Es ist der 24. Dezember 2002. Tanja Gutmann, damals 25 Jahre alt, sitzt im Parkhaus des Lindenhofspitals in Bern. Tränen laufen über ihre Wangen. Eben hat sie erfahren, dass sie einen Hirntumor hat. «Eine Hiobsbotschaft! Ich stand unter Schock», erinnert sie sich. Erst kurz zuvor hat die Miss Schweiz 1997 ihre erste Filmrolle in Deutschland erhalten. «Die Welt um mich drehte weiter, ich aber realisierte alles nur noch in Zeitlupe.» Nur einen Tag später ist Tanja Gutmann zurück im Spital. Sie hat Todesangst, ist völlig verunsichert.
Vor Schmerzen fällt sie in Ohnmacht
Bei der Voruntersuchung, der sogenannten Angiografie, werden die Blutgefässe rund um den Tumor lokalisiert. Sie fällt in Ohnmacht, «vor Schmerzen». Wird ihr Gesicht nach der Operation Lähmungen aufweisen? Ist der Tumor hinter ihrem linken Ohr wirklich gutartig, wie die Ärzte vermuten? «Noch vor der Operation fühlte ich urplötzlich eine Riesenkraft in mir», sagt sie. «Ich wusste: Es kommt alles gut. Und darauf habe ich mich fokussiert.»
«Heute bin ich dankbar»
BLICK besucht Tanja Gutmann (39) diese Woche in ihrem neuen Zuhause in Biberist SO. Hier, wo sie einst aufwuchs, lebt sie seit kurzem mit Söhnchen Ian (2). Seit einem dreiviertel Jahr ist die Moderatorin von dessen Vater Siro Micheroli (42) getrennt. Vierzehn Jahre nach ihrer Tumordiagnose strahlt Tanja Gutmann eine seltene innere Zufriedenheit aus. Blickt sie ihr Gegenüber mit ihren eisblauen Augen an, ist man in ihrem Bann. Die Ex-Miss und Moderatorin hat sich entschieden, die intensivste und prägendste Zeit ihres Lebens mit der Öffentlichkeit zu teilen. «Heute bin ich dankbar, dass ich den Tumor hatte», sagt sie. «Er hat mir ein neues Bewusstsein für das Leben gegeben.»
Nach der OP kamen die Depressionen
Der Weg dahin war lang und steinig: Die Operation, bei der Gutmann der fünf auf fünf Zentimeter grosse Tumor entfernt wurde, hinterliess auch Narben in ihrer Seele. «Die ersten zwei Jahre danach waren gezeichnet von ‹ups and downs›», erinnert sie sich. «Ich verlor völlig das Vertrauen in meinen Körper, hatte immer wieder depressive Episoden. Ich wollte nur noch schlafen und verspürte eine tiefe Traurigkeit.»
Sie denkt sogar an Suizid. «Ich dachte teilweise, es wäre viel angenehmer, wenn ich tot wäre», sagt Tanja Gutmann und hält kurz inne. In diesen Momenten habe sie aus Verantwortungsgefühl ihren Liebsten gegenüber nichts unternommen. «Ohne meine Eltern und meinen damaligen Freund Sacha wäre ich verloren gewesen.» Tanja Gutmann kämpft sich zurück, mentale Übungen und gezieltes positives Denken helfen ihr dabei. Antidepressiva lehnt sie ab. Wie sie es geschafft hat, ins Leben zurückzufinden, schreibt sie jetzt auf.
«Es ist sehr intim»
Den Titel ihres ersten Buches hat sie schon: «Dem Leben so nah wie nie zuvor – wie der Tumor mich stärker machte.» Das meiste hat sie bereits niedergeschrieben, es soll eine Mischung aus Ratgeber und ihrer persönlichen Geschichte werden. «Es ist sehr intim, aber nur so kann ich dem Leser Mut machen und ihm zeigen, dass in jeder Situation etwas Gutes steckt», sagt sie. «Mein damaliger Neurochirurg und weitere Spezialisten unterstützen mich dabei.» Rückblickend habe die Krankheit ihrem Leben eine neue Richtung gegeben, sagt die Solothurnerin. «So viele Menschen vertrauen mir seither ihre Sorgen an, durch das Erlebte bin ich glaubwürdig.» Als Hypnosetherapeutin hat sie sich heute das Helfen zur Aufgabe gemacht. «Heute weiss ich: In jeder noch so schlimmen Situation steckt auch Positives, aus dem man Kraft schöpfen kann.»