«Viele denken wohl, ich hätte einen Vogel», sagt Abt Christian vom Benediktinerkloster Engelberg. Das stimmt im Übrigen auch. Aber: Er habe nicht nur einen, sondern gleich mehrere Vögel. Christian, bekannt für seine unkonventionelle Art, mit der er auch mal aneckt, sagt das mit einem grossen Schmunzeln.
Der Pater lebt in einer klösterlichen Wohngemeinschaft, zu der vier Papageien gehören. Den grossen Käfig in seinem Büro könne nur er betreten, erzählt der Mönch. Die Vögel hätten schon Besucher attackiert, die ihnen nicht sympathisch waren.
«Meine Papageien sehen sofort, ob ein Mensch gute oder schlechte Absichten hat», verrät Abt Christian (48) nicht ohne Stolz. Wie seine tropischen Tiere den Churer Bischof Vitus Huonder begrüssen würden, sei mal dahingestellt. Zwischen Vitus und Christian herrscht nämlich Eiszeit: Der Bischof hatte den Pfarrer von Bürglen nach der Segnung eines homosexuellen Paares strafversetzen wollen.
Daraufhin griff Abt Christian den Bischof öffentlich an: «Es ist für mich nicht akzeptabel, wie man mit einem Seelsorger, der gute Arbeit geleistet hat, umgeht. Wie man ihm, wie im Fussball, einen Tritt gibt.» Christian kann es sich leisten, Kritik am Gebaren von Kirchenoberen zu üben. Die Benediktiner profitieren nicht von der Kirchensteuer, sind unabhängig von Rom. Und so sagt der Abt gerne und laut, was er denkt. Vor allem, wenn es ihm «den Deckel lupft».
Abt Christian ist nicht nur das geistige Oberhaupt von 29 Mönchen, sondern führt auch einen veritablen Grossbetrieb mit 120 Angestellten. Mehrere Landwirtschaftsbetriebe, eine Schreinerei, eigene Elektriker und Renovationsequippen, aber auch eine Internatsschule und ein Stausee mit eigenem Kraftwerk oberhalb von Engelberg (OW) gehören zu den Klosterbetrieben, denen er nun seit vier Jahren vorsteht.
Mit seiner offenen, unkonventionellen Art ist der ehemalige Pfarrer von Engelberg sehr nahe bei den Leuten. Als ich ihn für die «SonntagsFahrt» abhole, kocht er gerade in einem Pfadilager oberhalb von Reiden LU. Er möchte mit mir unten im Dorf Essen einkaufen. Die lange Mönchskutte hat er aus praktischen Gründen für einen Moment an den Nagel gehängt und sich dafür stilgerecht eine Pfadfinderkrawatte umgebunden.
Beim Einkaufen für die 33 Pfader und Wölfli des Lagers vertraut er mir noch eine Leidenschaft an. Er wäre gerne Eurovisionsänger geworden! Als Mönch könne er die Liebe zur Musik aber auch während eines Gottesdienstes ausleben. «Im Grunde genommen ist der Eurovision wie eine kirchliche Liturgie. Eine Inszenierung zum grösseren Lob des Herrn», meint er mit einem verschmitzten Lächeln.
Abt Christian über seine Berufung zum Mönch: «Man muss den Mut haben, einfach reinzusteigen. Es gibt keine Sicherheit ob es wirklich funktioniert. In einem langjährigen Prozess testet man seine Grenzen aus. Das ist nicht einfach, weil die Sexualität zum Menschen gehört!»
... über das Zölibat: «Es käme in der Klostergemeinschaft nicht gut heraus, wenn alle verheiratet wären, Kinder hätten und die Wäsche in den Klostergängen trocknen liessen. Vor allem würde das Kloster Engelberg nicht mehr in der Form existieren, weil jeder etwas erben möchte.»
... über die Zukunft der Klöster: «Gewisse Klöster werden aussterben, das gehört einfach dazu. Irgendwann ist die Funktion eines Klosters erfüllt und es kommt etwas Neues. Weltweit gibt es etwa 3000 katholische Orden. Ob alle so alt werden, wie wir Benediktiner, das bezweifle ich.»
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