Schweizer Hilfe an der Elfenbeinküste
Hier bauen Epiney und Rinderknecht ein WC

Nächstenliebe im Busch: Sven Epiney und Dominique Rinderknecht reisten an die Elfenbeinküste. Und bauten Latrinen für die Ärmsten.
Publiziert: 18.10.2015 um 17:46 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 18:17 Uhr
Von Adrian Meyer (Text) und Simon Huber (Fotos)

Die meisten, sagt Fabien Zouzou, begreifen sofort. Wenn er den Plastiksack mit «le caca», wie er sagt, vor den Dorfbewohnern auf den Tisch stellt und daneben einen Teller Reis, wenn sie sehen, wie sich Fliegen erst auf dem Häufchen und dann auf dem Reis tummeln, dann verstehen sie: Ihr Geschäft verschwindet nicht im Busch. Fliegen bringen es zurück ins Dorf. Auf ihr Essen. Die Menschen ekeln und schämen sich. Und wünschen sich ein WC.

Es ist der wichtigste Schritt, damit die Menschen in den Dörfern der Elfenbeinküste ihr Verhalten ändern – und sich nicht mehr im Freien erleichtern. Dieses Ziel verfolgt die Schweizer NGO Fairmed im Departement Taabo, im Süden des westafrikanischen Landes: Für Fairmed leitet der Ivorer Zouzou (38) ein Projekt, durch das die Ärmsten Zugang bekommen zu Toiletten.

Der ivorische Sozialarbeiter besuchte das Projekt mit zwei prominenten Schweizern: TV-Moderator Sven Epiney (43) und Dominique Rinderknecht (26). Die Miss Schweiz von 2013 ist Fairmed-Botschafterin: «Ich will meine Bekanntheit für etwas Sinnvolles nutzen», sagt sie. Sie hatte Epiney zu der Reise eingeladen: «Er ist sehr unkompliziert, das war mir wichtig.»

Epineys Stiefvater war Entwicklungshelfer bei der Uno. Als Epiney 14 war, begleitete er ihn nach Ouagadougou im Nachbarland Burkina Faso. An der Elfenbeinküste will er jetzt selber helfen: «Ich möchte mit der Bevölkerung anpacken, um besser zu verstehen, wie Leben und Arbeiten hier funktionieren.»

Und nun schuftet er mitten im Busch, im Dörfchen Siriki Kouamekro. Er rührt Zement an, schaufelt und schwitzt. Neben ihm schleppt Rinderknecht Ziegelsteine und platziert sie auf einer halb fertigen Mauer. Dann streicht sie mit schmutzigen Händen die Haare aus dem Gesicht. Und lächelt.

Die beiden bauen eine Latrine. Jetzt hat jeder Haushalt eine. Noch vor kurzem erleichterten sich Kinder auf dem Boden, Erwachsene im Gebüsch, wie sie es seit Generationen taten.

Laut Uno-Kinderhilfswerk Unicef verfügt nur ein Viertel von 23 Millionen Bewohnern der Elfenbeinküste über ein WC; 90 Prozent der ländlichen Bevölkerung haben keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen, jeder Zweite tritt im Freien aus.

Gebannt beobachten Kinder und Jugendliche, wie die Schweizer schaufeln und schleppen. Hier gibt es weder Strom noch fliessendes Wasser, Mobiltelefone aber haben Dutzende. Sie laden sie mit Solarstrom auf – für viele der einzige Fortschritt der vergangenen Jahre. Mit Handys filmen sie die Schweizer. Es wirkt bizarr.

«Klar ist das nur ein Tropfen auf den heissen Stein, wenn ich mithelfe», sagt Epiney. «Aber vielleicht senden Dominique und ich ein Signal an die Menschen: Dass es um etwas Wichtiges geht, um ihre Gesundheit.» Den Nutzen eines Handys verstehe jeder sofort, sagt er. Von dem einer Toilette müsse man sie eben erst überzeugen.

Der Bau einer Latrine ist einfacher, als den Dorfbewohnern deren Vorzüge zu erklären. Vielen ist nicht bewusst, dass der Kontakt mit Kot Krankheiten verbreitet. Durchfall oder Cholera sind für Kleinkinder oft tödlich. Toiletten helfen, dass sich die Erreger seltener übertragen.

Sozialarbeiter Zouzou schaut Rinderknecht und Epiney irritiert zu. Dass die beiden mauern, findet er nicht so toll. Normalerweise bauen die Dorfbewohner ihre Latrinen selbst, damit sie diese als ihr Eigentum betrachten. Der Mann von der Hilfsorganisation weiss: «Die Gemeinschaft muss den Wandel selber wollen.» Damit der Plan funktioniert, gibt Fairmed nicht einfach Geld, sondern bietet langfristig Hilfe zur Selbsthilfe. «Das braucht Fingerspitzengefühl», sagt Zouzou.

Klar erhofft sich Fairmed durch Epiney und Rinderknecht Aufmerksamkeit. Doch ihr Besuch löst mehr aus: Er bewegt die Region. «Unser Wort hat Gewicht», so Rinderknecht. Reisen zwei Berühmtheiten aus der reichen Schweiz so weit für eine Latrine, zeigt das den Menschen hier: Es geht um etwas Wichtiges.

Der Besuch im Dorf geht den beiden nahe. «Man muss hier sein, um zu begreifen, mit welchen Problemen die Menschen täglich kämpfen», sagt Epiney. «Es gibt dafür keine einfachen Lösungen», sagt Rinderknecht. Sie ist beeindruckt davon, wie viele die anfängliche Scham überwunden haben – und stolz sind auf ihren Lebenswandel.

Das gehört zur Strategie von Fairmed, wie sich an einer ungewöhnlichen Zeremonie am nächsten Tag zeigt. Zehn Dörfer erhalten von der NGO und den Behörden eine Auszeichnung: Dafür, dass sich bei ihnen niemand mehr im Freien erleichtert. Epiney und Rinderknecht verleihen Zertifikate – auch an ihr Dorf Siriki Kouamekro. «Ihr dürft stolz sein», sagt Epiney, als er gratuliert. «In der Schweiz haben wir die Toilette auch einmal eingeführt. Wir sind glücklich damit.»

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