Im heutigen «Medienclub» (SRF 1, 22.25 Uhr) spricht Franz Fischlin (57) mit Gästen zum Thema «Tatsachen und Meinungen – Wie objektiv berichten Medien?» Eine Tatsache ist, dass der sonst eher zurückhaltende «Tagesschau»-Star mit BLICK erstaunlich offen über Privates spricht.
BLICK: Sie sind bald der letzte Star am Leutschenbach. Macht Ihnen das nicht Angst?
Franz Fischlin: Überhaupt nicht. Es wimmelt bei SRF nur so von fähigen Kolleginnen und Kollegen. Und was heisst «Star»? Ich bin einfach leidenschaftlich gern Journalist, der einen Teil seiner Arbeit vor der Kamera macht.
Sie haben kürzlich erklärt, dass Sie Ihr Pensum bei der «Tagesschau» reduzieren wollen. Das muss dem Sender doch Sorgen bereiten, wenn sich auch das letzte Aushängeschild rar macht, oder?
Auch hier klar nein. SRF gewinnt dafür eine weibliche Top-Führungskraft, die dabei mithelfen kann, unser Medienhaus zu gestalten und in die Zukunft zu führen.
Was sind die Gründe, warum Sie weniger arbeiten?
Ich will meine Frau auf ihrem beruflichen Weg noch mehr unterstützen. Wir sind ein Team.
Was ist anstrengender, sich einen Tag lang um den Haushalt zu kümmern oder die Nachrichten zu moderieren?
Beides hat, je nach Tagesform, seine Tücken (lacht). Im Büro können sich die Ereignisse überstürzen, weil sich die News-Lage ständig ändert. Aber auch zu Hause kann es hektisch zu- und hergehen, wenn zum Beispiel plötzlich ein Kind krank wird und organisatorisch alles auf den Kopf gestellt wird. Eines aber ist klar: Das Familienleben, so abenteuerlich es ist, ist wunderschön.
Sie hatten kürzlich einen Unfall. Was ist passiert?
Es war eigentlich etwas recht Banales: Es kam mir beim Räumen eine schwere, metallbeschlagene Kiste entgegen, die unbedingt meine Stirn küssen wollte.
Sie haben den Zwischenfall selber auf Twitter gemeldet. Haben Sie damit gerechnet, dass dies solche Wellen schlägt?
Die Reaktionen überwältigten mich fast mehr als die Kiste. Ich wollte eigentlich nur meinen beiden Kolleginnen Cornelia Boesch und Andrea Vetsch für ihr unkompliziertes Einspringen danken. Und dachte, ich könnte dem Publikum – das mich dann Tage später mit lädierter Stirn sieht – meinen Vorfall «vortelefonieren». Denn mir war sofort klar: Diese Wunde lässt sich nicht überschminken. Aber der Tweet löste mehr Fragen aus, als er Antworten gab. Klassische Fehleinschätzung.
Seit der Diskussion um Tweets von US-Präsident Trump wird darüber gestritten, was auf Twitter noch zulässig sein soll. Was würden Sie nie twittern?
Einen Fluch oder eine Beleidigung. Auf dem Kanal tausche ich mich mit dem Publikum aus. Und lobe dort auch lieber, als ich kritisiere. Es gibt genug Destruktives auf der Welt.
In Ihrem «Medienclub» vom Dienstag geht es darum, inwieweit Informationen überhaupt objektiv sein können. Aber mal ehrlich: Die absolute Wahrheit gibt es doch gar nicht ...
Stimmt. Aber es gibt eine Annäherung an die Objektivität. Das Bemühen zum Beispiel, möglichst faktenbasiert, ausgewogen zu berichten, unterschiedliche Argumente abzubilden. Im «Medienclub» werden wir über die Grenze zwischen Faktenvermittlung und Meinungsjournalismus diskutieren. Unter anderen ist übrigens SRF-Direktorin Nathalie Wappler als Gast dabei, auf deren Meinung zum Meinungsjournalismus ich gespannt bin.
Aber als Moderator müssen Sie doch die Dinge einordnen und Haltung beziehen.
Haltung ja. Aber nur journalistisch – nicht ideologisch oder parteipolitisch. Wenn ich als «Tagesschau»-Moderator dem Publikum zu verstehen gebe, was ich persönlich vom Rahmenabkommen mit der EU halte, dann bin ich fehl am Platz. Meine Aufgabe verstehe ich darin, möglichst viele und unterschiedliche Informationen zum Rahmenabkommen zu liefern, damit sich jede Zuschauerin, jeder Zuschauer seine eigene Meinung bilden kann.
Wie sachgerecht war denn die Berichterstattung über Corona?
Ich finde, ganz allgemein haben die traditionellen Medien einen sehr guten Job gemacht. Das zeigt sich auch am grossen Publikumsinteresse. Bei SRF beispielsweise spüren wir das immer noch. Sei es im Radio, TV oder online. Bei der «Tagesschau» haben über mehrere Wochen hinweg Abend für Abend mehr als eine Million Zuschauerinnen und Zuschauer eingeschaltet. Und ich habe überdurchschnittlich viele Zuschriften erhalten von Menschen, die sich für die sachliche Berichterstattung bedankten. Das freut mich.
Apropos Corona: Sie und Ihre Frau Susanne waren ja beide im Dauereinsatz. Es wäre für SRF fatal gewesen, wenn jemand von Ihnen ausgefallen wäre. Haben Sie das zu Hause diskutiert?
Da ging es uns wohl so wie allen anderen im Land. Wir hofften, dass wir gesund bleiben. Gleichzeitig beschäftigte uns der Ausnahmezustand und auch, wie viele Menschen um ihre berufliche Existenz bangen.
Ihre Frau hat als neue SRF-Kulturchefin eine verantwortungsvolle Schlüsselstelle. Meistens sind die Rollen in einer Familie immer noch umgekehrt. Haben Sie keine Mühe damit?
Gar nicht. Ich finde, im 21. Jahrhundert müsste diese Rollenverteilung eigentlich viel verbreiteter, ja gar selbstverständlich sein. Gleichstellung ist auch Männersache. Und übrigens: Meine Frau ist nicht nur beruflich, sondern auch in der Familie sehr engagiert.
Was machen Sie denn eigentlich den ganzen schönen Tag lang, wenn Sie zu Hause sind?
Die Frage klingt ja wie das über 40 Jahre alte Lied: «Das bisschen Haushalt macht sich doch allein, sagt mein Mann …». Also, Sie können mich gerne mal einen Tag lang begleiten. Es gibt so viel zu tun, da beginne ich besser gar nicht mit aufzählen, sonst endet dieses Interview nie.
Ihre Frau meinte mal: «Der Franz ist ein wilder Typ, das muss jetzt mal gesagt werden. Privat flippt er auch mal aus, tanzt durch die Wohnung, macht Blödsinn und geht morgens im kalten See schwimmen.» Stimmt das?
Ist sie bekannt für Fake News? Nein (lacht). Der Rest ist Schweigen.
Sie haben zwei erwachsene Töchter aus erster Ehe und drei deutlich jüngere Kinder mit Susanne. Haben sich Ihre persönlichen Erziehungsmaximen verändert?
Mir war und ist wichtig, den Kindern Werte mitzugeben und diese möglichst auch vorzuleben. Respekt anderen Menschen gegenüber zum Beispiel oder sich bewusst zu sein, wie privilegiert wir sind, hier in der Schweiz aufwachsen zu dürfen. Demut und Dankbarkeit. Und auch Humor darf nicht fehlen.
Was ist heute schwieriger geworden?
Der Umgang mit der Online-Welt, den Smartphones und den Hunderttausenden Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben.
Sie werden dieses Jahr 58. Einige Moderatoren in Ihrem Alter haben sich von der Kamera zurückgezogen. Was sind Ihre Pläne?
Ich nehme es Jahr für Jahr.
Werden Sie bis zu Ihrer Pensionierung sichtbar sein?
Schauen Sie, ich lebe im Jetzt. Und hier schlägt mein Herz für den Journalismus.
Sie haben sich ein zweites Standbein als Hausmann angeeignet. Wo können Sie da eigentlich noch zulegen?
Oh meine Güte! Da kann ich noch fast überall zulegen. Wobei, im Kleiderbügeln bin ich inzwischen recht gut.
Der 1962 in Bern geborene Franz Fischlin studierte nach einer Fotografenausbildung Journalistik an der Uni Freiburg und fasste über das Lokalradio in der Medienbranche Fuss. Im Jahr 2000 begann er beim SRF als Redaktor und übernahm 2004 als Nachfolger von Charles Clerc (77) die Moderation der «Tagesschau»-Hauptausgabe. Seit 2015 leitet er zudem den von ihm lancierten SRF-«Medienclub», welcher jährlich vier- bis sechsmal erscheint. Fischlin ist seit 17 Jahren mit Susanne Wille (46) liiert. Gemeinsam sind sie Eltern von drei Kindern: Enea (14), Yannis (12) und Louna-Maria (9). Aus einer früheren Ehe hat Fischlin zwei Töchter. Die Familie wohnt im aargauischen Boniswil.
Der 1962 in Bern geborene Franz Fischlin studierte nach einer Fotografenausbildung Journalistik an der Uni Freiburg und fasste über das Lokalradio in der Medienbranche Fuss. Im Jahr 2000 begann er beim SRF als Redaktor und übernahm 2004 als Nachfolger von Charles Clerc (77) die Moderation der «Tagesschau»-Hauptausgabe. Seit 2015 leitet er zudem den von ihm lancierten SRF-«Medienclub», welcher jährlich vier- bis sechsmal erscheint. Fischlin ist seit 17 Jahren mit Susanne Wille (46) liiert. Gemeinsam sind sie Eltern von drei Kindern: Enea (14), Yannis (12) und Louna-Maria (9). Aus einer früheren Ehe hat Fischlin zwei Töchter. Die Familie wohnt im aargauischen Boniswil.