Schweizer Gesangfest in Meiringen
«Es ist toll, wenn alle haargenau das gleiche machen!»

Patrick Secchiari ist Chefexperte für die Deutschschweizer Chöre und nimmt diese mit seinem Team am Schweizer Gesangfest unter die Lupe. Im Interview mit BLICK erklärt er, wie die Chöre bewertet werden und was das Singen in einem Chor einmalig macht.
Publiziert: 10.06.2015 um 14:05 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:49 Uhr
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Patrick Secchiari (36) mit Stimmgabel: «Musik muss leben. Sonst kann ich mir eine CD anhören.»
Foto: Peter Gerber
Von Gabi Schwegler

Das Haslital wird zum Klangort: Morgen beginnt in Meiringen das Schweizer Gesangfest. 415 Chöre mit 12000 Sängerinnen und Sängern reisen an, 30000 Besucher werden erwartet. Eine besondere Rolle vor Ort spielt Patrick Secchiari (36). Er ist Chefexperte für die Deutschschweizer Chöre und bewertet zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen die angemeldeten Chöre beim «Singen vor Experten». Deshalb fehlten zwei Dinge in den letzten Wochen nie in seiner Tasche: eine Stimmgabel und ein Stapel Musiknoten.

BLICK: Herr Secchiari, die Chöre, die vor Experten singen wollen, mussten ihre Stücke vorab einschicken. Weshalb?
Patrick Secchiari:
Damit wir Experten sie eingehend studieren können. Ich markiere mir Problemstellen, auf die ich beim Vortragen besonders achten will. Zum Beispiel komplizierte Rhythmen, ein Tonartwechsel oder grosse Tonsprünge. In Meiringen stehen vier Bananenkisten mit den Noten von allen Chören. Zum Glück teile ich mir die Arbeit mit meinen Kollegen.

Vor Ihnen liegt gerade das Stück «Wochenende und Sonnenschein». Was markieren Sie da?
Nicht viel, das ist ein Chorklassiker, den ich gut kenne. Der wurde bekannt durch die Comedian Harmonists in den 30er-Jahren. Dieses Arrangement für vier Männerstimmen habe ich zwar noch nie gesungen gehört, aber ich höre es innerlich, wenn ich die Noten anschaue.

Können Sie das bei allen Liedern?
Bei vielen. Wenn ich das Lied aufgrund der Noten gar nicht höre, spiele ich es auf dem Klavier oder schaue auf Youtube nach, ob es eine Aufnahme davon gibt.

Die Chöre kriegen nach dem Vorsingen auf Wunsch ein Prädikat. Die reichen von «schlecht» bis «vorzüglich». Was ist der Zweck solcher Prädikate?
Sie sind eine Standortbestimmung für die Chöre. Das Gesangfest ist ein Fest und kein Wettbewerb, deshalb werden die Prädikate nicht veröffentlicht.

Was wird genau bewertet?
Die Stimme, die technische Ausführung, dazu gehören zum Beispiel Rhythmus und Melodie, die Interpretation und die Ausstrahlung.

Wann gibt es ein Ungenügend?
Es muss viel in die Hosen gehen, dass es so weit kommt. Zum Beispiel wenn viel zu wenig geübt wurde oder der Chor mit dem Stück überfordert ist. Ich hoffe, dass wir davon keine verteilen müssen, aber es ist durchaus möglich. Tun wir es, müssen wir in jedem Fall Fakten liefern.

Dieter Bohlen würde nur «leider nein» sagen.
So etwas wird es nicht geben. Aber es läuft schon ähnlich ab wie bei Casting-Shows. Einfach mit dem Unterschied, dass es bei uns nicht um die schnelle Talentförderung, sondern um die nachhaltige Arbeit geht.

Was sind die beliebtesten Hits unter den eingereichten Stücken?
Man merkt, dass Udo Jürgens kürzlich gestorben ist. «Griechischer Wein» ist sehr beliebt dieses Jahr. Zum klassischen Repertoire an Gesangfesten gehören Schweizer Volkslieder wie «Du fragsch mi wär i bi» oder «Stets i Truure mues i läbe».

Was ist Ihr Lieblingslied als Dirigent?
Mein aktueller Lieblingshit, eine Art Neuentdeckung, ist das Tanzlied «Chàta Kan-Mè» des Freiburger Komponisten Joseph Bovet. Ein Lied in Freiburger Patois, diesem fast ausgestorbenen französischen Dialekt.

Sie haben Musik studiert. Was ist Ihre Vorstellung von Perfektion?
Krampfhaft die absolute Perfektion zu suchen, bringt nichts. Musik muss leben. Sonst kann ich mir eine CD anhören.

Laut Studien macht das Singen im Chor einen glücklicher als das einsame Singen unter der Dusche. Wie erklären Sie sich das?
Es ist ein tolles Gefühl, mitten in Menschen zu stehen und zu merken, dass alle haargenau das Gleiche machen. Dieser Moment verbindet einen auf einer höheren Ebene.

*Patrick Secchiari ist Chefexperte und tritt als Dirigent mit seinem Ensemble Ardent am 13. Juni um 16 Uhr in der Aula Meiringen auf.

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