BLICK: Frau Grob, ist Ihr Name Programm?
Stefanie Grob: Die Leute haben zumindest das Gefühl. 80 Prozent von denen, die reklamieren, kommen mit diesem Wortspiel – da kann ich Gift darauf nehmen. Die Gutgebildeten zitieren sogar Goethe: «Auf groben Klotz ein grober Keil.»
Grobe Ausdrücke wie «Gopf», «huerä Siech» und «Scheiss» liest man öfters in Ihrem soeben erschienenen Dialektbuch. Ist die Pose der rotzigen Bernerin ein bewusster Entscheid?
Was heisst hier rotzige Bernerin? Ich bin wenn schon rotzige Bümplizerin! Wir reden dort anders als Berner, die in Muri aufwachsen. Und ich schreibe immer so, wie ich spreche. Ich bin voll ghetto-sozialisiert.
Ghetto-sozialisiert?
Ja, wer Bümpliz nicht kennt: sozialer Brennpunkt Bern-West mit den Hochhäusern. Die machte ich auch schon zu Literatur: Da aber nicht im Ghettoslang, sondern melancholisch, poetisch verspielt.
Kämpfen Sie so gegen das Klischee des Geranien-Trögli-Bern an?
Ja, das grüne Emmental besingen alle ohne Ende, aber das graue Bümpliz gibt auch etwas her. Ich fand, das wird in der Gegenwartsliteratur zu wenig besungen.
Aber exakt das schöne Bern mit seinem lieblichen Dialekt ist so beliebt.
Das gemütliche Berndeutsch geht mir extrem auf den Geist – das habe ich nie bedient. So traditionelle Dialektwörter bringe ich allenfalls ironisch gebrochen. Ich muss meine Alltagssprache zur Literatur machen.
Was sagen Sprachbewahrer dazu?
Wenn ich mit Christian Schmid auf einem Podium bin, der schweizweit wohl am meisten über Dialekte weiss, sagt er: «Die Sprache von Stefanie Grob ist nicht besser oder schlechter als meine, ich gewichte einfach anders und will so reden, wie meine Eltern sprachen.» Ich sage dann: «Sprache ist lebendig, ich will so sprechen wie meine Kinder.»
Sie haben drei Kinder. Wie alt sind die?
Schöne Orgelpfeifen-Reihe: zwölf, neun und sechs Jahre. Da ich mit meinem Mann seit 20 Jahren in Zürich lebe, sprechen sie Züritüütsch – zu Hause aber immer Berndeutsch, damit ich nicht ins Zürichdeutsch falle, das finden sie megapeinlich!
Das heisst aber auch, Sie können Zürichdeutsch?
Mich dünkt, ich kanns super. Aber eben, fragen Sie nicht meine Kinder.
Aber Sie müssen gar nicht switchen, Sie reden in Berner Mundart schneller als jede Zürischnurre.
Ja, dass mein Schnellsprechen in Bern auffiel, war klar. Der Dialekt ist wirklich langsam – das ist kein Klischee. Aber als ich nach Zürich zog und mir hier auch noch immer alle sagten, ich würde so schnell reden, da dachte ich, «da muss etwas dran sein, da mach ich was draus». Und hab dann extra darauf hingearbeitet.
Inwiefern?
Sprechtempo einerseits, aber auch Timing. Bei meinen Auftritten ist mir wichtig, schneller zu sein als das Publikum. Wenn es an gewissen Stellen zu früh lacht, merke ich, «Aha, jetzt hat der Grossteil den Scherz schon begriffen», und haue dann beim nächsten Vortragen zwei Sätze raus.
Sie gelten als «schnellste Bernerin der Welt». Wie viele Wörter schaffen Sie pro Minute?
Das hat noch nie jemand gemessen – das dürfen Sie gerne machen.
Machen wir das doch!
Dann lese ich mal meine «Inslä vom Glück». (liest laut vor)
Wahnsinn: 244 Wörter pro Minute – wenn wir Ihre kurzen Kunstpausen abrechnen, kommen Sie gut auf 250.
Wunderbar! Und was ist Rekord? (nimmt das Smartphone und googelt) Ha! Ich bin nur ganz knapp hinter Eminem. Der ist im Guinnessbuch der Rekorde. Hier steht, in seinem Song «Rap God» verwendet er in etwas über 6 Minuten 1560 Wörter. Das macht im Durchschnitt 4,28 pro Sekunde.
(tippt jetzt auch ins Smartphone) Auf die Sekunde runtergerechnet komme Sie auf sagenhafte 4,06 Wörter.
Krass. Und ich hab den Text noch gestaltet, sprich, bin nicht einfach durchgerattert, hatte noch Kunstpausen drin. Mein Ehrgeiz ist jetzt natürlich definitiv angestachelt: Ich lasse nicht nur ganz Bern hinter mir, ich greife nach Eminem und den Guinnessbuch-Sternen!
Apropos Buch: Man kennt Sie ja vor allem als Slam-Poetin von Bühnen oder als «Zytlupe»-Sprecherin auf Radio SRF 1. Ist ein Buch überhaupt eine adäquate Form für Sie als Spokenword-Literatin?
Das habe ich mich zu Beginn auch gefragt. Will das jemand lesen? Aber wenn mein Text «Inslä vom Glück» am Radio kommt, kriege ich immer Hörermails, ob sie den Text schriftlich haben könnten. Ich antworte dann: «Ja, klar, schick ich Ihnen.» Aber ich will auch wissen, warum: «Lesen die den im stillen Kämmerlein? Tragen sie ihn an einer Gartenparty vor? Unter dem Tannenbaum? Oder wollen sie meine Geschwindigkeit toppen?»
Und, welche Antwort bekommen Sie jeweils?
Häufig sagen die Leute, dass sie nicht alles verstanden haben.
Also doch zu schnell.
Klar doch. Mit Absicht!
1975 zur Welt gekommen, wächst Stefanie Grob in Bern-Bümpliz auf. Nach abgebrochenem Gymnasium absolviert sie die Wirtschaftsmittelschule. Danach arbeitet sie als Journalistin für die BZ-Jugendbeilage «4U», später für die «Berner Tagwacht». 2002 durchläuft sie die Zürcher Dramatikerwerkstatt Dramenprozessor. Als Spokenword-Literatin ist Stefanie Grob auf Schweizer Bühnen unterwegs und seit 13 Jahren regelmässig auf Radio SRF 1 zu hören, erst in der Sendung «Morgengeschichte», seit Anfang 2009 in der Satiresendung «Zytlupe». Ihre erste Buchpublikation heisst «Inslä vom Glück», für die sie 2014 einen Literaturpreis der Stadt Zürich erhält. Stefanie Grob ist sowohl solo unterwegs als auch mit den Gruppen «Die Eltern» und «Bern ist überall». Seit 2018 zeigt sie zusammen mit der Schauspielerin und Musikerin Sibylle Aeberli («Schtärneföifi») den Duo-Abend «Schlaflos – ich wach mich kaputt». Grob lebt mit ihrem Mann, dem Autor Gerhard Meister, und den drei gemeinsamen Kindern in Zürich.
1975 zur Welt gekommen, wächst Stefanie Grob in Bern-Bümpliz auf. Nach abgebrochenem Gymnasium absolviert sie die Wirtschaftsmittelschule. Danach arbeitet sie als Journalistin für die BZ-Jugendbeilage «4U», später für die «Berner Tagwacht». 2002 durchläuft sie die Zürcher Dramatikerwerkstatt Dramenprozessor. Als Spokenword-Literatin ist Stefanie Grob auf Schweizer Bühnen unterwegs und seit 13 Jahren regelmässig auf Radio SRF 1 zu hören, erst in der Sendung «Morgengeschichte», seit Anfang 2009 in der Satiresendung «Zytlupe». Ihre erste Buchpublikation heisst «Inslä vom Glück», für die sie 2014 einen Literaturpreis der Stadt Zürich erhält. Stefanie Grob ist sowohl solo unterwegs als auch mit den Gruppen «Die Eltern» und «Bern ist überall». Seit 2018 zeigt sie zusammen mit der Schauspielerin und Musikerin Sibylle Aeberli («Schtärneföifi») den Duo-Abend «Schlaflos – ich wach mich kaputt». Grob lebt mit ihrem Mann, dem Autor Gerhard Meister, und den drei gemeinsamen Kindern in Zürich.
Die Lektüre Ihrer Mundart-Texte geht jedenfalls wesentlich langsamer vonstatten. Ich brütete lange über dem neuen Buchtitel «Budäässä» und fragte mich, was das bedeutet und wie man's ausspricht.
Da sind Sie nicht der Einzige. Und es wird sicher Leute geben, die sagen: «Wenn ich nicht einmal den Titel verstehe, warum soll ich dann das Buch kaufen?» Das ist ein Risiko, aber ich hatte grosse Lust, meine Vorliebe für den Buchstaben Ä zu zelebrieren.
Lieben Sie die symmetrische Form oder den Klang des Umlauts?
Die Ästhetik finde ich nicht schlecht, aber es ist der Klang. Ich habe das Gefühl, dass ich im Dialekt eher Ä als E sage – es ist wohl etwas dazwischen. Ein Linguist sagte einmal, das aserbaidschanische Ə treffe es am besten – aber dann könnte den Titel definitiv niemand mehr lesen.
Budäässä heisst übersetzt Budenessen und steht für Firmenessen. Ist der Begriff Budäässä in Bern gebräuchlich?
Mittlerweile ist er dort vielleicht auch ein bisschen veraltet. Ich habe jetzt hier in meinen über 20 Züri-Jahren das Berndeutsch der späten 90er konserviert. Kann sein, dass, wenn ich morgen nach Bern fahre, die Jugend mich nicht mehr versteht.
In der besagten Titelgeschichte geht es um eine selbständig arbeitende Frau, die sich bei einem Firmen-Weihnachtsessen einschleicht und die Angestellten gegeneinander aufbringt. Ein Selbstporträt?
Ich als Ich-AG habe mich noch nie selber zu einem Firmenessen eingeladen. Vielleicht müsst ich das mal – fürs Betriebsklima. Aber ich kenne Firmenessen von meinen Auftritten her. Und schreiben Sie jetzt ja nicht, der Text sei autobiografisch, sonst lädt mich niemand mehr ein. Kleiner Spoiler-Alarm: Es endet recht unschön.
Um eine Szene aufzumischen, brauchen Sie keinen solchen Anlass – Sie sorgen regelmässig mit der satirischen Radiosendung «Zytlupe» für Aufruhr.
Mein Redaktor beim Radio bestätigte einmal, dass ich von allen «Zytlupe»-Autoren die schärfsten Reaktionen kriege. Das hat bestimmt damit zu tun, dass ich eine Frau bin – meine Kollegen bei der «Zytlupe» sind auch bitterböse.
Die Frau als Bürgerschreck?
Vor der «Zytlupe» war ich mit meinen «Morgengeschichte» zu hören auf SRF 1 – damals war ich tatsächlich der Bürgerschreck. Da haben ganze Altersheime Protestbrief-Aktionen gestartet. Es kamen sackweise Briefe mit der Forderung: «Wir wollen Herrn Knellwolf und Herrn Urweider zurück!»
Die beiden Pfarrer sprachen vor Ihnen die «Morgengeschichte».
Genau, der Ton war dementsprechend salbungsvoll und sinnstiftend. Meinen Ton hingegen fanden viele aggressiv. Und Mitte der Nullerjahre wollte man nicht, dass einem eine junge Frau die Welt erklärt – das ist heute besser. Wobei gemotzt wird noch immer, aber die SRF-1-Hörer sind manchmal richtig herzig – die beschimpfen einen zuweilen in Sie-Form: «Sie sind eine doofe Göre!» Das find ich schon fast wieder süss.
Weniger Freude hatten Sie, als Sie Bauern wegen einer «Zytlupe»-Sendung von 2017, in der Sie die wegen des Pestizid-Gebrauchs als Brunnävrgifter bezeichneten, beim Ombudsmann verzeigten.
Damals wusste ich nicht, was ich mit dem Thema auslöse. Pestizide beschäftigen mich inhaltlich schon lange. Ich war erstaunt über die Reaktionen und in welcher Vehemenz die kamen – dieser Hass.
Der Text «Stinkwasser» ist im neuen Buch nachzulesen, der Ombudsmann sprach Sie frei. Aber es gab noch zwei weitere Fälle von Ihnen, die bei ihm landeten.
Ja, ich bin dort Stammgast! Aber ich arbeite im Fall nicht extra auf den Ombudsmann hin. Ich bin einfach dann megaböse, wenn es mir ein Anliegen ist, wenn ich gut recherchierte und das Ganze Hand und Fuss hat – auch die beiden anderen Fälle endeten übrigens mit einem Freispruch.
«Ha Ha isch ke Witz» war Ihre grösste Skandal-«Zytlupe»: Darin ging es um einen SVP-Werbespot, worin der T-Shirt-Aufdruck 88 zu sehen war – zwei Mal 8 meint zwei Mal den achten Buchstaben H, was unter Nazis das Symbol für «Heil Hitler» ist.
Ja. Und die SVP-Spitze, die in diesem Video auftritt, wusste das genau, davon bin ich überzeugt, auch wenn sie es bis heute abstreiten. Weil – hallo! – exakt diese Symbole verhandelte Bundesbern, als Christoph Blocher Justizminister war. Übrigens, als diese «Zytlupe» am Radio lief, lief ich zeitgleich einen Halbmarathon um den Greifensee. Ich hatte das Handy dabei, das ständig vibrierte. Ich wusste: Etwas ist nicht mehr gut, las einzelne SMS während des Rennens und dachte: «Uii Hilfe!» Aber das spornte mich läuferisch an – ich münzte die negativen Reaktionen voll in Energie um.
Ihre Handynummer ist auf Ihrer Webseite. Keine Angst?
Da kann man mich nicht so schnell lokalisieren. Aber in der Folge dieser Sendung löschte ich meine Postadresse, und ich bin auch nicht auf Social Media.
Nicht auf Facebook, nicht auf Twitter?
Nirgendwo. Das ist natürlich werbetechnisch doof, denn ich könnte meine Auftritte besser ankündigen. Aber ich mag mich nicht ständig beschimpfen lassen.
Bekommen Sie auch positive Reaktionen?
Bei einer «Zytlupe» zu 50 Jahre Frauenstimmrecht fragte mich ein Hörer, ob man das nach einem halben Jahrhundert wirklich wieder aufwärmen müsse. Darauf erwiderte ich: «Haben Sie das bei 50 Jahre Mondlandung, die wir eben feierten, auch gesagt? Da kann man auch sagen, muss das jetzt sein, diese veraltete Technik …» Darauf reagierte er differenziert und schrieb zurück: «Stimmt, wenn man es so betrachtet …»
Gestern strahlte SRF 1 Ihre neuste «Zytlupe» aus, in der Sie unter anderem den heutigen «Tag der Frau» thematisierten.
Ja, weil ich so geile Internet-Werbung erhielt: «Internationaler Tag der Frau – kaufen Sie Reizwäsche!» High Heels waren auch hoch im Kurs. Gefundenes Satirikerinnen-Fressen. Ich warte ja auf das Frauentag-Angebot: «18 Prozent Rabatt wegen 18 Prozent Lohnungleichheit.»
Und, bekamen Sie schon Rabattangebote?
Diese 18 Prozent noch nicht. Aber sobald ja, kauf ich mir sofort High Heels!
Stefanie Grob, «Budäässä – Bühne und Radio», Der Gesunde Menschenversand
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