Wie wird man zum erfolgreichen Unternehmer, Herr Fluri?
Guido Fluri: Einfach war es nicht. Als Tankwart-Lehrling habe ich einst Autofenster geputzt und Benzin aufgefüllt. Und ich war sehr sparsam. Aus Trinkgeldern sparte ich mir 5000 Franken zusammen. Damit – und mit Hilfe einer Bank – habe ich mit 20 Jahren ein Grundstück gekauft. Als Sicherheit diente das Grundstück, nicht meine Person. Darauf baute ich mein erstes Haus und habe es gewinnbringend verkauft.
Wie gross ist Ihr Vermögen?
Das kommt auf die Bewertung an. Die Revisionsgesellschaft bestätigt für die Holding stille Reserven im dreistelligen Millionenbereich – so viel kann ich sagen. Ein Teil der Gewinne geht wieder zurück in meine Stiftung.
Bekannt wurden Sie mit der Wiedergutmachungs-Initiative für Verdingkinder. Hatten Sie mit Betroffenen persönlichen Kontakt?
Ja, es war mir ein Anliegen, Menschen, denen dieses schwere Schicksal widerfahren ist, kennenzulernen. Gestandene Männer sassen hier in meinem Büro, weinten und wollten am liebsten gar nicht über das Geschehene reden. Sie waren ihr Leben lang verzweifelt, dass ihnen nicht geglaubt wird. Einige wollen jetzt nicht beim Staat anklopfen und um Geld bitten. Zurzeit reise ich von einem Altersheim zum andern und ermutige Betroffene, den ihnen zustehenden Anerkennungsbeitrag für das erlittene Unrecht abzuholen.
Und was ist mit all denen, die Sie nicht finden?
Wir haben einen Leitfaden für die Aktensuche kreiert, der unter anderem in Altersheimen aufliegt. Noch haben längst nicht alle Verdingkinder, die dazu berechtigt sind, einen Antrag gestellt. Sicher, kein Geld kann das Leid ungeschehen machen, aber die Betroffenen sollen einen Solidaritätsbeitrag als Anerkennung für ihr Leid bekommen.
Hat sich Ihr Einsatz gelohnt?
Die letzten Jahre waren sehr intensiv, aber es hat sich gelohnt. Ich habe persönlich mit sehr vielen Parlamentariern gesprochen. Viele wollten sich anfänglich gar nicht auf ein Gespräch einlassen, da es um mehrere 100 Millionen Franken ging. Es ist eben eine emotionale Diskussion, nicht einfach eine politische Auseinandersetzung.
Jetzt wären Sie gerüstet für eine politische Laufbahn.
Die Frage ist, ob ich mich besser als Privatmann mit meiner Stiftung oder als Parlamentarier für die Bedürfnisse der Menschen einsetzen kann.
Wofür zum Beispiel?
Die Stiftung Kescha haben wir zum Schutz von Kindern und Erwachsenen gegründet. Sie soll eine unabhängige Anlaufstelle für all jene sein, die bei Massnahmen der Kesb nicht mehr weiterwissen und Beratung brauchen. Über 1000 Menschen haben sich bereits an die Kescha gewandt.
Privat lief es für Sie weniger geradlinig. Sie sind Vater von drei Kindern, seit kurzem geschieden und neu verliebt.
Ja, ich bin ein Familienmensch, bei dem es auch private Baustellen gibt. Eine Scheidung war in meiner Lebensplanung überhaupt nicht vorgesehen, und doch ist es passiert. Ich nehme mir viel Zeit für die Kinder. Mein Sohn ist 15, die Mädchen sind 13 und 10 Jahre alt und leben in geteilter Obhut bei der Mutter und bei mir. Jeden Mittwochnachmittag nehme ich mir frei. Und ich bin seit 14 Monaten sehr glücklich mit meiner neuen Partnerin Tânia Simão (40).
Ist eine Heirat geplant?
Warum nicht? Aber im Moment ist es kein Thema.
Ihre Mutter erkrankte kurz nach Ihrer Geburt an Schizophrenie. Wie geht es ihr?
Den Umständen entsprechend gut. Sie wohnt in einer meiner Liegenschaften ganz in der Nähe. Sie wird bestens betreut. Fast täglich besucht sie mich im Büro.
Hatten Sie immer Kontakt?
Nein, das Verhältnis zur Mutter war nicht immer so entspannt. Als Jugendlicher habe ich mich für ihre Krankheit geschämt. Es war ein langer Prozess . Noch immer wird Schizophrenie in der Schweiz stigmatisiert. Viele Betroffene machen einen ganz normalen Job, sind oft hochintelligent.
Wie haben Sie sich gefunden?
Als ich etwa 20 Jahre alt war, habe ich den Kontakt zu ihr gesucht und realisiert, dass ich ihr helfen muss.
Ihre Stiftung hilft Schizophrenie-Kranken und betroffenen Familienmitgliedern.
Ja, das Umfeld fühlt sich oft brüskiert, will nichts mehr mit den Betroffenen zu tun haben. Ich sehe das bei meiner Mutter: Sie hat oft grosse Ängste, Halluzinationen. Ich musste lernen, damit umzugehen.
Sie litten an einem Hirntumor, nun ist auch diese Krankheit Thema Ihrer Stiftung. Warum?
Ich musste gravierende Informationsmissstände entdecken. Wir haben in der Schweiz bei seltenen Krankheiten oft nur wenige Daten über die Fallzahlen und die Ergebnisse der Behandlungen. Es braucht mehr Transparenz in der Medizin.
Auch hier reden Sie persönlich mit Betroffenen.
Ich begleite sie und ihre Familien mit Gesprächen und Ratschlägen, von der Diagnose bis zur Heilung – oder bis zum Tod. Ich habe gelernt, dass ernst gemeinte Worte in solchen Momenten eine unglaubliche Kraft haben.
Vor fünf Jahren kauften Sie die Miss-Schweiz-Wahl. Anfang Jahr verkauften Sie sie wieder. War das ein Flop?
Nein, ich sehe mein Miss-Schweiz-Engagement absolut nicht als gescheitert. Einerseits gäbe es diesen traditionsreichen Event ohne meine Intervention nicht mehr, andererseits haben wir rund 400’000 Franken für medizinische Operationen gesammelt. Es war einfach so, dass sich die Schere zwischen meinen Stiftungsprojekten und der Miss-Schweiz-Organisation immer mehr öffnete. Bei jedem Interview kam die Frage nach meinem Miss-Schweiz-Engagement. Das passte irgendwie nicht.
Wie sehen Sie die Zukunft der Miss-Schweiz-Wahl?
Ob die Wahl noch zeitgemäss ist, kann ich nicht beurteilen. Aber meine Vorstellung, dass sich eine Miss Schweiz für gute Zwecke einsetzen soll, statt nur zu lächeln, war wohl nicht mehrheitsfähig. Unter meiner Leitung war eine Miss Archäologin, die andere ist angehende Kinderärztin. Früher wurden die Ex-Missen Moderatorinnen oder Schauspielerinnen. Ich habe nichts dagegen, aber ich wollte etwas anderes, etwas mit Stil.
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