«Lernt das doch endlich, liebe Deutsche!», titelte BLICK letzte Woche und bemängelte Fehler und Klischees in dieser Serie. Tatsächlich tut sich die ARD etwas schwer mit dem Vermitteln von glaubwürdigem Lokalkolorit. Die Schauspieler sprechen ein manieriertes Bühnendeutsch. Gewisse Szenen wurden auch in Prag gedreht, weil die Serie vom tschechischen Staatsfonds der Kinematografie gefördert wurde. Das hat einen Grund: Es macht die Produktion günstiger. Doch den Deutschen gefällt die Reihe: Auch der zweite «Zürich-Krimi» lief im Ersten sehr erfolgreich: Durchschnittlich 5,15 Millionen Zuschauer, das entspricht einem Marktanteil von 17,5 Prozent, verfolgten Hauptdarsteller Christian Kohlund in «Borchers Abrechnung». Damit holte die Serie sogar den Tagessieg. Im Vergleich zur Vorwoche kamen damit weitere 410'000 Zuschauer hinzu.
Zürich ist endlich nicht mehr spiessig
Nun gut: Alles war an diesem Krimi auch nicht schlecht. Zwar wirkt die Dramaturgie etwas altbacken, und die Dialoge sind noch zu langatmig. Aber die Reihe überzeugt dank ihrer kühlen Ästhetik. Zürich wird als mondäne Grossstadt dargestellt. Für einmal ist nichts spiessig und kaputt wie so oft in Schweizer Krimis. Wenn die Kamera über den Zürichberg fliegt, wirkt das wie in einer Hollywood-Produktion. In grossen Bildern wird hinter die Fassade der Finanz- und Geschäftswelt geschaut, wo hohe Summen dazu verführen, jegliche Moral über Bord zu werfen. Auch das Ensemble überzeugt: Vor allem Christian Kohlund gibt den schillernden Rechtsanwalt, der in Lateinamerika Schmiergelder eintrieb, hervorragend.
Wieso will das SRF nicht?
Wäre dieser Krimi nichts fürs Schweizer Fernsehen? Die Schweizer würden sich vor allem über den brillanten Kohlund freuen. Doch, er wäre. Eigentlich ist diese gepflegte Produktion, die auch in anderen Städten spielt, ideal fürs typische SRF-Zielpublikum. In Leutschenbach ist man trotzdem skeptisch: «Dieser Zürich-Krimi wurde in erster Linie für ein deutsches Publikum konzipiert», sag Urs Fitze, der beim SRF für die fiktionalen Projekte verantwortlich ist. «Ein ausländisches Publikum stört sich nicht so sehr an den Ungenauigkeiten und Klischees, die im Film vorkommen. Gerade bei Filmen, die in der Schweiz spielen, ist es für uns aber entscheidend, dass die Szenerien und vor allem auch die Sprache authentisch wirken», meint er.
Tatsächlich sprechen die Schauspieler ein gepflegtes Bühnendeutsch, das etwas irritieren mag. Christian Kohlund rutscht höchstens mal ein «Äxgüsi» raus. Aber haben wir uns nicht geärgert über das «Kuhschweizerdeutsch» in den ersten Synchronfassungen des Schweizer «Tatort»? Eben.
Der «Tatort» bleibt in Luzern
Offensichtlich ist auch: Zürich bietet als internationaler Finanzplatz die bessere Kulisse für einen internationalen Krimi als das kleinere Luzern. Wäre es nicht sinnvoll, den «Tatort» wieder einmal in die Limmatstadt zu zurück zu verlegen? Urs Fitze betont die Vorzüge von Luzern. «Wir wollen bewusst verschiedene Seiten dieser Stadt zeigen und sie nicht auf Beschaulichkeit und Tourismus reduzieren», sagt er. Ob Zürich nach dem Erfolg der ARD-Reihe doch wieder zum «Tatort»-Schauplatz werden könnte, lässt er offen. «Vorstellen können wir uns vieles, aber alle Tatortfälle, die wir zur Zeit planen, spielen in Luzern.«
Etwas muss sich SRF aber überlegen: Ob es dem aufs Alter noch besser werdenden Christian Kohlund nach diesem Quotenerfolg nicht eine grosse Rolle anbietet. Er hätte es verdient.