Blick: Francis Rossi, Sie gehen auf Abschiedstournee. Wie fühlen Sie sich?
Francis Rossi: Ich liebe es noch immer, auf der Bühne zu stehen. Es ist lustig Da trifft man eine solche Entscheidung und dann plötzlich, wenn ich diese wunderbaren Augenblicke mit dem Publikum erlebe, hintersinne ich mich. Aber es geht ja weiter, einfach unplugged. Meine alten Knochen machen Konzerte wie bis anhin nicht mehr mit. Diesen Stress müssen wir uns nicht mehr antun.
Wie kommen Sie mit dem Älterwerden denn klar?
Nächste Frage, bitte (lacht). Wenn man den Spiegel nicht erfunden hätte, wäre es nicht so schlimm.
Was sagt Ihre Frau dazu, dass Sie bald öfter zu Hause sind?
Die versteht das gut, sie ist wunderbar. Sie hat mich schliesslich daran erinnert, dass ich eigentlich schon seit längerem weniger arbeiten will. Aber es ist mir bis anhin nicht gelungen. Meine Hündin Nancy freut sich noch mehr auf die gemeinsame Zeit. Sie ist so süss, ein Mischling aus Jack Russell und Westie. Nancy ist wie ein Baby,
sie frisst mich fast auf vor Liebe (lacht). Wovon hatten wir gesprochen?
Von Ihrer Frau ...
Ja, genau. Die Sache ist die: Wenn ich weniger arbeite, müssen wir uns finanziell auch etwas einschränken, denn ich habe acht Kinder. Die Hälfte lebt noch daheim – und alle gehen an die Uni. Wir haben einen tollen Lifestyle, eine riesige Villa, Autos. Daran haben wir uns gewöhnt. Auf all das möchte ich nicht verzichten.
Sie haben bestimmt eine Menge Geld verdient.
Ja, aber ich habe auch Scheidungen hinter mir und gesoffen wie ein Fisch. Und die Zeiten haben sich geändert: Heute wird alles zum Geschäft – eine Band, eine Zeitung oder sogar eine Familie. Was nicht profitabel ist, geht unter. Man redet den Leuten ein, dass es reicht, bis zur Pension brav zu arbeiten. Dann habe man genug bis ans Lebensende. Das hat mir eine Lehrerin in der Schule weismachen wollen.
Was hat sie Ihnen gesagt?
Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern, obwohl ich erst sieben Jahre alt war. Ich ging an eine katholische Schule. Die Lehrerin sagte, wenn ich ein guter Christ sei, bekäme ich einen Platz neben Gott. Dann muss es da oben ja ziemlich eng sein (lacht). Und sie meinte, wenn ich in der Schule fleissig bin, eine Ausbildung mache und bis 65 arbeite, könne ich nachher endlich all das tun, was ich schon immer wollte. Das waren gleich drei grosse Lügen. Ich mache schon mein ganzes Leben lang, was ich will.
Dann haben Sie also nichts verpasst. Gibt es etwas, das Sie unbedingt noch tun möchten?
Ich will noch mehr. Mehr Sex, Food und Musik. Das sind meine Drogen. Wenn ich etwas mag, dann will ich es immer wieder haben. Zum Beispiel Rösti! Ich liebe Rösti, davon möchte ich am liebsten jede Woche essen. Oder Sex. Wenn man mit jemandem so eine magische Verbindung hat, dann will man es immer wieder. Und mit der Musik ist es dasselbe. Man steht auf der Bühne und es entsteht diese Magie. Davon bekommt man nie genug, es ist eine Sucht.
Funktioniert das?
Nicht immer, vor allem nicht beim Sex (lacht). Und auch auf der Bühne ist es nicht immer gleich. Jeder von uns kennt diese magischen Momente. Wenn ich das an einem Konzert erlebe, will ich nachher nicht ins Bett. Denn dann schlafe ich, wache am nächsten Tag auf und es ist gestern – und vorbei. Darum will ich immer noch mehr.
Gehen Sie selber auch mal an ein Konzert?
Nein. Das ist eigentlich sehr schräg. Schliesslich lebe ich davon, dass Leute genau das tun. Ich war 1968 bei den Everly Brothers und 1979 bei den Eagles. Das war etwas vom Besten, was ich je gesehen habe. Ich bewundere unser Publikum. Diesen Sommer hat es an einem Open Air angefangen zu regnen wie aus Kübeln, alle wurden klitschnass. Aber es machte den Leuten nichts aus, sie gingen voll mit und die Stimmung war toll. Ich würde für keine Band der Welt im Regen stehen.
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