Er war der bekannteste Wahrsager der Schweiz. Und er hat auch seinen eigenen Tod vorhergesehen. Mike Shiva ist am Freitag, 13 Uhr, im Alter von 56 Jahren in einem Basler Spital verstorben. Er litt an Darmkrebs und einem Hirntumor.
Die schrecklichen Diagnosen erhielt Shiva vor zwei Jahren. Seither verlor er 30 Kilogramm, er wagte sich kaum mehr an die Öffentlichkeit. Er wollte die Krankheit für sich behalten. «Mike war eine der schillerndsten Figuren der Schweiz», sagt Jetsetterin Vera Dillier (Alter geheim), die mit Shiva jahrzehntelang befreundet war. «Aber hinter der exzentrischen Fassade steckte ein ganz sensibler Mensch.» Wohl auch deshalb behielt er seine Krankheit bis zum Schluss geheim. «Mike war liebenswürdig und entgegen allen Vorurteilen überaus vernünftig.»
Schon als Teenager hat er Karten gelesen
Michel Wehner, wie Shiva bei Geburt hiess, verbrachte seine Schulzeit in Basel. Er sei ein braver Junge gewesen, immer pünktlich, kein Rebell, erinnerte er sich in seiner 2018 veröffentlichten Biografie. Er sei schon als Kind hellsichtig gewesen. So habe er unter anderem den Tod eines Mitschülers vorausgesehen, schrieb er in «Ich, Mike Shiva: Die Wahrheit über die Wahrheit». Noch als Teenager begann er, mit seiner «Begabung» auf der Bühne aufzutreten.
«Teuer bezahlter Nonsens»
In den 90er-Jahren erlangte Shiva durch Fernsehauftritte, in denen er anhand von Karten die Zukunft voraussagen wollte, grössere Popularität. Shiva begann seine Dienste über kostenpflichtige Telefonnummern (für 4.50 Franken in der Minute) anzubieten, was ihm schnell den Vorwurf der «Abzockerei» einbrachte. So wurde er in der SRF-Sendung «Kassensturz» beschuldigt, Geld mit verzweifelten Menschen zu machen («Teuer bezahlter Nonsens»). Und Sektenexperten kritisierten, dass er seinen Fans bloss «Binsenwahrheiten und psychologisches Pseudowissen» auftische, «die auf jeden zutreffen können».
Die Kritik prallte an Shiva ab, seine Bekanntheit wurde durch die Vorwürfe nicht tangiert. Mit Sonnenbrille, Kopftuch und lackierten Fingernägeln trat er an jeder VIP-Party und Premiere auf. Und wurde auch weiterhin regelmässig von Satiriker Mike Müller (56) in der Late-Night-Show «Giacobbo/Müller» veräppelt. Er habe einen direkten Draht ins Universum, konterte Shiva, «aber kein Helfersyndrom». Er wollte den Menschen lediglich Mut machen, ihnen aufzeigen, dass es aus jeder Situation heraus einen hoffnungsvollen Ausweg gibt. «Mehr nicht.»
Pudel Chocolat hat ihn immer begleitet
Mike Shiva habe polarisiert und war deshalb so bekannt, sagt Vera Dillier. «Wahre Freunde hatte er aber kaum welche.» Umso wichtiger war ihm Pudel Chocolat, der ihn überallhin begleitete und dessen Tod ihn 2019 schwer traf. Er habe sich damit abgefunden, alleine zu bleiben, meinte er. «Das ist kein Problem für mich.» Er sei asexuell, vermisse Sex auch nicht – «völlig überbewertet».
Mit seinem «Hokuspokus» habe er nie etwas anfangen können», sagt Rad-Legende Beat Breu (62), der mit Shiva 2018 im Circus Royal durch die Schweiz tourte. Als Mensch sei er aber sehr angenehm gewesen. «Und er war sicher nicht der Dümmste», ergänzt Breu. «Eine Zeit lang hat er ja richtig viel Geld verdient mit seinen komischen Karten.»
Das fiel vor zehn Jahren auch der Berner Steuerverwaltung auf, die gegen Shiva, der zwischenzeitlich auf einem Campingplatz in Thun BE wohnte, ein Nach- und Strafsteuerverfahren durchführte. Er habe einen hohen sechsstelligen Betrag nicht deklariert, lautete der Vorwurf. Shiva, der privat am liebsten Luxuskleider von Gucci und Chanel trug, musste nachzahlen. Er sei von ehemaligen Geschäftspartnern über den Tisch gezogen worden, verteidigte er sich.
Teilnahme bei «Promi Big Brother»
Er habe immer nur aus Freude und Leidenschaft beraten – das Geld sei dann automatisch gekommen, erklärte der Basler 2018, nachdem er in Deutschland in der RTL-Sendung «Promi Big Brother» teilnahm. Ihm sei sein ganzes Leben vorgeworfen worden, dass er ein Betrüger sei. Auf offener Strasse sei er beschimpft, manchmal sogar bedroht worden, so Shiva. Er verstehe die Kontroverse um seine Person nicht. «Auch Maler verdienen Geld mit ihren Bildern!» Was also sei falsch daran, wenn auch er entlöhnt werden wolle? «Ich zwinge ja niemanden dazu, meine Gabe in Anspruch zu nehmen.»
Mike sei ein Paradiesvogel gewesen, sagt Beat Breu. «Solche wie ihn hat es in der Schweiz nicht viele.» Vera Dillier ergänzt traurig, durch seinen Tod sei das Land jetzt ein bisschen blasser.
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