Psychologie-Professor Udo Rauchfleisch (73) über die Vor- und Nachteile vom gemeinsamem, getrennten Leben.
BLICK: Wenn sich Paare räumlich trennen: Ist dies der Anfang vom Ende oder eine neue Chance?
Udo Rauchfleisch: Das muss keineswegs der Anfang vom Ende sein, und es muss auch nicht um eine neue Chance gehen. Das getrennte Wohnen ist prinzipiell eine gute Beziehungsform – die übrigens von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Erfolg oft gelebt wird.
Von wem geht dieser Entscheid meistens aus – vom Mann oder der Frau?
Das ist schwer zu sagen. Bei heterosexuellen Paaren gab es diese Lebensform ja nicht wirklich häufig. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Initiative eher von der Frau her kommt. Weil Frauen im Allgemeinen besser spüren, was einer Beziehung gut tut. Die Männer haben meist Angst, dass ihnen die Frau verloren geht.
Was sind die Vorzüge einer solchen Lebensform?
Es kommt weniger schnell zu Abnützungserscheinungen im Alltag. Ausserdem ist die Freude, sich wieder zu sehen, viel grösser als bei Paaren, die permanent in der gleichen Wohnung wohnen. Die Partner können Nähe und Distanz viel besser ausbalancieren, wenn sie sich auch mal wieder in die eigene Wohnung zurückziehen können.
Wo liegen die Nachteile?
Eigentlich gibt es keine Nachteile. Das Leben kann höchstens etwas komplizierter werden, da mehr Organisation nötig ist. Und natürlich ist es teurer, zwei Wohnungen zu finanzieren.
Ist dies nach Ihren Erfahrungen ein Erfolgsmodell?
Ja, es ist ein durchaus sinnvolles Beziehungskonzept.
Leisten können sich diesen Schritt nur Vermögende. Ist es letztlich nicht auch ein Zeichen von Wohlstandsverwahrlosung?
Klar ist die Finanzierung ein Problem. Aber ich würde auf keinen Fall von Verwahrlosung sprechen. Es ist – zugegeben – ein Luxus, den sich nicht alle leisten können.
Als Vorteil sehen viele Paare, dass man sich nicht wegen Alltagskleinigkeiten in die Haare gerät. Macht nicht genau dies eine funktionierende Beziehung aus?
Einerseits gehört der Alltagskram mit zu einer Beziehung. Andererseits gibt es aber oft gerade darum viele Reibereien, die eigentlich nicht nötig sind und sich negativ auf die Stimmung beider auswirken.
Es gibt aber auch immer mehr Paare, die zusammen wohnen, aber getrennt schlafen. Was halten Sie davon?
Ab und zu getrennt zu schlafen, kann zu einer Verbesserung und Intensivierung der sexuellen Beziehung führen. Distanz schafft oft ein neues Interesse aneinander. Das getrennte Wohnen und getrennte Schlafen kann daher eher zu grösserer Nähe zwischen den beiden führen. Es sei denn, mit dem Entscheid, je eine eigene Wohnungen zu haben, sei eigentlich gemeint, den ersten Schritt zu einer definitiven Trennung zu machen.
Was raten Sie Paaren, die gerne zwei Wohnungen hätten, das aber nicht zahlen können?
Für solche Paare ist es wichtig, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchen, eigene Räume im konkreten wie im übertragenen Sinn zu schaffen. Das heisst, in der eigenen Wohnung Möglichkeiten schaffen, sich auch mal aus dem Weg zu gehen. Und auch ausserhalb des Hauses nicht dauernd aneinanderzukleben. Es ist wichtig, dass beide Partner auch Individuen bleiben.
Getrennt leben ist der neue Beziehungs-Trend
Moderator Marco Fritsche: «Jeder hat sein Reich, der andere ist zu Gast»
Der Appenzeller TV-Moderator Marco Fritsche (40) und der Innsbrucker Architekt Martin Arnold (32) sind seit Ende 2013 verheiratet. «Zwei Nächte pro Woche gewährt mir mein Schatz in Zürich Asyl», sagt Fritsche. Sonst lebe er in seinem über 300 Jahre alten Holzhaus im Dorfzentrum von Appenzell. Die Ehepartner wohnen nicht zusammen. «Jeder hat sein Reich, der andere ist zu Gast», so Fritsche. Das Gute daran sei: «Wir freuen uns immer noch, wenn wir im gleichen Bett schlafen. Vielleicht ist das ein ganz gutes Eherezept.» Die Wochenenden verbringt das Paar meist bei Fritsche.
Komiker Beat Schlatter: «Ich will keine Frau, die mit dem Wallholz auf mich wartet»
Beat Schlatter (55) und Mirjam Fischer (46) haben je eine Wohnung in der Stadt Zürich. Die gemeinsame Zeit verbringen sie meist bei ihm. «Das separate Wohnen erspart uns viel Alltagsstress. Sich gegenseitig nicht unnötig einzuschränken, ist total wichtig. Das ist gelebtes Vertrauen», sagt Fischer. Und Schlatter meint: «Wir haben unterschiedliche Lebensrhythmen. Als Künstler trete ich oft am Wochenende auf, dafür bin ich unter der Woche mit meinen Kollegen bis spät nachts unterwegs. Dann entstehen die besten kreativen Ideen. Dann will ich keine Frau, die mit dem Wallholz auf mich wartet.»
«Lifestyle»-Moderatorin Patricia Boser: «Wir haben uns für eine neue, moderne Lebensform entschieden»
Vor drei Jahren gaben sich Patricia Boser (48) und Beat Ludin (55) das Ja-Wort und erfüllten sich ihren luxuriösen Wohntraum am Zürichsee. Nun stellen sie ihr Leben auf den Kopf. «Unsere Lebensumstände haben sich seit dem Kauf verändert», sagt sie. Beruflich ziehe es sie meist in die Stadt, ihren Gatten manchmal in Richtung Deutschland. Deshalb wollen sie die Villa verkaufen und suchen zwei neue Wohnungen. «Wir haben uns für eine neue, moderne Lebensform entschieden», sagt sie. «Wir freuen uns, einerseits zusammenzuwohnen, andererseits uns als Ehepaar zu besuchen.»
Eiskunstläuferin Denise Biellmann: «Getrennt zu wohnen, hält unsere Liebe frisch und lebendig»
Sie kennen jede Form des Wohnens. «Wir waren verheiratet, lebten zusammen, liessen uns scheiden, zogen in getrennte Wohnungen, kamen wieder zusammen und blieben separat wohnen», sagt Denise Biellmann (53). Für sie und Colin Dawson (54) hat sich das die letzten 15 Jahre bewährt. «Colin lebt zehn Autominuten von mir entfernt. Wir haben keinen Alltagstrott, freuen uns immer, wenn wir uns bei ihm oder bei mir sehen.» Für sie sei es so perfekt. «Getrennt zu wohnen, hält unsere Liebe frisch und lebendig.» So sähen sie ihre Beziehung nie als selbstverständlich an.
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