Am 3. April moderiert Katja Stauber (57) nach 28 Jahren zum letzten Mal die Hauptausgabe der «Tagesschau». Im grossen SonntagsBlick-Interview spricht die Schweizer TV-Ikone über Lampenfieber, Rampenlicht, wahre Werte und ihren speziellen Bildschirm-Abschied in Zeiten von Corona.
SonntagsBlick: Frau Stauber, geht es Ihnen gut?
Katja Stauber: Mir geht es gut, ich habe auch keinen Lagerkoller. Wir Journalistinnen und Journalisten sind gut gefordert, und dann gab es in den letzten Wochen noch ein paar technische Pannen vor und während der Hauptausgabe der «Tagesschau». Aber natürlich ist das nichts zur Belastung, die das Pflegepersonal jetzt hat. Ich ziehe wirklich meinen Hut vor ihm.
Was machen Sie zusätzlich zu den Weisungen, um sich fit zu halten?
Bisher machte ich Krafttraining für den Muskelaufbau in einem Fitnessstudio. Jetzt gibt es zu Hause Yoga-Übungen. Und ich bemühe mich, gesund zu essen, viel Salat und Gemüse. Wir sind zurzeit zu dritt zu Hause. Mein Mann Florian, mein jüngerer Sohn Jan, der noch studiert, und ich. Daneben gehen wir für meine Mutter und meine Schwiegermutter einkaufen, die beide in der Nähe wohnen. Sie gehen nicht mehr raus und schicken jeweils ihre Listen mit dem Nötigsten. Wir schauen so gut wie möglich zueinander.
In Roger Schawinskis Abschiedssendung haben Sie gesagt: Man lernt sich durch die Krise neu kennen. Welches sind Ihre Erkenntnisse?
Ich merke, dass ich eigentlich sehr ruhig und pragmatisch reagiere in dieser Zeit, obwohl ich ein sehr lebhafter Mensch bin. In der Ruhe liegt die Kraft, wie es so schön heisst. Vielleicht hat das auch mit dem Alter zu tun.
Angstgefühle kennen Sie aber auch?
Angstgefühle habe ich nicht. Ich finde die aktuelle Situation herausfordernd, aber ich habe keine Angst davor. Aber ich würde wohl anders empfinden, wenn ich einer Risikogruppe angehören würde. Klar. Ich mache mir eher Sorgen um ältere Menschen. Oder um jüngere Leute, die gerade operiert worden sind. Aber es bringt auch nichts, Angst zu haben. Wir können nur hoffen, dass das alles einigermassen gut vorübergeht.
Zurzeit haben Sie bis zu 1,4 Millionen Zuschauer, und die Leute sehen noch genauer hin. Spüren Sie mehr Druck?
Es ist eine Gratwanderung: Man sollte ja eine gewisse Distanz zum Geschehen ausstrahlen und kein Trauerspiel veranstalten. Aber vom Gespür her mache ich es ähnlich wie die letzten 28 Jahre auch. Ich moderiere so, wie ich auch empfinde. Ich muss nichts spielen, nicht betroffen oder lustig sein. Ich nehme die Stimmung auf und sage, was Sache ist, die Fakten sind wichtig.
Sie spielen keine Rolle?
Das habe ich nie gemacht. Meine Mutter hat mich jüngst angerufen und gesagt, heute hätte ich schon ein wenig traurig ausgesehen. Sie ist ein guter Gradmesser für mich. Sie ist Mitte 70 und interessiert sich für das Weltgeschehen, die klassische Zuschauerin. Und ich habe ihr dann gesagt: Ja, ich bin betroffen und das überspiele ich nicht. Sonst würde ich eben eine Rolle spielen. Aber nun in die totale Depression zu verfallen, wäre wenig hilfreich.
Am 3. April haben Sie Ihre letzte Sendung vor der Kamera. Was hinterlassen Sie der TV-Welt als Moderatorin?
Uff, das ist eine grosse Frage … Ich habe zwei Generationen von Menschen begleiten dürfen. Viele Zuschauer sind mit mir zusammen älter geworden über fast drei Jahrzehnte hinweg. Ich finde es schön, wenn ich bei der einen oder beim anderen in Erinnerung bleibe, aber was heisst das schon? Ich habe mir gesagt, dass ich für die letzten Jahre meines Berufslebens noch einmal eine neue Herausforderung möchte. Worauf ich mich sehr freue. Was ich hinterlasse? Ich hoffe, ich habe einen guten Job gemacht. Dass die Leute sagen können, die haben wir gern gesehen, bei der fühlten wir uns aufgehoben und «an der Hand genommen».
Sie haben sich verändert, auch verbessert mit den Jahren. Was half Ihnen dabei?
Sie stellen heute besonders intelligente Fragen (lacht und denkt länger nach). Das Alter vielleicht, die Erfahrung. Es liegt natürlich in der Natur der Sache, dass ich heute mehr weiss als vor 28 Jahren. Ich glaube, das familiäre Umfeld hat mir auch sehr geholfen. Ich habe zwei Kinder aufgezogen. Das war sehr einschneidend und prägend. Das Leben an sich hat mich stärker gemacht.
Wenn wir Ihnen zuschauten, hatten wir nie das Gefühl, Sie seien nervös oder hätten Lampenfieber. Eine Täuschung?
Ängste, im Beruf zu versagen, gab es sicher. Heute habe ich aber vor einer «Tagesschau» kein Lampenfieber mehr. Manche Dinge kann man einfach nicht ändern, wie die technischen Probleme neulich. Es hat dann auch keinen Sinn, sich aufzuregen. Es gibt diesen treffenden Sinnspruch: «Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.»
Aber ein Kribbeln ist schon immer noch da vor einer Sendung?
Ein guter Adrenalinschub, ja. Und das ist auch gut so. Eine gute Anspannung. Ich bin jeweils einfach sehr präsent und weiss: Die nächste halbe Stunde gilt es ernst.
Mussten Sie sich zuletzt kneifen, um nicht zu routiniert zu werden?
Vielleicht, wenn ich es noch fünf, sechs Jahre länger gemacht hätte. Aber diese Gefahr besteht ja nun nicht.
Macht Rampenlicht süchtig?
Mich nicht. Ich war nie süchtig danach. Was für viele Leute oft schwierig zu verstehen ist: Ich habe stets einen Job gemacht wie andere Menschen auch. Ich hatte das Glück, diese Sendung so lange machen zu dürfen und eines ihrer Gesichter zu sein. Aber ich fand nicht, das sei etwas Besonderes und sah mich nie als aussergewöhnlich.
Haben Sie nie Frauen um ihren Beruf hinter den Kulissen beneidet?
Das gab es sicher auch mal, vor allem, als die Kinder klein waren. Wenn ich mit ihnen in die Badi ging, wurde ich mehr beobachtet als andere. Aber ich sagte mir dann immer: Mich hat ja niemand gezwungen, ich mache meinen Job freiwillig und gern. Manche Leute glaubten, auch das sei mein Hobby. Aber ich verdiene – wie andere ebenso – mit meinem Beruf meinen Lebensunterhalt. Ein spezieller Beruf halt, den nur wenige Leute haben. Aber es ist ein Beruf. Ich wollte nie tauschen. Und ich bin recht bodenständig, das war auch hilfreich.
Was würden Sie einer jungen Frau sagen, die zum Berufsberater kommt und die nächste Katja Stauber werden will?
(Lacht laut) Ich würde ihr sagen, machen Sie auf jeden Fall zuerst einmal eine gute Ausbildung. Das wurde mir auch geraten. Ich rief mit 15 bei der Ringier-Journalistenschule an, und die sagten mir: Fräulein, machen Sie zuerst einmal Ihre Schule fertig. Und vielleicht führt Sie Ihr Weg auch anderswo hin. Gehen Sie zu einem Lokalradio, schreiben Sie, probieren Sie Dinge aus. Und sie hatten recht. Ich moderierte ja auch nicht schon mit 18 die «Tagesschau». Und was ebenfalls hilft: Am Boden zu bleiben. Sich als «Star» aufzuspielen, ist in diesem Beruf höchst kontraproduktiv.
Haben Sie mit News die richtige Gattung für Sie gewählt?
Sonst hätte ich es wohl kaum fast 30 Jahre ausgehalten (lacht). Ich habe mal einen Versuch in der Unterhaltung gestartet, fühlte mich aber in diesem Setting nicht wohl. Radio machte ich auch immer gern, ein tolles, weil schnelles Medium. Und auch die Erfahrung als Print-Journalistin war wertvoll. Leider bin ich nicht dazu gekommen, länger zu schreiben. Ich finde, Journalismus ist per se ein hochspannender Job, auch wenn die Umstände mit allen Sparmassnahmen in den letzten Jahren schwieriger für alle geworden sind.
Was passiert am Ende Ihrer letzten Sendung?
Mein Plan, zu einem Apéro einzuladen, ist ja nun hinfällig geworden, und das ist auch nicht wichtig. Sehr gerne hätte ich meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen Danke gesagt, wir sind ein tolles Team. Fernsehmachen ist immer Teamarbeit. Die Moderation «verkauft» ja die Beiträge der Kolleginnen und Kollegen. Vielleicht hole ich das alles im Sommer nach – oder wenn sich die Lage normalisiert hat.
Aber Sie gehen wegen der Krise nicht in Verlängerung?
Nein, Andrea Vetsch übernimmt am 6. April. Ich entschied mich vor einem Jahr, die Moderation der Hauptausgabe der «Tagesschau» abzugeben und konnte lange genug Abschied nehmen.
Worauf freuen Sie sich am meisten nach der Krise?
Endlich in die Ferien zu gehen. Wir wollten Mitte Mai mit Freunden nach Frankreich und werden das wohl jetzt absagen müssen. Florian und ich waren seit September 2019 nicht mehr in den Ferien und hatten uns sehr gefreut. Wir verschieben die Reise nun auf September. Die Ferien im Mai verbringen wir wohl zu Hause. Home Sweet Home (lacht).
Katja Stauber (57) wurde am 23. August 1962 in Blomberg (D) geboren und verbrachte die ersten sieben Lebensjahre im heutigen Namibia. Nach der Matur studierte sie Rechtswissenschaften an der Uni Zürich. Ihre Medienkarriere startete sie 1984 bei Radio 24. Seit 1992 ist Stauber Moderatorin und Redaktorin bei der «Tagesschau», der sie nach ihrem Bildschirm-Abschied als Produzentin erhalten bleibt. Sie lebt mit ihren zwei Söhnen aus erster Ehe und ihrem jetzigen Ehemann, dem «Tagesschau»-Kollegen Florian Inhauser (52), in Erlenbach ZH.
Katja Stauber (57) wurde am 23. August 1962 in Blomberg (D) geboren und verbrachte die ersten sieben Lebensjahre im heutigen Namibia. Nach der Matur studierte sie Rechtswissenschaften an der Uni Zürich. Ihre Medienkarriere startete sie 1984 bei Radio 24. Seit 1992 ist Stauber Moderatorin und Redaktorin bei der «Tagesschau», der sie nach ihrem Bildschirm-Abschied als Produzentin erhalten bleibt. Sie lebt mit ihren zwei Söhnen aus erster Ehe und ihrem jetzigen Ehemann, dem «Tagesschau»-Kollegen Florian Inhauser (52), in Erlenbach ZH.