Tamy Glauser (34) erklärt die Gründe für ihren Polit-Rückzug
«Ich wurde auf der Strasse angegriffen»

Zum ersten Mal spricht Tamy Glauser über die Gründe für ihren Verzicht auf eine Nationalratskandidatur bei den Grünen. Und erklärt, wie schwierig die Zeit der Negativschlagzeilen und Hasskommentare für sie wirklich war.
Publiziert: 14.08.2019 um 20:38 Uhr
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Aktualisiert: 15.08.2019 um 13:57 Uhr
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Ist wieder die Alte: Top-Model Tamy Glauser.
Foto: Thomas Meier
Interview: Patricia Broder

Die dunklen Wolken über Tamy Glauser (34) lichten sich: Ende Juli gab das Berner Model bekannt, seine Nominierung als Nationalratskandidatin der Grünen zurückzuziehen. Zwei Wochen später steht Glauser gut gelaunt auf einer Dachterrasse am Zürcher Limmatquai und trägt ein weisses T-Shirt mit einer hinduistischen Gottheit drauf. «Das habe ich aus einem Tempel in Bali», sagt sie. «Die Verkäuferin erklärte mir dann, dass dieser Gott für Stärke und Selbstvertrauen stehe – das gefiel mir sehr.» Stärke, die auch symbolisch für das neue, kommende Kapitel in ihrem Leben stehe.

Der vorläufige Rücktritt aus der Politik scheint Ihnen gutzutun, Sie wirken sehr entspannt.
Tamy Glauser: Ja, ich fühle mich befreit und glücklich. Es geht mir richtig gut.

Wann war Ihnen klar, dass Sie Ihre Kandidatur für den Nationalrat zurückziehen wollen?
Es gab einen Moment, in dem mich jemand fragte, ob ich das wirklich für mich tue. Die Antwort lautete: Nein. Ich mache es für die anderen. Da wurde mir klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Zudem musste ich mich immer mehr einschränken und konnte nicht mehr Tamy sein. Ich hatte das Gefühl, gewisse Leute warten nur darauf, dass ich wieder etwas Falsches mache, etwas Falsches sage, damit sie es nachher gegen mich verwenden und wieder ausschlachten können. Irgendwann war es einfach genug. Ich wollte mich nicht mehr verbiegen. 

Sie haben also die Notbremse gezogen.
Ja, ich kam an den Punkt, an dem ich mir sagte: Moment, ich habe zu lange dafür gekämpft, so zu sein, wie ich bin. Und jetzt bin ich da plötzlich in eine Sache reingeraten, bei der alle versuchen, mich in eine Richtung zu ziehen, die mir überhaupt nicht entspricht. Schliesslich habe ich für mich den Entscheid getroffen und ihn mit Dominique besprochen. Sie bestärkte mich darin, denn sie sah, wie schlecht es mir ging.

Der mediale Shitstorm nach Ihrer Veganer-Blut-Aussage scheint Sie tief getroffen zu haben.
Ja, ich war vor allem überrascht, wie aggressiv manche Reaktionen waren. Auf Social Media, aber auch im echten Leben. Ich wurde auf der Strasse verbal angegriffen und beleidigt, als «dumm» beschimpft. Die ersten drei Tage nach den Schlagzeilen habe ich mich kaum mehr aus dem Haus getraut. Das zehrte an mir. Viele schätzen mich als taffe Tamy ein, aber ich bin ein sehr sensibler Mensch, und die Sache ging mir wirklich nahe. 

Warum glauben Sie, reagierten manche so heftig auf Ihre Äusserungen?
Aus irgendeinem Grund war ich schon immer ein Mensch, der polarisiert und provoziert. Ich bin sicher: Wäre ich nicht ein lesbisches, androgynes Model, sondern ein 50-jähriger Hetero-Mann, der klassisch ins System passt, hätte ich nie erlebt, was ich erlebt habe.

Und doch haben Sie auch Fehler gemacht.
Ja, ich hätte meine Aussagen rückblickend präziser und vorsichtiger treffen sollen. Als Tamy bin ich daran gewöhnt, kein Blatt vor den Mund nehmen zu müssen. Als Politikerin, die nicht ins System passt, läuft das ganz anders. Deshalb bin ich froh, jetzt wieder ganz Tamy sein zu können.

Hand aufs Herz: Hat Sie Ihre Partei, die Grünen, zu wenig vorbereitet auf das harte politische Parkett?
Wir waren beide sehr überrascht über die heftigen Reaktionen auf meine doch eher harmlos gemeinte Aussage. Wir hätten auch über die Vorteile veganer Ernährung sprechen können. Ich hatte ja keine bösen Absichten, sondern dachte wirklich, ich kann mit den Grünen Gutes tun. Aber wenn es mich so fertigmacht, geht das natürlich nicht.

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Trotzdem schliessen Sie es nicht aus, in vier Jahren wieder als Nationalratskandidatin anzutreten.
Sag niemals nie. Aber im Moment haben meine eigenen Projekte wieder Priorität. Ich werde die Grüne Partei aber weiterhin unterstützen, und ich werde mich auch für Themen einsetzen, die mir wichtig sind. Ich war ja bereits vor meiner Kandidatur politisch aktiv und werde das auch weiterhin bleiben.

Hat sich Ihr Ausflug ins Polit-Business in irgendeiner Form auf Ihre Arbeit als Model ausgewirkt?
Nein, ich kriege heute gleich viele Angebote wie vor und während meiner Kandidatur als Nationalrätin.

Seit Ihrem Rückzug aus der Politik hat man Sie meist an der Seite Ihrer Partnerin Dominique Rinderknecht gesehen. Heisst das, Tamynique sind wieder voll da?
Yes, Tamynique are back (lacht)! Egal, ob an der Street Parade oder wie vor einer Woche am «Stars in Town»-Openair in Schaffhausen. Da feierten wir ja mit Latin-Star Alvaro Soler auf der Bühne. Eines seiner Crew-Mitglieder hat uns einfach vom VIP-Bereich auf die Bühne geholt. Dann standen Dominique und ich plötzlich vor Tausenden von Fans. Was für ein Erlebnis! Wir feierten den Moment mit einem Kuss-Selfie. Es ist wirklich schön, dass wir nun unsere Zeit als Paar wieder in vollen Zügen geniessen können – privat wie auch beruflich.

Das heisst, die Agenda von Tamynique ist für die nächsten Monate voll?
Fast, wir haben sehr viel los. Auch unsere DJ-Karriere läuft gut. Wenn alles klappt, haben wir bald einen grossen Auftritt in Bern vor 1200 Leuten. Da freuen wir uns sehr drauf. Zudem planen wir im September noch einige Tage Ferien mit Freunden in der Schweiz. Das wird so etwas wie ein spontaner Road-Trip. Wir wissen noch nicht, wo es uns hinzieht.

Wie sieht heute ein normaler Tag im Leben von Tamy Glauser aus?
Im Sommer stehe ich eher früh auf, da ich die Fensterläden offen lasse und mit dem Tageslicht aufwache. Dann gehe ich nach draussen und meditiere – jeden Morgen. Und ich brauche unbedingt meinen Milchkaffee mit veganer Milch. Ohne den geht gar nichts. Dazu rauche ich eine Zigarette und höre Radio, um mich mit der Welt zu verbinden. Das Handy lege ich möglichst weit weg. Ich schalte es erst an, wenn ich meinen Kaffee ausgetrunken habe und in den Tag gestartet bin.

Wie blicken Sie in die Zukunft?
Es geht mir wirklich gut, ich fühle mich wieder wie die alte Tamy. Jetzt können mich die Leute auch ungeniert anfeinden, das ist mir egal. Denn jetzt schulde ich niemandem mehr Rechenschaft – nur mir selbst.

Top-Model Tamy Glauser

Am 2. Januar 1985 in Paris geboren, wuchs Tamara «Tamy» Glauser bei Pflegeeltern in Stettlen BE auf. Mit 27 Jahren begann sie ihre steile Modelkarriere und präsentierte Frauen- wie auch Männer-Mode. Im Oktober 2018 erschien ihre Autobiografie: «Tamy. Das, was ich bin, kannte ich nicht». Seit Ende 2016 ist sie mit Ex-Miss-Schweiz Dominique Rinderknecht (29) zusammen. Als «Tamynique» sind die beiden das bekannteste Frauenpaar des Landes.

Am 2. Januar 1985 in Paris geboren, wuchs Tamara «Tamy» Glauser bei Pflegeeltern in Stettlen BE auf. Mit 27 Jahren begann sie ihre steile Modelkarriere und präsentierte Frauen- wie auch Männer-Mode. Im Oktober 2018 erschien ihre Autobiografie: «Tamy. Das, was ich bin, kannte ich nicht». Seit Ende 2016 ist sie mit Ex-Miss-Schweiz Dominique Rinderknecht (29) zusammen. Als «Tamynique» sind die beiden das bekannteste Frauenpaar des Landes.

«Ich bin sehr glücklich»
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Die Grünen haben entschieden:Tamy Glauser ist Nationalratskandidatin
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