Im Herbst mussten Sie wegen eines Bandscheibenvorfalls Ihren Auftritt an der Fashion Week New York absagen. Wie geht es Ihnen heute?
Ronja Furrer: Glücklicherweise besser. Ich bin jetzt zum ersten Mal seit über einem halben Jahr 24 Stunden schmerzfrei. Die letzten Monate waren Horror, ich konnte kaum schlafen, weil ich so starke Schmerzen hatte. Ich bekam insgesamt sechs Kortisonspritzen, mache seither Osteopathie und Akupunktur.
Warum dauert die Genesung so lange?
Weil ich nicht nur an einem Bandscheibenvorfall leide. Vor zwei Monaten haben die Ärzte auch noch herausgefunden, dass ich einen Gleitwirbel habe. Dieser drückte auf meine Nerven, was in die Beine strahlte.
Woher kommt das?
Darüber können die Ärzte nur Mutmassungen anstellen. Ich bin als Kind viel geritten, machte auch Geräteturnen. Ich bin schnell gewachsen. Und dann das Modeln natürlich! Immer hohe Schuhe zu tragen, ist sicherlich nicht super, wenn man einen lädierten Rücken hat.
Haben Sie nie daran gedacht, mit dem Modeln aufzuhören?
Klar hatte ich Zweifel. Niemand hat gern Schmerzen. Aber deswegen das Handtuch zu werfen, ist keine Option. Ich vertraue darauf, wieder völlig gesund zu werden. Ich weiss aber auch, dass mein Rücken immer mein Schwachpunkt sein wird.
Sie haben vor genau zehn Jahren mit dem Modeln angefangen ...
Genau! Mein Grossvater hat im BLICK eine Anzeige für den Elite-Model-Wettbewerb gesehen und mich angemeldet. Ich landete auf dem zweiten Platz, durfte mit 14 ans Weltfinale nach Marrakesch, wo ich meinen ersten Vertrag bekam.
Wollten Sie schon als Kind Model werden?
Nein. Ich wusste gar nicht, was das ist. Damals gab es ja noch keine TV-Shows wie «Germany’s Next Topmodel». Ich wuchs in einem Dorf in der Nähe von Solothurn auf. Dort machte man eine Lehre oder man studierte. Ich wollte das KV machen. Bis ich mit Modeln anfing, war ich nie in Zürich. Ich bin ein Landmeitli. Für uns war Solothurn die Grossstadt.
Was mögen Sie an Ihrem Job besonders?
Selbständig zu sein. Und dass man viele Leute kennenlernt. Ich bin von Natur aus ein eher ruhiger und scheuer Mensch, war früher sehr verschlossen. Mein Beruf hat mich offener gemacht. Die Menschen können einem sehr viel Schönes geben, wenn man sich auf sie einlässt.
Was gefällt Ihnen weniger?
Die Reiserei ist anstrengend, die Einsamkeit bisweilen bedrückend. Man reist allein an die schönsten Orte der Welt, kann diese Erlebnisse aber mit niemandem teilen.
Wo ist es am schönsten?
Daheim. Und das meine ich ernst! Wegen der Nähe zu meiner Familie. Ich brauche Geborgenheit. Ich geniesse es zwar, in New York zu leben, da von den vielen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Aber ich vermisse oft die Ruhe von Solothurn.
Wie reich wird man als Model?
Ich bin keine Millionärin. Aber ich verdiene sicher besser, als wenn ich das KV gemacht hätte. Es gibt nur wenige Models, die krass Geld verdienen. Alle lachen über Heidi Klum, aber die gute Frau weiss, wie man richtig reich wird. Sie ist extrem clever. Es gibt noch andere Vorurteile über Models.
Welche meinen Sie?
Dass wir alle magersüchtig seien, zum Beispiel. Das finde ich extrem beleidigend. Diese Schubladisierung nimmt ein ungesundes Ausmass an. Models mit weiblichen Formen werden auch immer gleich in die Plus-Size-Kategorie gesteckt, obwohl sie dies manchmal gar nicht sind.
Sie behaupten, dass nicht viele Models an Magersucht leiden?
Ich kann nur sagen, dass in meinem Umfeld niemand Anorexie hat. Und ich bezweifle, dass jemand mit dieser ernst zu nehmenden Krankheit den Belastungen in diesem Geschäft standhalten kann.
Sie sind ebenfalls sehr dünn.
Dünn zu sein, gehört nun mal zu den Vorgaben unseres Jobs. Man kann ja auch dünn und gesund sein. Ich bereite mich auf die Shows wie eine Sportlerin vor. Ich konsultiere schon zwei Monate vorher einen Ernährungsberater und einen Fitnesstrainer, trainiere bis zu drei Stunden täglich, um in Form zu kommen. Das Modelgeschäft ist knallhart.
Das wissen die wenigsten.
Ich weiss. Alle meinen, wir würden den ganzen Tag bloss geschminkt, frisiert, fotografiert. Das war vielleicht mal so, heute nicht mehr.
Wie hat sich das Geschäft in den letzten zehn Jahren sonst noch verändert?
Der Druck, der durch den Social-Media-Hype ausgeübt wird, ist immens. Die Anzahl Followers, die ein Model hat, ist inzwischen fast wichtiger geworden als ihre Professionalität. Mich stressen Facebook und Instagram aber auch privat. Die Menschen starren nur noch auf ihre Smartphones, statt miteinander zu reden.
Das finden Sie schlimm?
Wir leben kaum mehr im Hier und Jetzt, stattdessen in einer künstlichen Traumwelt. Jedes Mädchen meint heute, sie müsse sich eine Chanel-Tasche kaufen, bloss weil irgendeine Bloggerin sie besitzt. Sich da selbst treu zu bleiben, ist extrem schwierig.
Was tun Sie dagegen?
Ich versuche mir bewusst handyfreie Zeiten aufzuerlegen. Ich finde es nicht gesund, dauernd auf Empfang zu sein und abgelenkt zu werden. Ich will mich auch weiterhin über die unspektakulären Dinge des Lebens erfreuen können.
In Ihrem Job haben Frauen in der Regel keine grosse Zukunft. Machen Sie sich Gedanken über die Zeit danach?
Der Markt ist inzwischen offen für alle Alterskategorien, und das ist auch gut so. Aber natürlich habe ich noch viele Ideen für später. Ich bin gerne in der Natur, liebe Tiere. Ich kann mir aber auch vorstellen, meine Erfahrungen im Modelgeschäft jüngeren Frauen weiterzugeben. Ich bin überzeugt, dass ich viel Gutes tun könnte. Und das ist doch das Wichtigste im Leben: Gutes zu tun. Ich würde auch gerne mit behinderten Kindern arbeiten.
Ist eine Familie ein Thema?
Auf jeden Fall. Andres und ich sind nun vier Jahre zusammen. Wir sprechen über Kinder, auch übers Heiraten. Aber momentan ist es noch zu früh. Ich bin 24 und fühle mich fantastisch. Es ist schön, eine Frau zu sein, und die Unsicherheiten von früher abgelegt zu haben. Aber auch noch frei zu sein und einige Abenteuer vor mir zu haben. Ich habe es wirklich nicht eilig im Leben.