Er widmete sein Leben der Kunst – und begeisterte damit die Schweiz. Jetzt ist der grosse Luzerner Maler und Bildhauer Hans Erni († 106) tot. Am Samstagmittag schloss er für immer die Augen. «Mein Vater war bis zuletzt fröhlich», sagt Tochter Simone Fornara-Erni (68). «Seine Werke sind ein Geschenk, darin lebt er weiter!»
Bis zum letzten Atemzug war die Kunst Ernis Lebenselixir. Täglich war er in seinem Atelier anzutreffen. Manchmal bis zwei Uhr nachts. Erni, der unermüdliche Schaffer, der kreative Kopf. Seinen Stift aus der Hand zu legen, war für ihn schlicht Zeitverschwendung. Dabei war sein Leben nicht nur gradlinig. Der anfänglich geförderte Staatskünstler wurde zum gehassten Staatsfeind und schliesslich doch zur geachteten Legende. Eine letzte Hommage an den patriotischen Rebell, der die Kunstwelt prägte.
Der Picasso-Freund
Als junger Künstler zog es Erni 1928 nach Paris. Dort feierte er schnell Erfolge, knüpfte wichtige Kontakte in der Kunstmetropole. Erni traf auf den spanischen Maler Pablo Picasso (1881–1973), der ihn tief beeindruckte. Als Erni wenig später im Kunstmuseum Luzern eine Ausstellung organisierte, folgte Picasso seinem Ruf. Der Spanier soll Erni für die Gelegenheit, seine Werke in der Schweiz ausstellen zu können, sehr dankbar gewesen sein.
Der Heimatverbundene
Auf einen Schlag der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde Erni 1939. Für die Landesausstellung schuf er das fünf Meter hohe und 91 Meter lange Monumentalgemälde «Die Schweiz, das Ferienland der Völker.» Doch der Ruhm hielt nicht lange. Nur wenige Jahre später erfuhr Erni seine grösste Niederlage. Mit dem Berner Maler Victor Surbek (1885–1975) gestaltete er für die Schweizerische Nationalbank die vierte Banknoten-Serie. Die Noten kamen nie in Umlauf. Ein Luzerner Parlamentarier hatte Einspruch erhoben, dass «ausgerechnet ein Kommunist wie Erni» diesen Auftrag erhalten habe.
Der Kommunist
Geprägt durch die Nazi-Gräuel engagiert sich Erni in der Friedensbewegung und pflegt Kontakte zu Kommunisten in Zürich und Paris. Bundesrat Philipp Etter (1891–1977) erklärte ihn 1944 zum «Kryptokommunisten», einem, der im Verborgenen agiert. Erni wird zum Staatsfeind und als Künstler geächtet. Von 1961 bis 1993 war er Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Künste der DDR. In seinem letzten BLICK-Interview im Februar sagte er: «Die Gesellschaft wollte aus mir einen Kommunisten machen und mich vernichten. Was nicht gelungen ist. Doch ich habe die Bezeichnung Kommunist nie als schlecht angenommen.»
Humanist und politischer Kopf
Erni äusserte sich auch politisch – er schuf Plakate für Abstimmungskampagnen. etwa für das Frauenstimmrecht, die Einführung der AHV, den Schutz der Natur und gegen Atomwaffen. Und er arbeitete im Auftrag der Uno. Der Beitritt der Schweiz 2002 wurde in Genf mit einer Erni-Ausstellung gefeiert.
Späte Anerkennung
Nicht nur Politiker, auch Kunstkritiker straften den erfolgreichen Erni ab. Sie warfen ihm eine zu plakative Kunst vor. Das Volk aber liebte den Luzerner. Das Hans-Erni-Museum in seiner Heimatstadt ist bis heute erfolgreich. Und 2009 wurde ihm der Schweizer Lifetime-Award für sein Lebenswerk verliehen. In einem seiner letzten Interviews sagte er: «Ich habe kein menschenunwürdiges Leben gelebt. Daher kann ich in Ruhe gehen. Übrigens hatte ich gar nie vor, so alt zu werden.»
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