Warum Anwalt Valentin Landmann als Geldwäscher verurteilt wurde
Robin Hood und der Schneekönig

Der schillernde Anwalt Valentin Landmann kam einst selbst mit dem Gesetz in Konflikt. Weil er an das Gute glaubte – und von einem Kokaindealer missbraucht wurde.
Publiziert: 28.04.2017 um 18:39 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 10:20 Uhr
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Polizisten begleiten Reinhard Lutz 2011 zum Gericht in St.Gallen.
René Lüchinger

Der Tag des 12. Mai 1992 ist noch nicht erwacht, als es an der Haustür von Anwalt Valentin Landmann (66) Sturm läutet. Er öffnet, zehn Polizisten stehen vor ihm. Ein Untersuchungsrichter hält ihm einen Haftbefehl entgegen und erklärt, er sei wegen Verdunkelungsgefahr festgenommen. Was folgt, ist wie aus einem schlechten Krimi: Valentin Landmann packt ein paar Sachen zusammen, und kurze Zeit später findet er sich wieder als Häftling Nummer eins in einer Einzelzelle im Bezirksgefängnis Winterthur ZH. Dort schmort er endlos scheinende 21 Tage in Untersuchungshaft. Der Anwalt hinter Gittern: Die bürgerliche Existenz des Valentin Landmann liegt in Trümmern. Wie konnte das geschehen?

Reinhard Lutz alias der Schneekönig

Manchmal beschert einem die eigene Psyche die grössten Fallstricke im Leben. Im Fall von Landmann hat dieser Fallstrick einen Namen: Die Psychoanalyse nennt es Helfersyndrom. «Immer wieder gefiel sich Valentin Landmann in der Rolle eines bürgerlichen Robin Hood», urteilt sein Biograf Manfred Schlapp, «dem daran gelegen ist, Gestrauchelten wieder auf die Beine zu helfen und einen anerkannten Platz in der Gesellschaft zu sichern.» Und weiter: «Zum Wissensschatz der klassischen Psychoanalyse zählt die Überzeugung, dass so mancher, der vom Helfersyndrom befallen ist, an Minderwertigkeitskomplexen leidet. In ihrer Befangenheit fragen sich die ‹Helferlein› nur selten, ob ihre Hilfe sinnvoll oder überhaupt erwünscht ist.»

Das hat wohl auch Valentin Landmann nicht getan, als er auf einen Typen namens Reinhard Lutz trifft – ein notorischer Kokaindealer, den alle in der Szene den Schneekönig nennen. Als dieser nach einer verbüssten Haftstrafe wieder einmal auf freien Fuss kommt, nimmt sich der Anwalt mit dem grossen Herzen seiner an in der Absicht, diesem Kriminellen den Weg in eine legale, ökonomisch gesicherte Welt zu ebnen. Denn eines sticht Landmann sofort ins Auge: Lutz hat ein Flair fürs Unternehmerische. Und er passt perfekt in das Beuteschema seines Helfersyndroms: Mann mit Talenten gerät auf die schiefe Bahn, dem muss geholfen werden, dann wird aus dem Kriminellen ein ausgezeichneter Geschäftsmann. Und so richtet der Anwalt für den mehrfach Vorbestraften in Liechtenstein ein Konto ein, in der Absicht, gemeinsam eine Firma für Renovierungsarbeiten aufzubauen.

Über 5 Mio. Fr. Drogengelder

Der derart Umsorgte reaktiviert jedoch lediglich seine alten Drogenkumpels, renoviert seine alten Kokaingeschäfte und nutzt das ihm von seinem ‹Helferlein› in den Schoss gelegte Konto zur Geldwäscherei im ganz grossen Stil. Als alles auffliegt, schnappt sich die Staatsgewalt nicht nur den «Schneekönig», sondern auch den naiven Anwalt, der von all dem nichts mitbekommen hatte. Landmann flattert eine 44-seitige Anklageschrift ins Haus, in der er nachlesen darf, dass über das von ihm eingerichtete Konto 5'408'575 Franken gewaschen wurden. Über mehr als zehn Seiten dokumentiert die Anklageschrift zudem fein säuberlich Drogen, Herkunft des Stoffs und die Kostenabwicklung durch die Kunden. Dem ahnungslosen Landmann beschert dies eine Anklage wegen Geldwäscherei und Finanzierung des Drogenhandels. Es nutzt wenig, dass Lutz immer wieder zu Protokoll gibt, Landmann habe von seinen dunklen Geschäften nichts gewusst – ein Krimineller taugt schlecht als Kronzeuge für Rechtschaffene.

Und so wird Landmann im Dezember 1996 wegen mehrfacher qualifizierter Geldwäscherei zu einem Jahr Gefängnis bedingt verurteilt, zuzüglich einer Busse von 15'000 Franken und einem Berufsverbot von neun Monaten. Immerhin wird ihm das Anwaltspatent nicht entzogen.

Der «biedere Bünzli» – so sieht er sich selber – als eine Art Mutter Teresa für die Gestrauchelten dieser Welt. Während dem Prozess, im Alter von 46 Jahren, muss Landmann erkennen, dass sein Gutmenschentum nicht auf alle Ganoven elektrisierend reinwaschend wirkt. Sondern als Naivität eines Mannes, der sich trotz allem in der Wohligkeit der bürgerlichen Oberwelt eingerichtet hat. In das Dämmerlicht der Halbwelt steigt er zwar hinab, wie in einen Zoo der wilden Tiere, an denen er sich dann ergötzt. Dass die Viecher kein Streichelzoo sind, ahnt er durchaus. Aber wenn dann Blut fliesst, ist er doch bass erstaunt.

Quelle: Manfred Schlapp, «Valentin Landmann und die Panzerknacker». Offizin Verlag, Zürich.

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