Wir treffen Polo Hofer (70) im Sarg-Atelier seiner Frau Alice (53) in Thun BE. Auf der einen Seite des hellen Raums stehen ihre kunstvollen, fast fröhlichen Särge, an der Wand gegenüber hängen Polos poppige Bilder. Obwohl zwei Welten aufeinanderprallen – der irdische Abschied und Polos pralle Kunst –, fühlt man sich geborgen. Wir sitzen unter einem seiner Werke auf dem Sofa. Ab und zu nippt der Musiker an einem Glas Prosecco und raucht während des Gesprächs nur eine Zigarette.
BLICK: Herr Hofer, kann ich mir einen echten Polo leisten?
Polo Hofer: Klar. Meine Bilder sind erschwinglich. Vorerst verkaufe ich keine Originale, sondern Digitalprints.
Ihre Werke sind teils sehr gewagt …
Erotik und Sex gehörten schon immer zum Rock ‘n’ Roll. Jetzt übertrage ich diese Lebenseinstellung einfach auf meine Bilder. Ich habe bereits früh angefangen, Körper zu malen. Nach der Lehre hat mich mein Vater in die Kunstgewerbeschule gesteckt. Dort habe ich begeistert Akte gemalt.
Gehen Sie jetzt nicht nur als Erfinder des Mundartrocks, sondern auch als Maler in die Geschichte ein?
(Lacht) Ich habe ja noch nicht viel verkauft, ich fange erst an. Als Hobby habe ich schon immer gemalt. Da ich jetzt mit dem Rock ‘n’ Roll aufhöre, habe ich mehr Zeit dafür.
Sie hören jetzt wirklich auf mit der Musik?
Ja, ich gebe nur noch ein paar Konzerte, es ist mir zu anstrengend. Ich habe in 40 Jahren siebenmal die Band gewechselt. Jede Tour musste geprobt werden, man lebt in Hotels. Dazu kommt, dass das Musikbusiness am Arsch ist. In den 80er-Jahren verkaufte ich von jeder Platte 100'000 Stück. Jetzt sind es noch 10'000. Trotzdem bringe ich im Herbst nochmals eine Scheibe raus.
Stimmt es, dass es auch ökologische Gründe gibt, warum Sie aufhören?
Ja, ich ärgere mich, wie viel Energie an Open Airs verschwendet wird. 20'000 Leute tuckern von weit heran, die Hälfte mit dem Auto. Auch die Technik auf der Bühne ist grotesk. Dazu kommt die Wohlstandsverwahrlosung der Leute. Sie lassen ihre Zelte liegen, befahren die Aare mit Gummibooten und lassen auch diese liegen.
Sie machen sich seit einiger Zeit Sorgen um unseren Planeten.
Ich habe mich vor allem mit dem Thema Wasser auseinandergesetzt. Viele Länder vertrocknen. Die Schweiz ist ein Wasserschloss und ich befürchte, dass künftig Ansprüche an uns gestellt werden. Wasser wird bald wichtiger als Öl.
Sie haben sich immer engagiert. Worauf sind Sie am meisten stolz, wenn Sie an Ihre Karriere denken?
Ich habe eine Bewegung ausgelöst, den Mundart-Pop erfunden. Noch nie gab es so viele Dialekt-Bands wie heute. Das macht mich stolz. Und ich habe 2884 Konzerte gegeben, 34 Alben produziert. Mit Freude sehe ich, wie oft ich gecovert werde – sogar von Jodelchören. Früher hätte mich das geärgert, heute bin ich stolz darauf.
Warten nach den Konzerten eigentlich noch Groupies auf Sie?
Nein, aber als wir kürzlich beim Vogellisi-Festival in Adelboden spielten, tauchten Sektierer auf, die mir einen Flyer in die Hand drückten. Mit weicher Stimme sagten sie: «Polo, wir mögen deine Lieder. Aber hast du eine Verbindung zu Jesus?»
Glauben Sie denn an Gott?
Nein, ich bin Atheist.
Was sagen Sie zu den Äusserungen von Bischof Huonder über Homosexuelle?
Wenn ich schwul wäre, würde ich ihn auch anzeigen. Ich hoffe, dass bald eine Transe Bundesrat wird. Die hätte Verständnis für beide Seiten.
Sie sehen gut aus, trotzdem hatten Sie in den letzten Jahren gesundheitliche Probleme.
Ich fühle mich wohl. Aber seit ich Diabetes habe, muss ich zweimal pro Tag Insulin spritzen, das nervt mich ein wenig.
Wohnen Sie und Alice eigentlich immer noch im gleichen Haus, aber in separaten Wohnungen?
Klar. Wir schlafen jeweils in jener Wohnung, wo gerade das Bett gemacht ist.
Streiten Sie manchmal?
Selten. Nur politisch sind wir nicht immer einer Meinung. Sie ist SVP-Sympathisantin, ich bin links.
Würden Sie für eine Million einen Wahlsong für die SVP machen?
So was wie den Willy-Song? Auch für eine Million nicht. Aber wenn sie mir freie Hand liessen, würde ich es mir überlegen.
Sie sind seit 18 Jahren mit Alice verheiratet. Wie schlimm ist es, wenn einer gehen muss?
Sehr schlimm. Aber man muss immer mit dieser Möglichkeit rechnen, schliesslich bin ich ja auch älter als sie. Aber Alice ist vom Fach, sie berät Angehörige in Todesfällen. Wir reden über den Abschied, haben alles geregelt.
Wie wollen Sie bestattet werden?
Es gibt keine Beerdigung. Ich lasse meine Asche mit einer Rakete auf dem Niesen in den Himmel schiessen. Das funktioniert. Ich habe es mit zwei Kilo Konfetti getestet.
Wenn Sie vom Aschehimmel runterschauen und Alice mit einem neuen Partner entdecken würden – kämen Sie wütend runter?
Nein, das wäre kein Problem für mich. Ich habe mich ja auch neu liiert, nachdem meine frühere Partnerin gestorben war. Das Leben geht weiter.
Und zum Schluss: Was machen Sie, wenn an Ihrem Todestag das Zünden von Feuerwerk wegen Waldbrandgefahr verboten ist?
Auf dem Niesen stehen keine Bäume. Auch das habe ich getestet.