Seelenruhig steigt mein berühmter Fahrgast ins Auto und klemmt sich den Geigenkoffer zwischen die Knie. Ich bringe den Starviolinisten Daniel Hope von Zürich nach Winterthur ZH, wo er am Abend im Stadthaus spielt.
Ist er nicht nervös so kurz vor dem Konzert? «Ein positives Kribbeln gehört dazu», gesteht er lachend. Aberglaube auch: Sagt jemand vor dem Auftritt «Toi, toi, toi», darf der Künstler auf keinen Fall danken.
Hope gibt in zehn Tagen zehn Konzerte in fünf Ländern. Dennoch hat er sich einen Luxus geleistet: «Ich war mit meiner Frau und meinem zweijährigen Sohn am See spazieren und habe Zürcher Geschnetzeltes gegessen. Ich bin verrückt danach!»
Wir rollen durch den stockenden Verkehr, und er erzählt von seinen Sommern als Kind in Gstaad BE – im Chalet des legendären Violinisten Yehudi Menuhin. Geboren ist Hope in Südafrika. Sein Vater war Apartheidgegner, die Familie musste nach Europa fliehen. Als das Geld ausging, traf die Mutter zufällig einen Stellenvermittler – und der hatte einen Job für sie: Privatsekretärin von Yehudi Menuhin! Aus der Notlösung wurde eine Lebensaufgabe. Samt Familie folgte sie dem Geigenvirtuosen 26 Jahre lang und wurde seine Managerin.
Daniel ist dankbar: «Menuhin hat meine Familie gerettet; er gab uns nicht nur ein Dach über dem Kopf und den Job – seine Grosszügigkeit und Liebe zur Musik haben uns alle geprägt.» Daniels älterer Bruder wurde später Direktor des berühmten Konzertpalasts Royal Albert Hall in London. Er selber wollte schon mit vier Jahren dem Vorbild des Meisters folgen.
Der aber nahm ihn nicht ernst. Erst als 16-Jährigen wollte Menuhin ihn spielen hören. Schockiert, dass er das junge Talent nicht früher erkannt hatte, bot er Daniel an, mit ihm auf Tournee zu gehen. Sechzig Konzerte waren die Folge. Hope: «Es war gigantisch – aber harte Arbeit und Menuhin sehr kritisch!»
Ich frage nach dem Instrument, auf dessen Kasten sich Daniel lässig stützt – eine Guarneri del Gesù aus dem Jahr 1742, die ihm eine deutsche Familie zur Verfügung stellt: eines der wertvollsten Instrumente der Welt!
Die kostbare Fracht macht mich beim Fahren ganz nervös! Hope erzählt stolz: «Die Geige teilte die Bühne schon mit Liszt, Paganini und Schumann.» Was ich zum Glück erst später erfahre: Vor fünf Jahren wechselte eine Guarneri del Gesù für 18 Millionen Dollar den Besitzer!
Ab 2016 wird mein Beifahrer musikalischer Direktor des Zürcher Kammerorchesters. Für ihn schliesst sich der Kreis: «Meine erste prägende musikalische Erfahrung in Gstaad war mit dem ZKO!» Unter seiner Ägide wird das Orchester weltweit auftreten: «Mit diesen wunderbaren Musikern können wir Grosses bewegen.»
Wieso er noch in Wien wohnt, will ich zum Schluss wissen. «Meine Frau und ich überlegen tatsächlich, nach Zürich zu ziehen – für mich eine der schönsten Städte der Welt!»