BLICK: Walter Andreas Müller, wir sind bei Ihnen zu Gast in Ihrem spektakulären Erdhaus im Zürcher Oberland. Die Wände sind weiss und rund. Fühlen Sie sich wie Fred Feuerstein?
Walter Andreas Müller: Ja, ein bisschen. Manchmal auch wie ein Hobbit. Ich bin ja klein. Darum habe ich auch meine Kochnische tiefer setzen lassen, damit ich in den Pfannen rühren kann. Das Haus hat etwas Embryonales. Ich fühle mich hier geborgen.
Die Wilma sucht man hier aber vergeblich.
Genau, ich lebe hier an der Seite meines Partners, mit dem ich seit 26 Jahren liiert bin. Wir haben das Haus zusammen gebaut. Wenn ich Fred bin, ist er mein Barney.
Man findet kein Stäubchen hier.
Ich bin eine Jungfrau, ein sehr ordentlicher Mensch (wischt mit dem Finger über den Glastisch, an dem wir sitzen). Sehen Sie hier, da gehe ich jeden Tag mit dem Spray drüber.
Wenn Sie putzen – sind Sie dann Blocher oder Blatter?
Ich habe keinen Blocher. Aber ich bin auch nicht Blatter. Ich hoffe, ich bin weitgehend ich selber.
Sie parodieren Sepp Blatter derzeit in der Show «Comedy Christmas» in der Zürcher Maag-Halle. Hat er sich schon mit einem Couvert bedankt?
Nein, ich hoffe, dass ich auch keines kriege. Man weiss ja nie, woher das Geld kommt.
Muss man selber ein bisschen ein Schlitzohr sein, wenn man Blatter parodieren will?
Man soll die Dinge nicht vermischen. Wenn ich einen Mörder spiele, muss ich auch nicht jemanden umgebracht haben. Mein Ich und meine Parodien sind zwei Paar Schuhe.
Kürzlich haben Sie bei «Giacobbo/Müller» wieder mal Sepp Blatter gegeben. Leider gehören Sie dort nicht zum festen Ensemble.
Ich sehe das nicht so eng. Es kommen ja junge Leute nach. Nun gut, einige von ihnen sind eher Imitatoren, während Birgit Steinegger und ich die Politiker noch verinnerlicht haben. Zudem schwimmen mir meine Figuren wie Leuenberger, Merz oder Schmid davon.
Sie waren in «Fascht e Familie» von SRF ein Star. Macht es Sie nicht sauer, kaum für Serien und Spielfilme gebucht zu werden?
Nicht mehr, aber diese Phase hat es gegeben. Mit 70 bin ich auch froh, dass ich nicht mehr alles machen muss. Früher bedeutete mein Job Spass, heute ist es Arbeit. Bei «Comedy Christmas» war es auch so: Das Lernen der Texte, die Proben, die Maske – alles strengt mich stärker an. Was ich aber schade finde: Es gibt Stücke mit mir wie «Bibi Balù », die nicht mehr fürs Fernsehen aufgezeichnet werden.
Sind Parodien Segen und Fluch zugleich?
Sie sind insofern ein Fluch, als ich in eine Schublade gesteckt werde. In der Filmbranche heisst es: Der WAM ist der Blocher. Er ist ein Parodist, in einer ernsten Rolle funktioniert er nicht. Man will Charakterköpfe, wie Mathias Gnädinger einer war.
Sie sind mit Erich Vock der letzte grosse Volksschauspieler, der das Boulevardtheater hochhält.
Ich kann mit dem Begriff Volksschauspieler nicht viel anfangen. Ist das ein Schauspieler, den das Volk mag? Oder mag er das Volk?
Ist Ihnen der Titel Erfolgsschauspieler lieber?
Ja, wenn Sie mich so nennen – gerne.
Sie sind ja noch voll im Saft, aber Ihr Vater starb an Demenz. Inwiefern beschäftigt Sie das?
Ich habe Angst, an Alzheimer zu erkranken. Wenn ich in den Spiegel schaue, dann entdecke ich immer öfter, dass ich meinem Vater gleiche. Ich denke mir dann: Wenn ich ihm äusserlich so ähnlich bin, dann habe ich vielleicht auch die Veranlagung für diese Krankheit in mir. Immer wenn ich auf der Bühne einen Hänger habe, denke ich mir: Oh Gott, jetzt fängt es an!
Passiert das oft?
Ja, permanent. Erst gerade an der Premiere zu «Comedy Christmas». Ich habe da eine Szene mit Blocher im Kochstudio. Bei den Proben lief alles rund, aber dann war ich bei der Aufführung plötzlich neben den Schuhen. Ich ging von der Bühne und sagte mir kurz: Es ist Zeit aufzuhören.
Wann gab es bei Ihrem Vater erste Anzeichen der Erkrankung?
Es fing schon nach der Pensionierung an, schleichend. Mit 70 Jahren konnte er nicht mehr Auto fahren. Zehn Jahre später war es schlimm. Meine Mutter hat ihn zu Hause gepflegt.
Wie würden Sie mit so einer Diagnose umgehen?
So wie ich mich kenne, würde ich mich in mein Erdhaus zurückziehen. Ich bewundere Künstler, die ihre Krankheit an die Öffentlichkeit tragen können. Ich schaffe das vermutlich nicht.
Das ist ein typischer Charakterzug von Ihnen: Sie sind ein Star zum Anfassen und doch zurückhaltend. Ihre Homosexualität haben Sie lange verschwiegen.
So bin ich halt. Ich bin ein anständiger, wohlerzogener Mensch, der nicht anecken will.
Aber schwul zu sein, ist ja nichts Unanständiges.
Klar, heute schon. Aber früher war das ein Tabu, etwas Schreckliches. Ich habe mich geschämt, in der Öffentlichkeit darüber zu reden.
Alfred Biolek sagte, er habe mit seiner Mutter nie über sein Schwulsein sprechen können.
Es war bei uns ähnlich. Als meine Mutter das erste Mal davon erfuhr, weinte sie. Es war in den 70er-Jahren, als ich mit einem Freund zusammenzog. Mein Vater hat nie ein einziges Wort mit mir darüber gesprochen, er hat das Thema verdrängt.
Aber heute verstecken Sie Ihren Partner nicht. Das BLICK-Team wurde sehr freundlich von ihm begrüsst. Jetzt beim Interview hört er zu. Doch zusammen fotografieren lassen Sie sich nie. Warum eigentlich?
Genau, das ist unsere gemeinsamer Entscheidung. Für uns ist unser Privatleben privat. Auch viele Heteropaare halten es so.
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