Paola Felix, es war Ihr Wunsch, dass wir uns hier zum Frühstück treffen, im Hotel Bad Horn, am Bodensee. Warum?
Paola Felix: Weil wir diesen See über alles geliebt haben, Kurt und ich. Ich erinnere mich noch, wie wir hier gesessen haben, den Booten auf dem Wasser nachschauten und spontan entschieden: Wir kaufen eins! Das haben wir dann auch getan. Es waren wunderbare Momente, die wir hier zusammen erleben durften.
Ihr Mann starb im Mai vor drei Jahren. Davor waren Sie über Jahrzehnte praktisch unzertrennlich. Wie leben Sie heute?
Meine Vergangenheit ist eine wunderbare. Aber ich lebe im Hier und Jetzt, immer begleitet von unvergesslichen und schönen Erinnerungen, in denen Kurt allgegenwärtig ist. Und ich freue mich auf jeden neuen Tag.
Fällt es Ihnen schwer, über Kurt Felix zu reden?
Nein, ganz im Gegenteil, schliesslich habe ich mit Kurt die schönste Zeit meines Lebens verbracht. Es kommt aber darauf an, wie tief Sie in meiner Seele stochern wollen.
Sagen Sie mir, wie weit ich gehen darf.
Wissen Sie, es gibt Zeiten und Momente zwischen Kurt und mir, über die ich nicht reden möchte, die nur uns gehören.
Dann bleiben wir ganz bei Ihnen. Wie geht es Ihnen heute?
Es geht mir gut. Ich habe eine tolle Familie. Meine Schwester wohnt gleich um die Ecke, meine Mama ist mit fast 93 Gott sei Dank immer noch «guet zwäg», ich habe zu ihnen wie auch zu meinem Bruder und zu Kurts Sohn Daniel engen Kontakt. Und ich schätze mich glücklich, einige wirklich gute Freunde zu haben. Sie alle haben mich durch die schweren Zeiten begleitet. Dafür bin ich sehr dankbar.
Mit Ihrem Mann waren Sie die halbe Zeit auf Achse, sind viel gereist ...
Ja, zum Glück durften wir über viele Jahre hinweg gemeinsam viel unternehmen. Dies konnten wir tun, weil wir uns ja schon längst aus unseren Berufen verabschiedet hatten. Das Lebensmotto von Kurt war ja immer: 25 Jahre lernen, 25 Jahre arbeiten, 25 Jahre geniessen. Im Nachhinein muss ich sagen, war dieser Plan ein Glücksfall, auch wenn wir die letzten 25 Jahre nicht ganz geschafft haben.
Und heute – reisen Sie noch?
Nicht mehr in diesem Stil. Ich lebe hier in St.Gallen und in unserem Haus am Luganersee. Ich lege Wert auf einen strukturierten Tagesablauf. Ich geniesse es, nach dem Frühstück zwei Stunden Zeitung zu lesen. Mich interessiert, was auf der Welt passiert.
Sind Sie ein politischer Mensch?
Ja, klar. Vielleicht mehr, als man allgemein annehmen könnte – meine Welt hört nicht am «Blue Bayou» auf. Ich gehe stimmen und wählen. Jetzt fragen Sie mich aber bitte nicht, wo ich parteipolitisch stehe. Das ist privat.
Mich würde interessieren, wie Sie aufgewachsen sind.
In einer harmonischen, glücklichen Familie. Mein Vater war Italiener, von Beruf Schneidermeister. Meine Mutter ist ursprünglich Toggenburgerin, hatte aber mit ihrer Familie als Auslandschweizerin in Italien gelebt.
Ihre Eltern haben sich in Italien kennengelernt?
Nein, nach dem Krieg kamen sowohl mein Vater mit einem Arbeitsvertrag in der Tasche in die Schweiz wie auch die Familie meiner Mutter wieder nach St. Gallen zurück. Und hier haben sie sich dann kennengelernt.
Wer von den beiden hat Ihnen die Leidenschaft für die Musik, das Singen vererbt?
Meine Mama – sie hatte eine tolle Stimme. Sie wäre gerne Opernsängerin geworden, aber das hätten ihre Eltern nie erlaubt. Wir haben beim Geschirrspülen zusammen italienische Opernarien gesungen. Zweistimmig. Das hat in mir die Freude am Singen geweckt.
Sie mussten nicht erst «etwas Richtiges» lernen?
Das natürlich schon, ich habe eine kaufmännische Lehre gemacht, in einem Textilunternehmen. Sie sehen, ich bin auch den Spuren meines Vaters gefolgt. Meine Passion war aber immer die Musik.
Mit 14 standen Sie das erste Mal bei einem Amateurwettbewerb in St. Gallen auf der Bühne. Wie kam es dazu?
Wir sind am Kongresshaus vorbeispaziert und hörten Musikproben. Ich liess mich sehr leicht überreden, da mitzumachen. Ich sang «Non ho l’età» von Gigliola Cinquetti.
Von da an ging es steil nach oben. Schritt für Schritt ...
Interessant, dass Sie das erwähnen. Schritt für Schritt. Ich habe tatsächlich keine Sprosse auf der Erfolgsleiter ausgelassen.
Sie eroberten die Bühnen, stürmten die Hitparaden. Sie gewannen unzählige Wettbewerbe, Auszeichnungen, Goldene Schallplatten. Es fehlt hier der Platz, um alles aufzuzählen. Welches waren die bedeutendsten Momente Ihrer grossen Karriere?
Zu den Höhepunkten zähle ich 1979 den Rekord, den ich in der ZDF-Hitparade aufstellte: Mit «Blue Bayou» war ich sieben Mal hintereinander platziert. Die Fernsehredaktoren waren gezwungen, ein neues Reglement aufzustellen, dass es in der Hitparade nur noch drei Auftritte hintereinander geben dürfe ...!
Was ist mit «Verstehen Sie Spass?»?
Ja, klar, damit haben wir als Moderatorenpaar in den 80er-Jahren Einschaltrekorde erzielt. Im Gegensatz zu all den damaligen Shows, die es heute nicht mehr gibt, freut es mich riesig, dass diese Sendeidee von Kurt in diesem Jahr das 35-Jahr-Jubiläum feiern konnte.
Mit 18 vertraten Sie die Schweiz mit «Bonjour, Bonjour» am Grand Prix Eurovision de la Chanson. Und wurden Fünfte! Können Sie sich noch erinnern, wie das damals war für Sie?
Und wie! Dieses Lied habe ich in fünf Sprachen veröffentlicht und war damit in vielen Ländern in TV-Shows zu Gast. Unvergesslich! Übrigens ist das Stickereikleid, das ich damals trug, heute im Textilmuseum St. Gallen ausgestellt. Es war ein speziell für mich designtes Akris-Modell.
Mit 40 haben Sie sich völlig überraschend aus dem Showgeschäft zurückgezogen. Warum?
Es war mir wichtig, dass ich dann von der Bühne abtrete, wenn ich in positiver Erinnerung an meine Karriere zurückdenken kann. Ich habe genug Künstlerinnen und Künstler gesehen, die den besten Moment zum Absprung verpasst haben. Und danach sehr verbittert waren.
Haben Sie den Rücktritt nie bereut?
Nein, keine Sekunde, das hatte ich mir ja zuvor auch lange und gut überlegt. Sie müssen sich vorstellen: Als ich aufhörte, war ich bereits ein Vierteljahrhundert im Showgeschäft gewesen, auf Bühnen, vor der Kamera, im Tonstudio. Dafür verzichtet man auf Feiertage, auf Wochenenden, auf Ferien. Kurt und ich wollten endlich mehr Zeit füreinander haben.
Was dachten Sie eigentlich, als Sie Kurt Felix 1968 zum ersten Mal sahen: Wow, was für ein Mann?
(Lacht) Wo denken Sie hin! Ich war doch erst 18! Ich hab gar nichts gedacht, mich nur gefreut, dass ich bei seiner Sendung «Club 68» dabei sein durfte. Alle waren sehr lieb und nett zu mir. Er natürlich auch.
Kurt Felix hat mir mal gesagt, Sie hätten ihm sofort wahnsinnig gefallen!
So, so, hat er das (lacht wieder). Richtig kennengelernt haben wir uns aber erst zehn Jahre später bei den «Teleboy»-Sendungen.
Da hat er Ihnen den berühmten Heiratsantrag gemacht?
Ja, aber den nahm ich ja nicht ernst. Wir hatten eine Panne bei den Proben zu «Teleboy». Um die Pause zu überbrücken, tranken wir einen Kaffee in der Fernsehkantine. Da hat er mir im Beisein der damaligen Fernsehansagerinnen gesagt: «Fräulein Del Medico, wir heiraten eines Tages!» Ich dachte, das sei ein Scherz mit der versteckten Kamera. Zwei Jahre später waren wir verheiratet.
Sie wirkten stets wie ein perfektes Paar. Vor und hinter der Kamera. Sie wurden in einer repräsentativen Umfrage nicht nur als beliebtestes Moderatorenpaar, sondern auch als «Traumpaar» des Jahres gewählt. Wie haben Sie das geschafft?
Das wurden wir immer und immer wieder gefragt. Die Antwort ist einfach: Wir hatten Glück.
Wie meinen Sie das?
Wir hatten einfach das Glück, dass die richtigen zwei Menschen zueinanderfanden. Die Chemie zwischen uns stimmte. Auf uns traf zu: Gleich und gleich gesellt sich gern. Wir waren seelenverwandt.
Sie waren jeden Tag, rund um die Uhr zusammen?
Das stimmt. Aber die ersten zehn Jahre unserer Ehe waren wir oft getrennt.
Warum?
Weil ich als Sängerin unterwegs war und Kurt seine Sendungen produzierte und moderierte. Zum Glück haben wir während dieser Zeit gemeinsam «Verstehen Sie Spass?» moderiert. Wir sagten jeweils, Gott sei Dank haben wir das, sonst würden wir uns ja gar nie sehen.
Morgen feiern Sie Ihren 65. Geburtstag. Mit welchen Gefühlen?
In meinem Herzen verspüre ich eine tiefe Dankbarkeit, dass ich mit Kurt die grosse Liebe erleben durfte.
Wie gehen Sie damit um, älter zu werden?
Ich heisse nicht gerade jedes neue Fältchen willkommen, das dürfen Sie mir glauben. Aber mit 65 dem Jugendwahn zu verfallen, wäre Selbstbetrug. Im Spiegel sehe ich eine Frau, die zu ihrem Alter steht ...
... und sehr attraktiv ist. Sie arbeiten seit 15 Jahren als Fotomodel.
(Lacht herzlich) Danke für das Kompliment. Ja, ich wurde mit 50 von Klingel, einem Versandhaus, das in der Schweiz Cornelia heisst, angefragt. Es war als einmaliges Projekt gedacht, jetzt sind 15 Jahre daraus geworden. Während dieser langen Zusammenarbeit ist nach und nach eine Paola-Kollektion entstanden.
Wie muss ich mir das vorstellen?
Wir setzen uns jeweils ein Jahr im Voraus zusammen, schauen uns die neuen Trends an, besprechen und bestimmen, was wir wie präsentieren wollen. Es macht mir grossen Spass. Ich bekomme viele Reaktionen von Frauen, denen der Stil gefällt. Die froh sind, dass wir Mode machen für sie ...
... und nicht für Hungermodels.
Sie sagen es.
Sagen Sie mir zum Schluss, Frau Felix, sind Sie ein glücklicher Mensch?
Ich bin ein glücklicher Mensch, weil ich mit schönen Erinnerungen leben darf. Wenn man im Leben so viel Glück gehabt hat, wie ich es haben durfte, wäre es fast unverschämt, diese Frage nicht mit Ja zu beantworten.