Informationsflop der Zürcher Behörden
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Nach Superspreader-Event:Informationsflop der Zürcher Behörden

Ausgeh-König Reto Hanselmann nach Flamingo-Party
«Ich wurde nie kontaktiert!»

An der Party im Zürcher Club Flamingo steckte ein sogenannter Superspreader mehrere Leute mit dem Coronavirus an. Der Zürcher Partykönig Reto Hanselmann (38) feierte an dem Abend mit – und wurde von den Behörden bis jetzt nicht kontaktiert. Was lief schief?
Publiziert: 28.06.2020 um 23:24 Uhr
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Aktualisiert: 29.06.2020 um 11:43 Uhr
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Der Zürcher Reto Hanselmann (38) war an der Superspreader-Party im Flamingo.
Foto: zVg
Patricia Broder, Gianna Blum, Fabio Giger und Michael Sahli

Die Schweiz hatte ihren ersten Superspreader-Event: Ein Corona-Kranker stürzte sich am 21. Juni ins Zürcher Nachtleben und steckte im Club Flamingo mindestens fünf weitere Partygänger an. Hunderte weitere Gäste des Lokals müssten jetzt in Quarantäne sein. Ob sie es aber wirklich sind, steht in den Sternen – eine Woche danach! Denn die erste Belastungsprobe für das Schutzkonzept, das eine zweite Corona-Welle verhindern soll, ging gründlich in die Hose.

Am Sonntagnachmittag trat die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (43) mit ernster Miene vor die Medien. Sie ist dafür verantwortlich, die Zürcher Covid-19-Fälle aufzuspüren und in Quarantäne zu setzen. Geklappt habe das nicht so gut, erklärt Rickli. Und das liege an den Kontaktierten: «Das Contact-Tracing-Team wurde am Telefon beleidigt von Partygängern. Das haben wir nicht erwartet», sagte sie. Und sie ärgert sich: «Es sind viele falsche Mail-Adressen im Umlauf, teilweise mit vulgärem Inhalt. So können wir natürlich kein Contact Tracing aufbauen.»

Clubbesitzer nicht erreichbar

Die Zürcher Interims-Kantonsärztin Christiane Meier präzisierte: Etwa ein Drittel der E-Mail-Adressen sei schlicht falsch gewesen.

Doch das war nicht das einzige Problem für die Zürcher Corona-Detektive. «Wir konnten den Clubbesitzer erst 24 Stunden nach Vorliegen des positiven Testergebnisses erreichen», sagt Meier. «Ein Gast konnte uns seine Handynummer beschaffen. Wir wussten zunächst nicht, wer uns die Liste aushändigen könnte. Nach unserer Kenntnis gibt es kein Clubbesitzer-Verzeichnis.»

Bei all dem ist anzumerken: Das Schutzkonzept, das sich mit Mailadressen zufriedengibt oder ohne ein Clubbesitzer-Verzeichnis auskommt, wurde vom Kanton bewilligt!

Hinzukommt, dass auch zwei Tage nach der Positiv-Diagnose beim kranken Partygänger nicht alle Gäste der Corona-Veranstaltung vom Kanton kontaktiert worden sind. Auch manche, die ihre korrekten Kontaktangaben hinterlassen hatten, hörten bis Sonntagabend nichts von einem der Contact-Tracer des Kantons.

Zürcher Partylöwe erfuhr durch Freunde vom Superspreader

Einer von diesen Gästen ist der Zürcher Partykönig Reto Hanselmann (38). «Ich könnte der nächste Superspreader sein», ärgert er sich gegenüber BLICK. Am Abend des 21. Juni war der Eventveranstalter mit 20 bis 25 Freunden an der Party. Er feierte dort den 42. Geburtstag seiner Kollegin Edita. Er fragt sich, warum man ihn als möglichen Träger nie kontaktiert habe.

«Natürlich war uns das Risiko einer Corona-Ansteckung bewusst. Weshalb wir auch alle unsere Kontaktdaten sorgfältig angegeben haben», sagt er. «Aber ich musste durch Freunde und die Medien erfahren, dass ich gefährdet bin», sagt Hanselmann.

Fünf von 25 Personen bis Sonntag nicht kontaktiert

Seine Kollegin Edita Dzehverovic, das Geburtstagskind an der besagten Party, sieht es gleich: «Der Superspreader wurde am Donnerstag gefunden. Heute ist Sonntag und ich habe von keiner offiziellen Stelle je etwas gehört.» Ihre Tochter aber, die ebenfalls dort war, bekam bereits am Samstag ein E-Mail: «Sie müssen sich ab sofort bis einschliesslich Donnerstag, den 1. Juli 2020, in Quarantäne begeben», heisst es da. Von den gut 25 anwesenden Freunden seien bis Sonntagabend fünf noch nicht von den Contact-Tracern kontaktiert worden. Immerhin: «Bisher weiss ich von niemandem aus unserer Gruppe, der Symptome bekommen hat.»

Hanselmann befindet sich nun in seinem Haus in Zürich-Höngg in Selbstquarantäne. Einen Corona-Test konnte er Sonntagmittag machen, Symptome hat er bisher keine: «Zum Glück weiss ich jetzt, dass ich gefährdet bin. Ein Treffen mit meiner Familie, bei dem auch Leute aus Risikogruppen teilgenommen hätten, konnte ich nun noch rechtzeitig absagen.»

Liste mit genau 298 Personen

Die Verantwortlichen beim Kanton versicherten aber gestern, man habe bis am Samstag alle bekannten Partygäste bereits kontaktiert: «Alle rund 200 Personen, deren echte Kontaktdaten wir haben, konnten bis Samstagnachmittag innerhalb weniger Stunden erreicht werden», bekräftigt Kantonsärztin Christiane Meier. Wie passt das zu den Angaben von Partykönig Hanselmann und seiner Kollegin?

Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich habe eine Liste mit genau 298 Personen bekommen, sagt Kantonsärztin Meier zu BLICK. 300 Clubbesucher sind erlaubt. Meier hat einen Verdacht. «Allmählich verdichten sich die Hinweise, dass da noch mehr Leute im Club waren», so die Ärztin. Man gehe davon aus, dass etwas mit der Liste nicht stimmen könne.

Erstaunlich allerdings, dass die Gesundheitsdirektion noch am Samstagabend ausdrücklich lobte, der Clubbesitzer habe «vorbildlich» gehandelt. Gestern war dieser Besitzer für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

«Coronavirus ist eine ernste Sache, kein Spass»

Gesundheitsdirektorin Rickli sah die Fehler gestern massgeblich bei den Partygängern. Man müsse sich endlich an die Regeln halten: «Das Coronavirus ist eine ernste Sache, kein Spass.» Sonst könne man auch ID-Kontrollen einführen.

Kommende Woche soll es nun zu einem Treffen zwischen dem Kanton und der Clubszene kommen, um Massnahmen fürs nächste Wochenende und die Zukunft zu eruieren. Hilft das alles nichts, so droht Rickli, werde man den Partys den Stecker ziehen: «Im Falle weiterer Superspreader-Events müssen Clubschliessungen in Betracht gezogen werden.»

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