Nik Hartmanns Botschaft ist simpel, aber sie geht ans Herz: «Ein Leben mit Handicap ist schön.» Der Fernseh- und Radiomoderator hat drei Kinder – Frederik, Constantin – und eben Melchior. Der bald sechsjährige «Melk» hat Cerebralparese, wobei Hartmann bewusst die Formulierung «Cerebralparese haben» wählt, denn: «leiden stimmt sicher nicht.»
In der «Weltwoche» beschreibt Hartmann, was Melchior für ihn und die Familie bedeutet. «Vater eines behinderten Kindes zu sein, tut nicht weh. Zu spüren, dass mein Sohn gerne lebt, macht jeden Tag lebenswert. Für alle.»
Tränen in den Augen
Als «Endpunkt und Anfang zugleich» bezeichnet Hartmann den Moment, als der Neuropädiater im Spital den fünfmonatigen Melchior im Arm gehalten und verkündet hatte, dass das Kind cerebral behindert sei – also stark geistig in der Entwicklung verlangsamt: «Meine Frau und ich hatten Tränen in den Augen und nur Fragen.»
In der Folge habe er sich ans Internet geklammert und einen befreundeten Kinderarzt. Verstanden habe er wenig. Ausser dass die Behinderung genetisch sein musste: «Ein Fehler in der Bauanleitung des Hirns.»
Für seine Leser hat Hartmann einen dieser Texte nochmals herausgesucht. Man ahnt, wie wenig hilfreich die Zeilen für die Eltern waren: «Bei den Patienten bestehen unterschiedliche Dysmorphien, aber allen gemeinsam sind hohe, breite Stirn, ausgeprägte Augenbrauen, antevertiertes Nares, kurzes und prominentes Philtrum, abwärts gerichtete Mundwinkel und kleines Kinn [...].»
«Melchior ist nicht krank»
Die wissenschaftliche Beschreibung habe ihm damals schon nicht viel gesagt und heute noch viel weniger, schreibt Hartmann und vergleicht die Situation mit der eines Fieberkranken, der gemäss Internetrecherche gleich an einer tödlichen Krankheit leidet.
Trotz aller offenen Fragen hätten er und seine Frau Carla eines schnell verstanden: «Melchior ist nicht krank. All seine Funktionen, die er zum Überleben braucht, sind da. Und was er nicht selber kann und vielleicht auch nie lernen wird, können wir für ihn tun.»
Wem das ein wenig nach Schönreden töne, der habe möglicherweise recht, schreibt Hartmann: «Aber das braucht es: Einander Mut zuzusprechen, denn uns fehlt es an nichts.» Vielleicht seien solche Kinder in Zukunft nicht mehr erwünscht, weil sie verhindern, dass man das geplante Leben so weiterlebt, wie angedacht.»
Mit «nicht angedacht» meint Hartmann etwa, dass Melchior wie aus dem Nichts den ganzen bereits getrunkenen Schoppeninhalt übers Bett erbricht und die Eltern keine gesprochenen Antworten bekommen und sich sorgen.
Melchior liebt Klaviermusik und Knuddeln
Dass das Leben mit Melchior – trotz überraschender Ausgangslage – Sinn macht, spricht aus jeder Zeile. Beispielweise wenn Hartmann aufzählt, was dem fast Sechsjährigen besondere Freude mache: «Er liebt Klaviermusik und seinen Mittagsbrei. Er liebt es, gekitzelt zu werden. Er geniesst die Stunden mit meinen Eltern, sein frühmorgendliches Bad in der Wanne und das Knuddeln der Schwiegereltern, die den 25 Kilo schweren Bub genauso rumtragen, wie alle unsere lieben Unterstützer.»
Die Familie bekomme Unterstützung, hält Hartmann dankbar fest und mahnt gleichzeitig, dass es viele Eltern gebe, die auf sich gestellt seien: «Jemanden fragen, ob er einem hilft, ist nicht einfach. Auf jemanden zuzugehen und fragen, ob er Hilfe benötigt, ist da schon viel einfacher.»
«Melchior ist Melchior. Keiner ist wie er. Und er ist glücklich», schliesst Harmann: «Ihm fehlt vielleicht ein Mikro My an Erbinformation, aber es fehlt ihm bei uns an nichts. Schön gibt es Melchior und all seine Kollegen in der Schule.»