Regisseur Marc Forster
Unser Millionen-Mann in Hollywood

Schon mit 15 wollte er Regisseur werden. Heute gehört er zu den erfolgreichsten der Welt.
Publiziert: 04.10.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:09 Uhr
Von Astrid von Stockar (Text) und Valeriano di Domenico (Fotos)

Was Roger Federer für die Schweiz auf dem Tenniscourt bedeutet, verkörpert Marc Forster (45) in der Welt des Films. Fürs Zurich Film Festival kam der Regisseur jetzt nach Zürich, er sitzt in der Jury eines hoch dotierten Förderpreises.

Zur «SonntagsFahrt» hole ich ihn vor der Zentralbibliothek ab und bringe ihn ins Hotel Dolder Grand. Mit Kennerblick mustert er die kleinen Kameras, die unser Gespräch im Auto filmen.

Was würde er jemandem raten, der Regisseur werden möchte? Ein Patentrezept gebe es nicht, meint Marc. Jeder müsse seinen eigenen Weg finden. «Ein junger Mensch muss eine klare Vision haben. Ich wusste mit 15, dass ich Regisseur werden wollte. Man darf dann aber nicht an sich zweifeln!» Für ihn war es ein langer und steiniger Weg bis zum Durchbruch mit 30 Jahren. Andere hätten da längst aufgegeben.

Lachend erinnert er sich: «Es kommt dann schon mal mit 27 Jahren der Moment, an dem sich deine Familie langsam zu fragen beginnt, ob du nicht ­einen anderen Beruf ergreifen solltest!»

Doch mit eiserner Disziplin stand er jahrelang jeden Morgen um 7 Uhr auf; um 8 Uhr begann er, an Drehbüchern zu arbeiten, die niemand wollte und für die er keine Finanzierung fand. Bis er plötzlich bei einem der wichtigsten US-Filmfestivals den Drehbuch-Preis gewann: Mit einer Amateurkamera und 100'000 Dollar, mit Schauspielern und Technikern, die ohne Lohn arbeiteten, hatte er seinen ersten Kinofilm realisiert, das Psychodrama «Everything Put Together».

2001, ein Jahr später, kam der endgültige Durchbruch mit dem Südstaatendrama «Monster’s Ball». Halle Berry gewann einen Oscar als beste Hauptdarstellerin. Heute arbeitet Forster mit riesigen Budgets und lässt sich davon weder einschüchtern noch unter Druck setzen. Sein lapidarer Befund: «Wer die ganze Zeit Angst davor hat, das Geld in den Sand zu setzen, kann nicht kreativ denken!»

Kurz entschlossen biege ich in eine Autowaschanlage ein. «Das ist ja sehr cool», ruft Marc begeistert und schiesst mit seinem ­iPhone Bilder von der blinkenden, schäumenden, wirbelnden Waschstrasse. Sein «Filmauge» schläft offenbar nie!

Ich frage ihn, nach welchen Kriterien er Drehbücher auswähle. Das sei ein intuitiver Prozess, antwortet der Meisterregisseur: «Ich schaue, ob ich eine emotionale Verbindung zum Inhalt herstellen kann und ob es gerade in mein Leben passt.»

Die 22. Folge von James Bond wollte er eigentlich ablehnen, liess sich aber umstimmen. Der 007-Thriller wurde zur Herausforderung: Die Drehbuchautoren streikten, Forster musste mit dem halb fertigen Script in der Weltgeschichte herumreisen, um Drehorte zu finden, sein Budget betrug sagenhafte 200 Millionen Dollar!

«Quantum of Solace» (Ein Quantum Trost) spielte an den Kinokassen fast das Dreifache ein – er ist ­einer der erfolgreichsten Bond-­Filme, die je gezeigt wurden!

Wieso hat er dann nie wieder ­einen Bond gedreht? «Sie haben mir «Skyfall» angeboten», antwortet mein Beifahrer unaufgeregt, «aber es ist oft so, dass ich nach ­einem Film das Genre wechsle und etwas anderes ausprobiere.» Er weiss, was er will, und lässt sich davon auch durch schmeichelhafte Angebote nicht abbringen.

Der Lebensweg von Marc Forster, Sohn einer Schweizer Architektin und eines Pharmaunternehmers aus Deutschland, war geradlinig, aber alles andere als einfach.

Persönliche Schicksalsschläge bremsten ihn immer wieder aus. Durch Fehlinvestitionen verlor die Familie ihr gesamtes Vermögen, Marc musste sich das Geld für sein Filmstudium bei Freunden ausborgen.

1998 nahm sich sein Bruder das Leben, der Vater starb zwei Monate später, seine Grossmutter kurz darauf. Die Trauer, der Schmerz, auch die Auseinandersetzung mit dem Tod lässt Forster in seine Filmprojekte einfliessen: «Wir sind alle nur eine begrenzte Zeit hier, und ich finde es wichtig, dass wir uns mit dem Tod auseinandersetzen. Er ist ein Teil unserer Existenz – wir kommen und wir gehen!»

Wir nähern uns dem Dolder Grand. Ob er mittlerweile mehr Amerikaner als Schweizer sei, will ich zum Schluss von Marc Forster wissen.

«Natürlich bin ich Schweizer!», meint er bestimmt. «In den letzten 15 Jahren habe ich zehn Filme überall auf der Welt gedreht. Im Schnitt bin ich aber nur zwei Monate pro Jahr in L. A. Daher glaube ich nicht, dass Amerika mich sehr geprägt hat», sagt er beim Aussteigen und eilt zielstrebig über den roten Teppich des Grandhotels – zum nächsten Meeting.

Marc Forster ist der erfolgreichste Filmregisseur, den die Schweiz je hatte. Doch kein roter Teppich dieser Welt hat ihn jemals abheben ­lassen!

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