Er war der grösste Sänger deutscher Zunge. Jetzt ist er nicht mehr. Udo Jürgens († 80) brach gestern bei einem Spaziergang im kleinen Dorf Gottlieben TG am Bodensee bewusstlos zusammen. Das Herz!
Sein langjähriger Assistent und Chauffeur Billy Todzo (63) war bei ihm. Jürgens wurde sofort ins Kantonsspital Münsterlingen TG überführt. Trotz mehrfacher Wiederbelebungsversuche wachte er nicht mehr auf. Um 16.25 Uhr konnte nur noch der Tod des Jahrhundert-Entertainers festgestellt werden. Er starb an akutem Herzversagen. Völlig überraschend.
Vor genau zwei Wochen, am Sonntag, 7. Dezember, stand Udo Jürgens noch auf der Bühne des ausverkauften Zürcher Hallenstadions. Er wirkte agil, sang seine grössten Hits. 10 000 Fans jubelten ihm zu, erlagen seinem Charme, beschenkten ihn mit Rosen. Niemand hätte gedacht, dass dies sein allerletztes Konzert sein sollte.
Udo war auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Unschlagbar! Er war tiefsinnig, auch witzig – immer elegant. Die Ernsthaftigkeit des Alters stand ihm prächtig, diesem Gentleman der alten Schule.
«Ich kenne keinen Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit.» So erklärte Udo kürzlich im SonntagsBlick, weshalb er nach so vielen Jahren noch immer gerne auf der Bühne stehe. «Mein Beruf ist meine Passion und mein Lebensinhalt.» In seinem hohen Alter sei für ihn nichts mehr ein Müssen, sondern alles ein Dürfen. Diese Euphorie sah man ihm bis zum Schluss an.
Alle seien «erschüttert und fassungslos über den unerwarteten und plötzlichen Tod» ihres Freundes und grossartigen Künstlers, lassen Udo Jürgens’ Manager Freddy Burger (67) und sein Bandleader Pepe Lienhard (68) mitteilen. Sie seien geschockt und in grosser Trauer.
Udo Jürgens begann seine Karriere in den 50er-Jahren. Am Eurovision Song Contest gelang ihm 1966 mit «Merci, Chérie» der grosse Durchbruch. Er komponierte mehr als 1000 Lieder, verkaufte über 100 Millionen Alben (siehe unten). In den 70er-Jahren zog Jürgens in die Schweiz. Er wohnte in einer der tollsten Wohnungen Zürichs, direkt am Bellevue. Später zog er in eine Villa in Zumikon ZH. 2007 wurde der gebürtige Österreicher eingebürgert.
Erst letztes Jahr kaufte er ein vierstöckiges Jugendstilhaus in Meilen ZH mit herrlicher Aussicht. «Nach dem Umbau wollte er hier seinen Lebensabend verbringen», sagt Pino Gasparini (68) zu BLICK. Gasparini hat Jürgens ein Vierteljahrhundert lang musikalisch begleitet. «Ende Jahr wäre das Haus bezugsbereit gewesen. Er war schon fleissig dabei, es einzurichten. Er hat sich so darauf gefreut.»
Udo Jürgens war zweimal verheiratet, er hinterlässt Sohn John (50) und Tochter Jenny (47). Seine letzte Lebensgefährtin war Michaela Moritz (44), die Co-Autorin seiner 2004 erschienen Bestseller-Biografie «Der Mann mit dem Fagott». «Der Schmerz und die Traurigkeit sind gross», so Tochter Jenny. «Für mich zählt jetzt der Zusammenhalt der Familie, der ich in dieser schwierigen Zeit nahe sein will.»
Er wolle kein Leben führen, das ihn nicht mehr fordere, sagte Udo Jürgens einst. Ihn grauste es vor den körperlichen Beschwerden im hohen Alter. Und vor dem geistigen Zerfall. Er wollte in Würde abtreten. Voll da. Mit beiden Beinen auf dem Boden. Sein Wunsch ist gestern Nachmittag in Erfüllung gegangen.
«Nach dem Tod kommt der grosse Frieden. Doch der findet nicht mehr im Bewusstsein statt. Wir erleben ihn in einer Dunkelheit», glaubte Udo Jürgens. «Wenn ich vor etwas Angst habe, dann vor einer Wiedergeburt», sagte er 2012 zu BLICK.
Ein Wiedersehen mit dem grössten Sänger der deutschen Sprache wäre trotzdem wunderschön. Irgendwann, irgendwo.
Adieu, Udo!
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