Tell-Premiere fällt ins Wasser
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Urner Schauspieler Urs Althaus:Tell-Premiere fällt ins Wasser

Urs Althaus (64) arbeitete jahrelang an Oper über den Schweizer Nationalhelden
Tell-Premiere fällt ins Wasser

Im BLICK-Interview verrät Männermodel und Schauspieler Urs Althaus, wie er mit der Pleite seiner Tell-Oper umgeht, warum er Begriffe wie «Mohrenkopf» in Ordnung findet und weshalb er in Italien ein Fussballstar ist.
Publiziert: 30.07.2020 um 23:03 Uhr
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Aktualisiert: 31.07.2020 um 08:13 Uhr
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Muss seine Tell-Oper auf dem Rütli absagen: Männermodel und Schauspieler Urs Althaus.
Foto: Peter Mosimann
Interview: Patricia Broder

Die Urner Berge sind sein Zuhause, beim Rütli leuchten seine Augen: Männermodel und Schauspieler Urs Althaus (64). Auf der berühmten Wiese wollte er nächstes Jahr die Oper «Wilhelm Tell» von Gioachino Rossini (1792–1868) aufführen. Nun fällt die geplante Grossproduktion an den Originalschauplätzen der legendären Schweizer Heldensaga wegen Corona ins Wasser. Für den Unternehmer und Buchautor jedoch kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken.

Herr Althaus, Sie arbeiten seit fünf Jahren an der Tell-Oper. Dieses Herzprojekt nun absagen zu müssen, muss wehtun.
Urs Althaus: Ja, ich bin sehr traurig. Wir mussten die Oper schon zwei Mal verschieben und hatten endlich einen Hauptsponsor gefunden. Für einen Anlass mit einer so anspruchsvollen Infrastruktur und einem straffen Sicherheitskonzept brauchen wir mindestens ein Jahr Vorlaufzeit. Da wir nicht wissen, wie sich die Corona-Situation entwickelt, konnten wir das Risiko einer kurzfristigen Absage im nächsten Jahr nicht eingehen – auch finanziell nicht.

Wie viel Geld haben Sie bereits verloren?
Das Projekt hat bei einem Budget von sieben bis acht Millionen Franken bisher 500’000 Franken verschlungen. Ich habe auch selber viel Geld investiert und bestimmt eine sechsstellige Summe verloren. Wie viel genau, möchte ich nicht sagen. Enttäuscht bin ich aber in erster Linie von der fehlenden Solidarität. Dass wir nicht früher und tatkräftiger von den Kantonen und vom Bund unterstützt worden sind. Vor allem da «Tell» ein so heimatverbundenes Projekt ist.

Wird es die Tell-Oper 2022 geben?
Das hoffe ich. Wir beobachten die Situation in diesem Jahr nun ganz genau und schauen, ob wir die Produktion 2022 wie geplant durchführen können oder ob wir gezwungen sind, die Oper in kleinerem Rahmen aufzuführen. Aber ich hänge sehr am Aufführungsort Rütli. Es würde mir das Herz brechen, müssten wir die Oper woanders spielen. Diese geschichtsträchtige Wiese, auf der 1291 die Eidgenossenschaft begründet wurde, ist für mich mein Kraftort. Jeder, der dorthin geht, spürt das. Sogar Rossini reiste vor Hunderten von Jahren extra für das Bühnenbild seiner Tell-Oper dorthin.

Sie nennen sich selber den schwarzen Tell. Würden Sie ihn auch gerne selbst spielen?
Ja, aber nicht in der Oper, ich kann nicht gut singen (lacht). Aber an der Figur Tell hänge ich sehr. Ich bin mit ihr aufgewachsen und ich glaube traditionell an die Tell-Geschichte. Als Kind besuchte ich jeden Tag das Tell-Spiel und konnte es in der siebten Klasse auswendig. Ich identifiziere mich auch sehr mit der Figur.

Warum? Was hat Urs Althaus mit dem Schweizer Nationalhelden gemeinsam?
Ich habe wie er immer für die Freiheit gekämpft. Ich musste ins Ausland gehen und dort für meine persönliche Unabhängigkeit kämpfen. Da man mir in der Schweiz sagte, es gebe keine Arbeit für schwarze Männer. Also ging ich als junger Mann nach Paris und New York. Heute erhalte ich über Facebook viele Nachrichten von jungen schwarzen Models, die sich bei mir für meine Vorreiterrolle bedanken. Das ehrt mich sehr.

Sie sind ein erfolgreiches Model und Schauspieler. Wie sieht Ihr Alltag in der Corona-Krise aus?
Meine Lebenspartnerin Ester und ich gehören beide zur Risikogruppe – ich hatte letztes Jahr eine schwere Operation, sie hat Lungenprobleme. Wir begaben uns deshalb bis nach Ostern in Selbstquarantäne. Nachbarn haben für uns eingekauft und uns unterstützt. Das war sehr berührend und schön. Unsere Ferien in Südfrankreich sagten wir ab und fuhren stattdessen in den Schwarzwald.

Kulturschaffende wie Sie trifft die Krise besonders hart. Welche finanziellen Auswirkungen kriegen Sie zu spüren?
Es ist wirklich krass. Viele meiner Schauspiel- oder Regisseurfreunde im Ausland haben seit Monaten kein Einkommen und sind drauf und dran, ihre Existenz zu verlieren. Ich habe mich dieses Jahr zum Glück auf den Rat meiner Partnerin mit 64 Jahren frühpensionieren lassen und bin seit März in Pension. Das war meine beste Entscheidung. Jetzt habe ich immerhin jeden Monat ein kleines Einkommen. Im September kommt eine neue Mini-Serie raus, in der ich mitspiele: Oktoberfest 1900. Sie erzählt die Entstehungsgeschichte des Oktoberfests. Und mit meinem Buch läuft es sehr gut. Ich habe gerade einen Verleger in Italien gefunden.

Was viele nicht wissen: In Italien sind Sie ein Fussballstar.
Ja. Ich habe viel Presse in Italien und das freut mich sehr. Durch meine Rolle im Fussballkultfilm «L'allenatore nel pallone», in dem ich den brasilianischen Fussballspieler Aristoteles spiele, habe ich viele italienische Fans. Das geht so weit, dass sogar die Fussballzeitung «Il Corriere dello Sport» ein Interview mit mir zu meiner Biografie macht. Ich kläre gerade ab, ob ich in Italien auf Buchtournee gehe.

In Italien wie auch in der Schweiz verwenden Sie bei Ihrer Biografie «Ich, der Neger» mit Absicht das Wort «Neger» im Buchtitel. Warum?
Ich habe den Titel bewusst so gewählt, weil mein Lieblingskinderbuch «Die zehn kleinen Negerlein» ist. Ich habe zum Begriff selber ein neutrales Verhältnis. «Neger» kommt ja eigentlich vom lateinischen «niger», was «schwarz» bedeutet. Das war nie beleidigend, bis gewisse Länder es missbraucht haben. Ich bin auch für den Begriff «Mohrenkopf». Den finde ich nicht abwertend. Bei unserer heutigen politischen Korrektheit darf man kaum mehr was sagen.

Haben Sie selber in der Schweiz Erfahrungen mit Rassismus gemacht?
Jein. Als Erwachsener schon. Da musste ich mich auch mal gegen eine Gruppe Skinheads wehren. Aber als Kind, das bei einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen ist, habe ich im Kanton Uri nie Rassismus erlebt. Meine italienischen Klassenkameraden hatten es da viel schwieriger. Ich war immer der etwas andere Urner. Ich bin der schwarze Tell eben.

Der Urner Tausendsassa

Urs Althaus wuchs bei seiner Mutter in Altdorf im Kanton Uri auf. Sein Vater war ein Medizinstudent aus Nigeria, den er nie kennenlernte. 1972/73 spielte er beim Nachwuchs des FC Zürich, musste die Karriere als Fussballer jedoch verletzungsbedingt aufgeben. Nach einer Lehre als Kaufmann startete Althaus 1976 als Model durch und arbeitete für namhafte Labels wie Yves Saint Laurent, Calvin Klein, Armani oder Gucci. 1977 schaffte er es als erstes schwarzes Model auf das Cover des US-Männermagazins «GQ». 1984 spielte Althaus im italienischen Kultfilm «L'allenatore nel pallone» den brasilianischen Fussballspieler Aristoteles und 1986 in «Der Name der Rose» an der Seite von Sean Connery die Rolle des Venantius. Zwischen 1992 und 2000 war Althaus Mitinhaber und Geschäftsführer der Schweizer Modelagentur Option. 2009 brachte er seine Biografie «Ich, der Neger» heraus.

Joerg Reichardt

Urs Althaus wuchs bei seiner Mutter in Altdorf im Kanton Uri auf. Sein Vater war ein Medizinstudent aus Nigeria, den er nie kennenlernte. 1972/73 spielte er beim Nachwuchs des FC Zürich, musste die Karriere als Fussballer jedoch verletzungsbedingt aufgeben. Nach einer Lehre als Kaufmann startete Althaus 1976 als Model durch und arbeitete für namhafte Labels wie Yves Saint Laurent, Calvin Klein, Armani oder Gucci. 1977 schaffte er es als erstes schwarzes Model auf das Cover des US-Männermagazins «GQ». 1984 spielte Althaus im italienischen Kultfilm «L'allenatore nel pallone» den brasilianischen Fussballspieler Aristoteles und 1986 in «Der Name der Rose» an der Seite von Sean Connery die Rolle des Venantius. Zwischen 1992 und 2000 war Althaus Mitinhaber und Geschäftsführer der Schweizer Modelagentur Option. 2009 brachte er seine Biografie «Ich, der Neger» heraus.

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