Schwulen-Aktivist Ernst Ostertag (89) trauert um seine grosse Liebe
Ohne Röbi fühlt er sich nur noch als halber Mensch

Ende August schlief Röbi Rapp nach schwerer Krankheit friedlich ein. Für seinen hinterbliebenen Mann, Ernst Ostertag, kommt nun die schwerste Zeit. Im Gespräch mit BLICK erklärt er, warum.
Publiziert: 06.02.2019 um 23:04 Uhr
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Ernst Ostertag musste im August 2018 von seiner grossen Liebe Abschied nehmen.
Foto: Siggi Bucher
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Michel ImhofTeamlead People

62 Jahre lang waren die Schwulenrechts-Vorkämpfer Röbi Rapp (†88) und Ernst Ostertag (89) unzertrennlich. Ende Sommer riss das Schicksal die beiden auseinander. Rapp schlief am Abend des 26. August 2018 im Arm seines Mannes nach schwerer Krankheit ein.

«Röbi hatte Nierenprobleme. Sein Körper vergiftete sich nach und nach», erklärt Ernst Ostertag fast ein halbes Jahr nach dem Tod seines Liebsten. «Deshalb entschied er sich, dem Leiden ein Ende zu setzen.» An einem sommerlichen Sonntag nahm das Paar ein Champagnerfrühstück zu sich und liess die schönen Jahre, die es gemeinsam hatte, zusammen Revue passieren. Am Abend kamen schliesslich Leute der Sterbehilfeorganisation Exit vorbei – dort waren Rapp und Ostertag bereits seit der Aids-Epidemie in den Achtzigerjahren Mitglied. 

Die schlimmste Zeit komme noch

«Jetzt kommt die schlimmste Zeit für mich», meint Ostertag. Die Phase, in der der überzeugte Buddhist sich mit der Trauer um den Verlust seines geliebten Mannes auseinandersetzen könne. Bislang war er mit Behördenkram, der Beileidskorrespondenz und der Organisation der Gedenkfeier beschäftigt. 

Rapp und Ostertag gelten als Vorkämpfer der Schweizer Homosexuellen-Szene, ihre Geschichte wurde im preisgekrönten Film «Der Kreis» verewigt. Die beiden lernten sich 1956 in der gleichnamigen Zürcher Schwulen-Untergrundgemeinschaft kennen und lieben. Es folgte eine schwierige Zeit: Aufgrund zweier Morde in der Schwulenszene begannen die Behörden, homosexuelle Männer systematisch zu registrieren. Sogar ein Tanzverbot wurde für den «Kreis» erlassen.

Doch das furchtlose Paar kämpfte weiter für die Anliegen der Schwulen und wurde belohnt: Am 1. Juli 2003 waren Ernst Ostertag und Röbi Rapp das erste schwule Paar des Kantons Zürich, das seine Partnerschaft eintragen lassen konnte. «Es war der schönste Tag meines Lebens», sagt Ostertag rückblickend.

Sie lebten eine Beziehung zu dritt

Die Verbindung zwischen Ostertag und Rapp glich einer Bilderbuchbeziehung. «Wir stritten nie, haben nur unsere Meinungen klar dargelegt und fair diskutiert. Und wenn es doch mal zu Unstimmigkeiten kam, fanden wir das im Nachhinein immer lustig», erinnert sich Ostertag. Die letzten 15 Jahre lebten sie eine Beziehung zu dritt mit Logistiker Giovanni Lanni (45). Er und Ostertag geben sich heute gemeinsam Kraft: «Wir müssen uns neu kennenlernen. Wir haben unsere Mitte verloren», sagt Ostertag. 

Die Asche des Verstorbenen ist mittlerweile verstreut. «An einem Platz am Zürichsee, den wir zusammen ausgesucht haben», erklärt Ostertag. Er selbst tastet sich nach und nach in sein normales Leben zurück und hat sich nach dem Tod von Rapp ein Generalabo der SBB zugelegt, um Ausflüge zu machen. Unter die Leute ging er in den letzten Monaten nicht, das werde auch noch eine Zeit lang so bleiben. «Ich fühle mich als halber Mensch. Diese Trauer zu verarbeiten, braucht Zeit», sagt der Witwer. «Röbi war die Liebe meines Lebens.»

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