Anne-Marie Blanc (1919–2009) war eine der grössten Schweizer Schauspielerinnen aller Zeiten und begeisterte ihr Publikum über sieben Jahrzehnte hinweg in rund 250 Rollen. Zum 100. Geburtstag am 2. September widmet SRF dem unvergessenen Kino-, TV- und Theaterstar eine sechsteilige Filmreihe. Heute Samstag mit einer verblüffenden Wiederentdeckung, dem Fernsehspiel «Die hölzerne Schüssel» (SRF 1, 14 Uhr). «Die Ausstrahlung ist die Erstsendung dieser überarbeiteten Version von 1965. Der runde Geburtstag schien mir der richtige Zeitpunkt, den TV-Klassiker endlich wieder einmal auf den Bildschirm zu bringen», sagt Heinz Schweizer, der die Reihe programmiert und den wertvollen Archivschatz auch digital restauriert hat.
Anne-Marie Blanc als Pendant zu Heinrich Gretler
Blanc ist in diesem Unterhaltungsstück mit sozialkritischer Note an der Seite des legendären Heinrich Gretler (1897–1977) zu sehen. «Als meine Mutter sich im Herbst 1938 am Zürcher Schauspielhaus bewarb, war Gretler gerade zum Ensemble gestossen», schaut Blancs Sohn, Filmproduzent Peter-Christian Fueter (77), zurück. «Er repräsentierte während des Zweiten Weltkriegs im Emigrantenensemble den ‹guten Schweizer› und wurde zu so etwas wie einem helvetischen Monument. Kein Wunder, dass die angehende Schauspielerin in ihm eine verehrte Vaterfigur fand.» Nicht nur, aber vor allem mit der Verkörperung der Gilberte Montavon im Film «Gilberte de Courgenay» 1941 wurde sie, viel jünger zwar, das weibliche Pendant zu Gretler in der Schweizer Filmszene der Kriegs- und Nachkriegsjahre. «Und so war das erneute Zusammentreffen nach langen Jahren ein besonderes und herzliches Zusammentreffen und eine überaus glückliche und harmonische Zusammenarbeit», so Fueter.
Blanc spielte eine rabiate Schwiegertochter
Heinz Schweizer streicht die spezielle Rolle von Blanc in «Die hölzerne Schüssel» heraus. Im Film kennt man sie meistens als anständige junge Frau, als «grande dame» oder – für einmal ganz anders – als späte Mörderin in «Klassezämekunft» von 1988. «Hier kann man sie als rabiate, aber auch überforderte Schwiegertochter erleben, die ihren Schwiegervater endlich ins Heim abschieben will, um ihr eigenes Leben vermeintlich freier leben zu können. Dass gerade die Vaterfigur Gretler ihren verhassten Gegenpart spielt, ist ungewöhnlich und zeigt Facetten der beiden tollen Darsteller, die Kurt Früh als Regisseur wunderbar herausgearbeitet hat.» Im Übrigen pflegt Schweizer das Vermächtnis von Blanc weiter. Gerade restauriert er «Die missbrauchten Liebesbriefe» von 1940. Die aufgefrischte Satire von Leopold Lindtberg (1902–1984) soll diesen Herbst am Zurich Film Festival auf der Kinoleinwand gezeigt werden.