BLICK: Wir sitzen auf der Münsterplattform und geniessen die Aussicht. Was bedeutet Ihnen dieser Platz?
Jaël Malli: Ich komme immer wieder gerne hierher – besonders wegen des Weihnachtsmarkts. Hier kann ich meine Gedanken ordnen und Kraft tanken.
Vor kurzem haben Sie hier in Bern mit Ihrer Band Lunik das letzte Konzert gegeben. Wie fühlen Sie sich nach einigen Tagen Distanz?
Etwas leer. Lunik war während 15 Jahren das Leben, das mich prägte. Ich habe sehr viele wunderschöne Erinnerungen. Ich habe Menschen kennengelernt, die mich weitergebracht haben. Es war ein merkwürdiges Gefühl, als ich nach dem letzten Song auf der Bühne realisierte, dass alles vorbei ist.
Wie geht es musikalisch weiter?
Ich schreibe weiter Songs, das ist meine Passion. Aber zum ersten Mal seit 15 Jahren bin ich ohne Management, Plattenlabel und Band. Ich kann also machen, was ich will. Diese Freiheit geniesse ich sehr.
In einem Monat startet die neue Staffel von «The Voice of Switzerland». Sie könnten sich als Coach bewerben.
Das Schweizer Fernsehen hatte mich tatsächlich für die erste Staffel angefragt. Ich habe dankend abgelehnt. An meiner Stelle wurde Stefanie Heinzmann engagiert.
Warum wollten Sie nicht zu «The Voice»?
Ich habe Mühe mit diesen Castingshows. Da wird den talentierten Teilnehmern etwas vorgegaukelt, was nicht eingehalten werden kann. Der Schweizer Musikmarkt ist viel zu klein, um ständig einen neuen Star küren zu können. Die falschen Leute verdienen Geld. Der Gewinner ist ein Jahr lang vermeintlich ein Star, bevor er meistens wieder in der Versenkung verschwindet. Es wird suggeriert, der Musikerberuf sei eine «Jeder darf mal»-Abenteuerreise. Und zudem sehe ich mich nicht in dieser Anfeuerungsrolle, die diese Coaches zum Teil haben.
Inwiefern?
Wenn ich jemanden coache, dann eins zu eins bei mir im Musikerzimmer ohne die Nation, die zuschaut und wertet. Will jemand Musiker werden, sollte er es auf einem anderen Weg versuchen.
Sie sind seit 18 Monaten verheiratet. Wie hat sich Ihr Leben als Ehefrau verändert?
Es veränderte sich vor allem im Verlobungsjahr. Das Gefühl, sich auf diese Art und Weise zu einem Menschen zu bekennen und mit ihm durch dick und dünn gehen zu wollen, finde ich einzigartig. Es brauchte Mut. Es hat mir aber Ruhe im Innern verschafft. Ich fühle mich am richtigen Ort angekommen.
Sind Kinder ein Thema?
Das werde ich von allen Seiten gefragt! Nein, ich bin sehr glücklich, wie es momentan ist. Ich muss nicht unbedingt Mutter werden. Zudem bin ich mehrfache Gotte und habe so eine enge Beziehung zu Kindern. Aber ich möchte mir einen Hund zulegen.
Was sind Sie für ein Mensch?
Eine Perfektionistin. Wenn ich etwas mache, dann richtig und bis zum Schluss. Das kann nerven, wenn man mit mir zusammenarbeitet. Ich weiss genau, was ich will, und kann recht stur sein. Das war sicher auch einer der Gründe, warum mein Ex-Mitmusiker Luk Zimmermann und ich bei Lunik immer wieder Streit hatten.
Was würden Sie machen, wenn Sie nicht Musikerin geworden wären?
Vermutlich wäre ich Lehrerin, ich habe ja das Seminar abgeschlossen. Ich bin froh, dass es anders herausgekommen ist.
Was wüschen Sie sich für 2014?
Gesundheit, Zufriedenheit und dass ich Freude an der Arbeit habe. Ich freue mich auch auf meine ersten schauspielerischen Gehversuche im Freilichtspektakel «1476» und im TV-Film «Unser Kind» von Luki Frieden. Ich befinde mich in einer Phase, in der ich mich erst selber finden muss, um zu entscheiden, in welche Richtung mein Leben weitergehen soll. Es ist ein schönes Gefühl, mal nicht ein Jahr im Voraus alles verplant zu haben, wie das teils bei Lunik der Fall war.
Ihre grösste Niederlage?
Die Trennung von Lunik war wahrscheinlich schon die grösste Niederlage meines Lebens. Dass wir es nach 15 Jahren nicht auf die Reihe bekommen haben, ist ein herber Rückschlag. Anderseits war das auch ein Erfolg. Ich durfte 15 Jahre lang tun, was ich am liebsten mache, und habe mir damit erst noch mein Leben finanziert.
Was bedeutet Ihnen denn Geld?
Geld ist eine Notwendigkeit, mehr nicht. Luxus bedeutet mir nichts.
Sind Sie religiös?
Überhaupt nicht. Meine Eltern haben es mir überlassen, ob ich getauft werden will. Neunjährig fand ich das eine gute Idee, wohl wegen der Geschenke. Später habe ich es bereut, ich lasse mich nicht gerne in ein Korsett zwängen.