Noch dreht der Zirkus in seinem Kopf weiter: Eine Woche ist seit der Knie-Derniere vergangen. «Am Tag danach habe ich erst einmal nur geschlafen», sagt Mike Müller (56), der zusammen mit Viktor Giacobbo (67) auf der Jubiläumstournee als Stargast das Publikum entzückte. «Danach haben wir zum letzten Mal die Schuhe geputzt und die Kostüme weggeräumt.» Und Platz für Neues gemacht.
Denn das nächste Highlight steht bereits bevor. Müller verkörpert im Spielfilm «Moskau einfach!» einen Polizeibeamten während der Zeit des Fichenskandals vor 30 Jahren. Um Informationen über vermeintlich linke Theatermitarbeiter zu sammeln, schleust er seinen Untergebenen, dargestellt von Philippe Graber (43), ins Zürcher Schauspielhaus ein.
Dreharbeiten während Knie-Zeit
Der Film läuft Mitte Februar 2020 an, zuvor ist er am 22. Januar Eröffnungsbeitrag an den 55. Solothurner Filmtagen. «Gedreht haben wir während der Knie-Zeit», sagt Müller. Das sei eine echte Herausforderung gewesen.
Für «Moskau einfach!» arbeitete Müller zum ersten Mal mit Regisseur Micha Lewinsky (46, «Die Standesbeamtin») zusammen. «Den Wunsch hegte ich schon lange. Deshalb hat mich auch seine Anfrage besonders gefreut», sagt Müller. «Und das Drehbuch entsprach ebenfalls meinen Vorstellungen.
Er sei leicht enttäuscht gewesen, dass es keine Fiche über ihn gab
Der Fichenskandal ist für den Oltner kein Neuland – er selber hat ihn in seinem Programm «Truppenbesuch» behandelt. «Ein hochspannendes, genuines Schweizer Thema. Die Aufdeckung brachte den Staat 1989 nahe an den Kollaps. In Zeiten von Facebook wäre eine solche Bespitzelung heute natürlich obsolet.»
Müller erlebte die dramatische Zeit mit der Parlamentarischen Untersuchungskommission unter dem späteren Bundesrat Moritz Leuenberger (73) als «bereits politisierter junger Mann», sagt er. «Natürlich habe ich meine Fiche auch angefordert. Doch es gab keine, und ich war leicht enttäuscht. Trotz meiner UdSSR-Reise in den frühen 80er-Jahren hatte ich keinen Eintrag.»
Die Spitzelmentalität schockiert ihn
Die Dreharbeiten brachten Müller ins Grübeln. «Dieses grauenhafte Staatsverständnis und die Spitzelmentalität, welche da zum Vorschein kamen, sind entsetzlich und bergen einen faschistoiden Ansatz», sagt er. «Und das Schlimmste: Noch heute gibt es politische Bewegungen, die solche Umtriebe gutheissen würden.» Dass der Film nun wie ein Jubiläumsbeitrag wirkt, war nicht geplant. «Aus finanzieller Sicht hatten wir Glück, ihn gerade jetzt realisieren zu können. Auch zwei oder drei Jahre später hätte er nichts von seiner Aktualität verloren.»
Müller selber denkt bereits über «Moskau einfach!» hinaus. Er arbeitet an zwei Theaterprojekten. Nach dem Knie-Engagement freut er sich aber erst mal darüber, kein derart fixes Arrangement zu haben. «Es ist schön, auch mal nichts wirklich zu müssen.»