Annie musste gleich zweimal gerettet werden: Die ausgediente Legehenne landete nicht wie die meisten ihrer Art beim Metzger, sondern fand dank des Einsatzes von Simone Maurer (29) einen neuen Lebensplatz. «Weil sie aber schwach war, wurde sie von den anderen Hennen attackiert, also habe ich sie bei mir aufgenommen.»
Ausnahmsweise durfte Annie sich sogar in der Wohnung von Maurer erholen: «Sie hatte kaum noch Federn und im Januar wäre es für sie zu kalt gewesen.» Inzwischen gackert Annie zufrieden mit den andern zehn Hennen im Stall der Tierschützerin. «Annie hört genau, wenn ich komme. Sie setzt sich gerne auf meine Schulter, Hühner sind alles andere als dumm, sondern aufmerksame und intelligente Tiere. Das wird leider oft vergessen, sie dienen nur dem Konsum.»
Hühner könnten bis zehn Jahre alt werden
Seit sieben Jahren engagiert sich die Immobilienfachfrau und Mutter bei der Susy Utzinger Stiftung für Legehennen. Seither haben 4933 Hühner ein neues Leben geschenkt bekommen. Statt in Massenhaltung gackern sie in privaten Gärten und Ställen herum – ohne den Leistungsdruck jeden Tag ein Ei produzieren zu müssen. «Viele Leute wissen gar nicht, dass Hühner eigentlich bis zu zehn Jahre alt werden können und wie früh sie trotzdem sterben müssen», so Maurer.
Das Leben einer Legehenne ist kurz und arbeitsreich: Nach zehn bis zwölf Monaten intensiven Eierlegens kommt sie in die sogenannte Mauser. In der hormonell bedingten Ruhepause regenerieren sich die Tiere, das Federkleid wird erneuert – und sie legen keine Eier. «Der Produzent kann sich das nicht leisten, darum wird der gesamte Stall entsorgt und mit neuen jungen Hennen belegt», so Maurer. Manche landen beim Metzger als Suppenhuhn, aus den meisten wird Biogas.
Grosser Appetit auf Eier
Das ist das Schicksal der über drei Millionen Legehennen in der Schweiz, denn der Appetit auf Eier ist gross: Über eine Milliarde Eier wurden im letzten Jahr verzehrt. Da klingt die Rettung von ein paar Tausend Hühnern nach nicht besonders viel. Aber für jede einzelne Henne wie Annie ist es ein Glück. Das gelingt dank der Zusammenarbeit mit den Produzenten, dazu gehört der Landwirt Philipp Ogg (49) aus Watt bei Regensdorf ZH. «Er freut sich, wenn wir möglichst viele seiner Hennen vermitteln können. In den beiden letzten Jahren fanden wir für alle einen Platz – total 1382 Tiere.»
Die nächste Legehennen-Rettung findet wieder im Juli statt. «Die Leute kommen sogar vom Wallis und aus dem Tessin, um die Hühner zu holen, die Aktion hat sich rumgesprochen», so Maurer, die sich kürzlich zur Tierheilpraktikerin ausbilden liess. Bei ihr landen die besonderen Fälle wie Annie. Oder Pina, sie brach sich bei der Rettung den Oberschenkel. Maurer liess sie operieren, denn die Hühner sind ihr an Herz gewachsen: «Je mehr Zeit man mit ihnen verbringt, desto klarer wird, dass jedes eine eigene Persönlichkeit und Seele hat. Für mich zählt jedes Leben.»
An Ostern gibt es bei der Familie Maurer kein Eiertütschen – die Tierschützerin ernährt sich seit kurzem vegan. Darüber freuen sich die Nachbarn: «Die Eier unserer Hennen sind sehr beliebt. Alle haben mehr Freude daran, wenn sie wissen, dass sie von glücklichen Tieren stammen.»