Letzten Sommer ist die Welt noch in Ordnung, im Bergrestaurant Chüestall hoch über der Riederalp VS sowieso. Nur als Art Furrer (83) kurz auf einen Sprung vorbeischaut, ist es mit der Ruhe vorbei: Die Gäste lassen ihre Hobelfleischplatte stehen und wollen sich mit dem Hotelier aus der Gegend fotografieren lassen. Alle kennen den Mann mit Hut, selbst die trinklustigen deutschen Touristen am Nebentisch des BLICK-Journalisten. Was damals erst als Gerücht herumgeistert, ist seit gestern traurige Gewissheit: Sein Imperium wird veräussert, die Art Furrer Hotels haben ihren Betrieb eingestellt.
Wie Furrer dieses Lebenswerk jedoch aufgebaut hat, ist eine wahrhaftige, höchst unterhaltsame Tellerwäschergeschichte, an der man sich schleunigst die Filmrechte sichern müsste. Das 1937 geborene Multitalent stammt aus dem Bergdorf Greich ganz in der Nähe der Riederalp. Es gibt damals weder Strom noch fliessendes Wasser und keinerlei Verkehrsverbindung ins Tal. Der früh an einer Staublunge verstorbene Vater bringt die Familie als Wilderer durch. «Vieles erinnerte noch ans Mittelalter», beschreibt es der Briger Hotelierskollege und alt Nationalrat Peter Bodenmann (68), «wer Menschen verstehen will, muss ihre Herkunft kennen.» Eine der einzigen Chancen, der Armut zu entrinnen, sind der Tourismus und das Skifahren. Doch Furrer wird nicht für die Olympischen Spiele 1960 selektioniert und überwirft sich mit den anderen Skilehrern. «Ich war der Jüngste in dieser Greisengruppe und machte mich dort sofort unbeliebt, weil ich denen sagte, so, wie ihr auf den Ski steht, ist es falsch», erzählte er in der «Schweizer Illustrierten».
«Nimm nie Alkohol oder Drogen»
Mit 36 Dollar im Sack und einem Einfach-Ticket wandert er 1959 wagemutig in die USA aus, wie Generationen von Wallisern vor ihm, ein moderner Cowboy und Siedler. «Rebellion ist genetisch», so Peter Bodenmann. In Littleton im US-Bundesstaat Colorado heuert Furrer als Skilehrer an, die Grossmutter von Bode Miller (42) gibt ihm Englisch-Unterricht. Dank seiner stupenden Technik und seinen akrobatischen Tricks sorgt er für Aufsehen und schafft es in die grossen TV-Shows. Den wichtigsten Ratschlag bekommt er dafür von Showlegende Bob Hope (1903–2003): «Nimm nie Alkohol oder Drogen, bevor du auf die Bühne gehst. Wenn du das Publikum in den ersten Minuten packst, kannst du mit ihm machen, was du willst.»
Kennedys, Bernstein, Doris Day und Hugh Hefner
Furrer kommt an die Grossen heran, ist Skilehrer des Kennedy-Clans, von Schauspielerin Doris Day (1922–2019) oder dem «West Side Story»-Komponisten Leonard Bernstein (1918–1990), den Furrers Fahrstil angeblich in seiner Kreativität beeinflusst. Boxchampion Cassius Clay (1942–2016) lädt ihn jeweils zu seinen Kämpfen ein, dem «Playboy»-Gründer Hugh Hefner (1926–2017) bringt er den Parallelschwung bei. Im Gegenzug erhält er eine «Golden Key Card», welche ihm in Hefners Nachtclubs das Recht auf freie Konsumation ermöglicht. Doch Furrer hält sich an Bob Hope und überbordet nicht. Und da sind auch die Wurzeln, der Katholizismus. «Ich bin zwar kein Heiliger, aber ein Gläubiger», lautet eines seiner Bonmots. In den USA lernt er auch seine Frau Gerlinde (78) kennen. Vor der Freiheitsstatue hält er um ihre Hand an. 1966 wird geheiratet, drei Kinder folgen.
«Der König der Riederalp»
Das Heimweh treibt ihn schliesslich zurück. Und in der Schweiz ist er ein reicher Mann, der Dollar noch weit über 4 Franken wert. Dank seinem Grundkapital und Landkäufen gelingt ihm nach und nach der Aufbau seines Hotel-Reiches, welches ihm den Namen «König der Riederalp» einträgt. Die Zeiten sind günstig. Die ganze Nation fährt Ski und verbringt Winterferien im eigenen Land. Und in den USA hat er gelernt: Die richtigen Leute zu kennen und sich zu zeigen, ist Gold wert.
Eine neue Bühne gefunden
«Wenn man oft auf der Bühne war wie ich, wird man süchtig. Diese Sucht bleibt, die habe ich heute noch, die geht nicht weg», charakterisiert er sich. Nach seiner Rückkehr knüpft er Kontakte zum Schweizer Fernsehen und lernt Kurt Felix (1941–2012) kennen, der ihn als Lockvogel in seiner Erfolgssendung «Verstehen Sie Spass?» einsetzt. Unvergessen die Episode von 1988, wo er im Matterhorn-Kiosk den Bergsteiger Reinhold Messner (75) in Rage bringt.
Zwei Jahre zuvor mimt er bei «Verstehen Sie Spass?» im deutschen Garmisch-Partenkirchen einen Amerikaner mit vier Meter langen Ski. Felix verpasst Furrer zur Ausschmückung einen Cowboyhut und erfindet so sein Markenzeichen. «Als ich zurückfuhr, gab es am Zoll einen Auflauf, alle wollten die Ski sehen und fragten, wo ist der Hut? Ich hatte ihn im Kofferraum. Da sagte ich mir, diesen Hut ziehe ich nie mehr aus.» Daran hat sich Furrer bis heute gehalten.