Er spricht offen über seine Depressionen und wird dafür mit Lob überschüttet. Rapper Stress (42) will auch in Zukunft darauf hinweisen, wie wichtig es ist, dass man zu seinen Ängsten und Unsicherheiten steht.
Rapper Stress (42) hat kürzlich publik gemacht, dass er eine Psychotherapie mache, weil er an Depressionen leide. Hunderte Rückmeldungen sind bei ihm seither eingegangen. «Die Reaktionen kamen ausschliesslich von Frauen», sagt er. «Was ein Zeichen dafür ist, dass Männer noch immer Mühe haben, zu ihren Schwächen zu stehen.»
Selbstmord-Gedanken plagten ihn
Stress gehört seit 15 Jahren zu den bekanntesten Musikern der Schweiz. Dennoch leidet er bis heute unter Existenzängsten und zweifelt oft an seinen Fähigkeiten. Darüber singt er auch auf seinem neuen Album «Sincèrement». Den Tiefpunkt erlebte er vor eineinhalb Jahren. «Ich konnte mir nicht mehr vorstellen, mein Schlafzimmer, geschweige denn mein Haus zu verlassen», erinnert er sich. «Mir kam alles total sinnlos vor.»
Schon Wochen davor plagte ihn ein immer stärker werdendes Gefühl, keine Kontrolle mehr über sein Leben zu haben. «Ich kam mir völlig hilflos vor.» Das ging so weit, dass er gar an Selbstmord dachte. «Das Einzige, was mich davon abhielt, war der Gedanke an meine Mutter und den Kummer, den ich ihr bereiten würde», sagt er.
Nach seinem mentalen Zusammenbruch begab sich Stress in Therapie. Der Grund für seine Depressionen war schnell gefunden: in seiner Kindheit. Der Vater, ein gewalttätiger Alkoholiker, verliess die Familie früh. «Seit damals plagen mich Verlustängste», so der Rapper. Das Fundament seines Leben stehe schief. Durch professionelle Hilfe erhoffte sich Stress, dieses geraderichten zu können.
Den Körper unter Kontrolle bringen
Parallel zur Therapie begann er auch regelmässig Sport zu treiben: Yoga, Fitness, Boxen und Joggen. «Es gibt dir ein gutes Gefühl, wenn du deinen Körper kontrollieren kannst. Zumindest etwas im Leben hast du dann im Griff», sagt Stress und erklärt: «Hast du deinen Körper unter Kontrolle, wirst du irgendwann auch deinen Geist unter Kontrolle haben.»
Seit ein paar Monaten geht es Stress wieder besser. Die Depressionen habe er nicht komplett überwunden, sagt er. «Aber ich verfüge heute über die Werkzeuge, um mit ihnen umzugehen.» Die eigene Vergangenheit könne man nicht verändern. «Aber man muss lernen, mit ihr leben zu können.»
«So viele sind betroffen»
Der Druck in der heutigen Gesellschaft, immer Höchstleistungen erbringen zu müssen, sei immens, sagt Stress. «Unsicherheiten zu zeigen, wird immer noch schlecht goutiert.» Hier müsse endlich ein Umdenken stattfinden. Depressionen zu haben, sei eine Krankheit, die alle angehe, ergänzt er. «So viele Menschen sind davon betroffen, ob direkt oder indirekt. Und dennoch werden Depressive oftmals stigmatisiert.» Deshalb sei es ihm auch so wichtig, auf diese Krankheit hinzuweisen.
«Männer leiden stiller», sagt Stress. Nur die wenigsten holen sich professionelle Hilfe.» Dabei hätten Männer doch dieselben Ängste und Bedürfnisse wie Frauen. Sein Appell: «Jungs, redet über eure Probleme, steht zu euren Ängsten, verschliesst euch nicht vor euren Liebsten!» Nur so könnten Vorurteile gegenüber Depressiven abgebaut werden. Und nur so könne der Heilungsprozess beginnen.
Über seine Erfahrungen spricht Stress in der SRF-Sendung «Club» (Dienstag, 26. November, 22.25 Uhr, SRF 1).