Rapper Gimma schreibt in Buch über seine alkoholsüchtige Mutter
Darf ein Sohn so über seine Mutter schreiben?

Die Mutter von Rapper Gian-Marco «Gimma» Schmid, 44, war suchtkrank. Nach ihrem Tod verarbeitete er seine Gefühle in einem Buch.
Publiziert: 14.01.2025 um 12:29 Uhr
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Aktualisiert: 14.01.2025 um 14:11 Uhr
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«Meine Mutter war Alkoholikerin und ging daran zugrunde»: Rapper Gimma
Foto: Tom Huber

Auf einen Blick

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Manuela Enggist
Beobachter

«Mein Name ist Gian-Marco Schmid. Ich bin der Sohn meiner Mutter. Dieser Text erzählt unsere Geschichte, die leider traurig ist. Meine Mutter war Alkoholikerin und ging daran zugrunde. Während ihrer Lebenszeit konnte ich nicht den Mut aufbringen, einen konkreten und ausführlichen Text über sie zu verfassen. Das lag auch an meiner Furcht vor ihrer Reaktion, die bereits auf andere Texte aggressiv ausgefallen war. Als mich die Nachricht von ihrem Tod erreichte, versank ich für einige Stunden. Dann entschied ich mich dazu, diesen Bericht genau an diesem Ort zu beginnen und bis zum Ende zu schreiben, auch wenn es schmerzhaft werden würde. So schmerzhaft, wie sie war, die Liebe meiner Mutter.»

Mit diesen Sätzen beginnt mein Buch «Abschiede von Mutter». Es ist eine Art Tagebuch, gespickt mit Rückblenden auf ein Leben, das geprägt war von ihrer Sucht und meiner späten Erkenntnis, dass ich nie gegen den übermächtigen Gegner Alkohol ankommen würde.

Nachdem mir meine Schwester am Telefon gesagt hatte, dass unsere Mutter verstorben war, setzte ich mich an den Küchentisch und begann zu schreiben. Es war meine Bewältigungsstrategie. Acht Tage lang schrieb ich, am Tag nach ihrer Beerdigung war ich fertig. Ich habe dem Text danach nichts hinzugefügt. Er sollte diesen unmittelbaren Charakter behalten.

«Es ist ein ehrliches Buch»

Als ich später alles nochmals durchlas, dachte ich mir: Das ist schon harte Kost. Doch neben meiner Schwester litt ich am meisten unter dem Verhalten meiner Mutter. Darum bin ich der Meinung, dass es mir zusteht, so offen über sie zu schreiben. Der Verlag bereitete mich auf Kritik vor. Zum Beispiel von Personen, die sagen, dass ein Sohn so nicht über seine Mutter sprechen darf.

Doch das Buch ist keine Abrechnung. Es ist auch kein PR-Stunt für meine Karriere. Es ist einzig und allein mein Versuch, ihren Tod, ihre Sucht und alles, was deswegen zwischen uns passiert ist, zu verarbeiten. Es ist ein ehrliches Werk.

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Ich gehe weder mit meiner Mutter noch mit mir selbst zimperlich um. So schreibe ich zum Beispiel, dass ich am Morgen ihrer Beerdigung Drogen konsumierte, um den Tag zu überstehen. Wenn ich solche Dinge aussparen würde, wäre es nicht authentisch.

Die unbekannte Wahrheit

Beim Schreiben war mir stets klar, dass auch Leute wie meine Schwester, meine Tante, meine Cousins und Cousinen dieses Buch lesen würden. Einige Passagen habe ich darum entschärft. Alle wussten, dass ich daran schreibe, aber ich gab es niemandem im Voraus zum Lesen. Ich denke schon, dass es einige aus der Familie vor den Kopf stossen wird. Viele wussten nicht, was wirklich abging, weil meine Mutter die Dinge oft anders erzählte, als sie tatsächlich waren. Sie war immer sehr bedacht darauf, wie sie wahrgenommen wurde.

Mit dem Buch möchte ich eine Diskussion anstossen. Ich hoffe, dass es Menschen und Familien helfen kann, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Ich arbeite mit der Organisation Löwenzahnkinder zusammen, die sich für Kinder von suchtkranken Menschen engagiert. In deren Selbsthilfegruppen kann so ein Buch auch helfen für eine Diskussion.

Allein das Thema «betrunkene Eltern an Weihnachten» bietet viel Potenzial. Dazu hat jede Person ihre eigene Horrorstory. Als ich ein Kind war, hat mir ein solcher Safe Space gefehlt, um über meine Gefühle zu reden. Das erste Mal, als ich in einer Selbsthilfegruppe sass, war das für mich selbst. Aber da war der Schaden schon angerichtet.

Als ich einen Auszug aus dem Text kürzlich an einer Open-Mic-Veranstaltung vortrug, weinten einige im Publikum. Da realisierte ich: Was nach der Veröffentlichung kommt, könnte schon heftig werden. Ich bin gespannt, wie die Leute – und ich selbst – darauf reagieren.

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