Robert Dill-Bundi küsst 1980  nach dem Gewinn von Olympia-Gold in Moskau die Rennbahn.
Foto: Picture Alliance

Robert Dill-Bundi ist zum Nichtstun verdammt
«Mir fehlen 35 Prozent Hirn»

1980 holte er sich bei den Olympischen Sommerspielen in Moskau Gold. Doch Robert Dill-Bundi hat die Gewinnerspur längst verlassen. Der einstige Rad-Superstar lebt von 3300 Franken im Monat. «Manchmal weiss ich nicht, wie ich die nächste Woche überstehen kann», sagt er.
Publiziert: 01.06.2019 um 23:50 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:05 Uhr
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Robert Dill-Bundi in seiner Wohnung in Savièse VS.
Foto: Isabelle Favre
Dominik Hug

Robert Dill-Bundi (60) schläft viel diese Tage. Meist schlummert er schon nachmittags auf seinem Sofa vor dem Fernseher ein. «Ich bin dauernd so schrecklich müde», sagt er und seufzt: «Ich weiss nicht, wohin meine ganze Energie entschwunden ist.»

Seine karg eingerichtete Zweizimmerwohnung verlässt Dill-Bundi manchmal wochenlang nicht. Er sieht auch kaum mehr andere Menschen. «Von den früheren Kollegen melden sich nicht mehr viele», sagt er. Verübeln könne er es ihnen aber nicht. «Ich kann es mir ja auch nicht leisten, mit ihnen zwischendurch einen Kaffee trinken zu gehen.»

Ganzes Vermögen verloren

Vor fünf Jahren kehrte Dill-Bundi aus seiner Wahlheimat Kuba in die Schweiz zurück – mit gebrochenem Herzen und leerem Portemonnaie! Ein Jahr zuvor war er mit seiner kubanischen Ehefrau Yamila (38) nach Havanna ausgewandert. Seine gesamten Ersparnisse nahm er mit, wollte dort mit 300'000 Franken ein neues Leben beginnen.

Doch sein Traum entpuppte sich als Albtraum. «Die Familie meiner Frau nahm mich aus wie eine Weihnachtsgans. Am Ende blieb mir nichts mehr, ausser der Flucht nach Hause.»

Und dann noch einen Herzinfarkt

Zuerst fand Dill-Bundi Unterschlupf bei seiner 78-jährigen Mutter im Unterwallis. «Ich hatte keinen Rappen mehr», sagt er. «Ich brauchte ein paar Monate, um wieder etwas auf die Beine zu kommen.» Die ständige Nähe zur Mutter strapazierte ihre Beziehung jedoch zunehmends. Eines Abends erlitt der einstige Spitzensportler einen Herzinfarkt.

Dabei war Dill-Bundis Krankenakte bereits damals so dick wie das Telefonbuch des Kantons Wallis: 1999 wurde in seinem Kopf ein bösartiger Tumor entdeckt. Zwei schwere Gehirnoperationen und mehrere Chemotherapien halfen nichts. 2007 gaben ihm die Ärzte noch genau zwei Monate Lebenszeit.

Elektroimpulse durchs Gehirn

In letzter Verzweiflung unterzog sich Dill-Bundi einer riskanten Elektrotherapie: 24 Stunden am Tag musste er einen Kopfverband voller Dioden tragen, die ihm im Sekundentakt starke Elektroimpulse durchs Gehirn jagten.

Die Therapie funktionierte! Innerhalb von zweieinhalb Jahren schrumpfte der einst eigrosse Tumor auf die Grösse eines Daumennagels. 2010 konnte er schliesslich ganz heraus operiert werden. «Seither fehlen mir 35 Prozent Hirn», so Dill-Bundi.

Ganz geheilt war er dennoch nicht. Immer wieder ereilten ihn Blackouts. So auch 2013, als er im Auto in Aigle VD unterwegs war und mit 220 km/h eine Massenkarambolage verursachte, bei der sieben Menschen teilweise schwer verletzt wurden. Dill-Bundi erinnert sich bloss, wie in seinem Kopf «plötzlich die Lichter ausgingen». Den Fahrausweis hat er bis heute nicht zurück.

Dill-Bundi bekommt eine IV-Rente von 2100 Franken. Von der 2. Säule erhält er noch 1100 Franken. «Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben», sagt der ehemalige Radprofi, der 1975 erstmals Junioren-Weltmeister war und nach seinem Olympiasieg 1980 zum Schweizer Sportler des Jahres gekürt wurde. 

Zum Nichtstun verdammt

Sein Leben sei eine turbulente Achterbahnfahrt gewesen. «Es ging oft rauf, aber dann auch immer wieder runter.» Jetzt verlaufe alles geradliniger, geruhsamer. «Ich bin zum Nichtstun verdammt.» Darüber wolle er sich aber nicht beklagen, betont Dill-Bundi. «Hauptsache, ich lebe. Egal, wie trostlos dieses Leben erscheinen mag. Ich könnte ja auch seit 20 Jahren tot sein.»

Träume hat Dill-Bundi heute keine mehr. Er wisse genau, wer er sei. Er wisse auch, was er habe. «Vor allem aber weiss ich, dass ich nichts mehr ändern kann.» Dann legt er sich wieder aufs Sofa und greift nach der TV-Fernbedienung.

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