Darum gehts
«Mit 70 gönne ich mir ab und zu mal eine ruhige Minute.» Carlo Brunner streckt seine Beine auf dem Liegestuhl vor seiner Villa in Schindellegi SZ und blättert amüsiert durch seine Lektüre: «Im Reiche des schwarzen Goldes» von «Tim und Struppi» – der Schweizer Ländlerkönig sammelt Erstausgaben der Comic-Helden-Serie. Da lässt er sich auch von Lebenspartnerin Erika Grab nicht stören.
Diese ist gerade auf ihrer Tour: Wie jeden Tag durchkämmt sie mit einem Laubbläser minutiös den grossen Garten. «Ein Spleen von mir! Da kommt jedes Blättli weg», sagt die 68-Jährige und schmunzelt. «Ich schau gern zu Haushalt und Garten.» Carlo wirft ihr einen verliebten Blick zu: «Bis auf die schweren Arbeiten. Da bin ich dein Gango, gäll, Schatz. Erika ist der Chef!»
Wohnen mit Blick auf den Zürichsee
Seit 27 Jahren leben Carlo Brunner und Erika Grab in der Liegenschaft, gebaut hatte sie Grabs Ex-Mann. 800 Meter über Meer, der Blick auf den Zürichsee und in die Glarner Alpen ist unverbaubar. Seine Lebensgefährtin ist eine erfolgreiche Immobilienfachfrau, er der Schweizer Ländlerkönig.
Als 15-Jähriger schuf der gebürtige Zürcher die Kapelle Carlo Brunner, zwei Jahre später schrieb der KV-Lehrling sein erstes berühmtes Stück im konzertanten Innerschweizer Stil, den «Waldvogel-Schottisch». Von 1987 bis 2017 begeisterte der virtuose Klarinettist mit seiner Superländlerkapelle das Publikum weltweit, seither spielt er mit seiner gleichnamigen Formation. 15 goldene Schallplatten zählt sein Palmarès. Eine seiner CDs heisst: «Nie meh Ärger, nie meh Chummer – los Music vom Carlo Brunner».
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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Der Tag von Carlo und Erika beginnt früh. Um 5.30 Uhr stehen die beiden auf, informieren sich auf dem Stubensofa am Fernsehen: «ZüriNews», «ZDF-Morgenmagazin». Beim Zmorgekafi ab 7.30 Uhr unterhalten sie sich darüber, was sie am Vorabend am TV gesehen haben. «Ich stehe auf Krimis, Erika auf Filme à la Rosamunde Pilcher.» Gegen 8.30 Uhr marschiert Carlo ins Nebengebäude, wo sich sein Musikzimmer mit Klavier, etlichen Klarinetten und Handorgeln sowie zwei Kontrabässen befindet.
Jeden Tag Kontrabass und Klarinette
Hier erledigt der Maestro Büroarbeiten und übt Klarinette. Bis 2017 trat Brunner 150-mal jährlich auf, an Stubeten oft nonstop von 15 bis morgens um 4 Uhr, «das war grausam streng». Heute gibt der Vater einer Tochter aus erster Ehe noch rund 50 Konzerte, Erika ist oft im Publikum. Um genügend Pfuus zu haben, spielt er Tennis, macht Velotouren. «Zum Golfen bin ich noch zu jung.»
Vor ein paar Monaten habe es ihn auf einer E-Bike-Fahrt gehörig «of d Büchs ghaue»: drei gequetschte Rippen – das tat monatelang höllisch weh. Doch schon zwei Wochen nach dem Selbstunfall blies Brunner bei einer CD-Taufe wieder Klarinette. «Ein Indianer kennt keinen Schmerz.» Carlo jammere nie, so sein «Schatz». «Erika und ich haben es wunderbar zusammen. Wir lachen viel, auch über uns selber. Zwischen uns giigets. Sie ist stets für mich da. Wir haben Freude am Leben», sagt er und nimmt eine Prise aus seiner Schnupftabakdose.
Schwester Maja Brunner kommt zu Besuch
Inzwischen ist Brunners Schwester Maja (73) zu Besuch gekommen – die Sängerin und Schauspielerin wohnt auch in Schindellegi. «Wir beide helfen einander, wo wir können.» Erika hat ein Zvieriplättli mit Käse und reichlich Cervelat parat gemacht. Einmal habe ihn jemand gefragt, was er auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Carlos Antwort: Klarinette, Solarkühler und eine Tonne Cervelat. Am Radio läuft SRF-Musikwelle. «Ein Stück von mir!», freut sich Carlo, als ein neues Lied erklingt – den Schlager «Das chunnt eus spanisch vor» hat er 1987 für Schwester Maja mitkomponiert. Carlo zündet sich eine Cohiba Robusto an – im Keller des Nebengebäudes hat er einen begehbaren Humidor. Als 23-Jähriger begann er zu rauchen, zwei Päckli am Tag, 25 Jahre. «Seither gönne ich mir in Mussestunden eine gute Zigarre.»
Erika und Carlo haben oft Besuch. «Erika ist eine hervorragende Köchin und Gastgeberin.» Der Hausherr holt dann auch schon mal einen Mouton-Rothschild 2000 aus dem Weinkeller. Fast alles macht das Paar gemeinsam: Vor kurzem waren sie an einem klassischen Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie, nächstens fahren sie mit dem Zug nach Mailand: Besuch in der Scala, einkaufen. Doch Erika hat nichts dagegen, wenn ihr Carlo auch mal ohne sie abdüst. 2017 reiste er mit einem Kollegen in der Transsibirischen Eisenbahn von der mongolischen Hauptstadt Ulan-Bator nach Moskau. Am Abend spielen die beiden gern Rommé oder klopfen einen Jass.
Träume? «Noch weiter Musik machen. Meine Buben lieben meine Musik! Und sie sagen, sie spielen noch immer mit dem jungen Carlo.» Mit «Buben» meint Brunner seine langjährigen Mitmusikanten. Für 2026 plant der Maestro eine vierte Auflage von Carlo Brunners Musikanten-Treff im Kultur- und Kongresszentrum Luzern. «Mit 70 kann ich nicht mehr die verrücktesten Ländler runterchlöpfen wie früher. Aber ich mache immer noch schöne Musik. Wenn mir das nicht mehr gelingt, höre ich auf.»
Noch gleich wie mit 50
Die Volksmusik sei rockiger geworden, «und unser Publikum wurde mit uns älter. Die Stubete Gäng findet Brunner gut, «sie sind originell». Doch es gebe Formationen, «da singt der Sänger schlechter als manch einer in der Badewanne». Früher sei es während seiner eigenen Auftritte oft mucksmäuschenstill gewesen. «Heute stehen viele Junge schon zu Beginn des Konzerts auf den Bänken und johlen. Damit habe ich Mühe.»
Seinen 70. am 22. April feiert der zweifache Grossvater an einem schönen Ort im Kanton Schwyz. Mit seinen Liebsten, Freundinnen, Freunden und Bekannten. Erika lacht. «Schicke Frisur, Goldketteli am Hals, braun gebrannt — du siehst noch gleich gut aus wie mit 50.» Carlo nickt. «Ich bin noch voll im Saft!» Das Handorgel-Duett Urs Meier von Oesch’s die Dritten und Remo Gwerder wird mit Ländlern aufspielen, dann sorgt Alleinunterhalter Philipp Mettler für Stimmung. Carlo: «Da gehts mit Rambazamba ins nächste Jahrzehnt!»