehr profimässig beim FCZ, sondern beim FC Wil im Kanton St. Gallen. Erreicht habe sie alles, was sie wollte: «Ich konnte meinen Kindheitstraum erleben und das Natitrikot tragen. Diese Erinnerungen bleiben auf jeden Fall.»
«Früher habe ich mich mit dem Leistungssport identifiziert»
Um mit dem Druck umzugehen, hat ihr besonders das Schreiben von eigenen Songs geholfen. Es sei eine Art Therapie für sie. «Früher habe ich mich krass mit dem Leistungssport identifiziert. Durch die Musik konnte ich daraus ausbrechen und merken, dass ich auch ohne wertvoll bin», erklärt Graf.
Über ihr neues Album sagt die Küchenchefin: «Ich wollte bisher unausgesprochenen Geschichten einen Platz geben.» Rund zwei Jahre hat sie an «Unspoken» gearbeitet. Sie hofft, dass ihre Songs anderen Menschen einen Zufluchtsort bietet. «Mir hätte es geholfen, zu wissen, nicht allein mit meinen Gefühlen zu sein.» Wie es für sie weitergeht, kann sie noch nicht genau sagen. «Wenn ich zu viel darüber nachdenke, mache ich mir selbst Druck», so Graf. Musikalisch hofft sie aber, über das Jahr hinweg eine Tour mit ihrem neuen Album machen zu können – wenn es Corona denn zulässt.