Seit der Trennung von Rumpelstilz im Jahr 1978 sind die gemeinsamen Auftritte der Schweizer Mundartrock-Legenden Polo Hofer (66) und Hanery Amman (58) rar geworden. Zur Stadioneröffnung der Arena Thun am nächsten Samstag raufen sie sich nun noch einmal zusammen. SonntagsBlick hat die einst zerstrittenen Musiker zuvor in ihrer alten Stammbeiz Goldener Anker in Interlaken BE an einen Tisch gesetzt.
Was reizt Sie daran, noch einmal zusammen aufzutreten?
Polo Hofer: Für mich ist es ein Blick in den Rückspiegel, den ich gerne mache. Es ist ein schönes Gefühl gemeinsam unsere grossen Hits wie «Alperose», «Teddybär» oder «Nadisna» zu spielen – und in alten Zeiten zu schwelgen. Als wäre es gestern gewesen. Ich bin immer wieder erstaunt, wie gut man sich noch erinnern kann.
Auch an die Texte?
Hanery kann seine Texte immer perfekt. Ich brauche ab und zu einen Spickzettel – wie früher in der Schule. Aber Hauptsache, ich treffe den Ton und Hanery die Tasten.
Hanery Amman: Ach komm, sei doch ehrlich! Wir schauen doch immer noch lieber den Frauen nach, als Musik zu machen. Ich sogar noch mehr als früher. Meine Ohren sind nicht mehr so gut, da konzentriere ich mich halt mehr auf die Augen (lacht).
Hofer: Ja, aber für uns heisst es bei den Frauen heutzutage: «Regarder, mais pas toucher!» – «Schauen, aber nicht anfassen!»
Wer hat während der wilden Rumpelstilz-Zeiten mehr Groupies abgekriegt?
Amman: Ganz klar der Polo. Er ist der Sänger, die räumen immer am meisten Frauen ab. Aber ich muss zugeben, wir waren beide nicht schlecht.
Hofer: Ich hatte vielleicht mehr Groupies, er dafür die schöneren!
Amman: Da kommt mir grad ein Witz in den Sinn: Was ist ein Musiker ohne Freundin? – Ein Obdachloser.
Hofer: Genau. Wir haben früher kaum etwas verdient. Da waren wir froh, wenn die Freundinnen arbeiten gingen, um die Miete und das Essen zu bezahlen.
Wie lange kennen Sie sich eigentlich schon?
Hofer: Seit Ewigkeiten! Wir sind im selben Haus aufgewachsen. Meine Eltern waren Trauzeugen bei der Hochzeit der Ammans. Und ich habe Klein Hanery sogar im Kinderwagen umhergestossen.
Weshalb kam es zum Streit?
Amman: Meist wegen Dingen, die eigentlich nichts mit der Musik zu tun hatten, aber Teil des Geschäfts waren. Finanzielle Differenzen beispielsweise. Und Polo ist ein Provocateur professionnel. Man schafft es nicht immer, seine freche «Schnurre» mit Humor zu nehmen.
Mittlerweile hatten Sie beide auch schon mal mit schweren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Hanery Amman litt an Lungenkrebs, Polo Hofer lag 2006 wegen einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse zehn Tage lang im künstlichen Koma. Wie geht es Ihnen heute?
Amman: Alle sagen, ich sehe gesünder aus als früher, als ich noch gesund war. Doch das täuscht. Ich habe schwer mit den Nachwirkungen meiner Lungenkrebs-Erkrankung zu kämpfen. Ich bekomme fast keine Luft mehr. Kaum steige ich zwei kurze Treppen hoch, schon ist meine Lunge am Arsch.
Die Nachwirkungen des harten Rockerlebens?
Amman: Klar, habe ich viel geraucht. Doch eigentlich war ich immer ein fittes Kerlchen. Und ich habe wohl seriöser gelebt, als die meisten in meinem Beruf.
Hofer: Ich kenne Hanery seit über 50 Jahren und habe ihn kein einziges Mal richtig betrunken gesehen.
Amman: Ja, exzessiv getrunken habe ich nie. Drogen habe ich ausprobiert. Aber auch nicht übertrieben.
Hofer: Hanery ist der nüchternste Musiker, den ich je getroffen habe.
Das kann man von Ihnen nicht immer behaupten.
Hofer: Wenn ich daran denke, wie froh ich früher jeweils war, dass es Wände gibt, wo man sich anlehnen kann, wenn es zu fest dreht.
Amman: Da fällt mir wieder ein Witz ein: Zwei Mücken schwirren umher. Dann sagt die eine: «Da unten ist Polo Hofer, komm wir gehen ihn stechen.» Darauf die andere: «Nein das geht nicht. Ich muss doch noch heimfliegen.»
Stört Sie dieser Ruf?
Hofer: Ich habe nun mal dieses Image von dem, der sich verbraucht. Doch das stört mich nicht. Keith Richards ist mein Vorbild. Ich habe gerade seine Biografie gelesen. Köstlich! Darin schreibt er, ihm könne eigentlich nichts etwas anhaben. Er müsse aber auch zugeben, dass er immer guten Stoff hatte. Und genau deshalb trinke ich keinen billigen Wein.
Was sagen die Ärzte zu Ihrem anhaltenden Alkoholkonsum?
«Herr Hofer, Alkohol nur noch am Samstag und Sonntag!» Dann antworte ich: «Jaja, ich probiere es.»
Nehmen Sie die Warnungen der Mediziner nicht ernst?
Ich habe mittlerweile drei Ärzte: einen fürs Herz, einen für die Stimme und einen allgemeinen Hausarzt. Alle drei sagen dasselbe: «Hören Sie auf, exzessiv zu trinken. Geben Sie das Rauchen auf und bewegen Sie sich mehr.» Sie wollen, dass man lange lebt. Denn dann verdienen Sie auch lange an dir. Ich ignoriere ihre Ratschläge. Denn es ist nicht mein Ziel, 87 Jahre alt zu werden. Ich rechne nicht damit, in zehn Jahren noch zu leben.
Das tönt ja fast schon nach Todessehnsucht.
Keineswegs. Doch mir widerstrebt dieser Gesundheitsfanatismus, dieser moderne Drang nach ewigem Leben um jeden Preis. Die paar Jährchen, die mir noch bleiben, will ich voll geniessen!
Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?
Hofer: Nein. Ich glaube an gar nichts. Ich lasse den Tod auf mich zukommen. Meine Frau hat ein Sargatelier, da war ich sogar schon Probe liegen.
Amman: Wenn du an meine Beerdigung kommst, komme ich auch an deine, versprochen (lacht).
Welche Träume haben Sie noch?
Amman: Bis zum Schluss Musik machen zu können. Mehr nicht.
Hofer: Ich habe drei Träume: 1. Ich möchte einen Rembrandt fälschen. 2. Ich möchte ein Beziehungsbuch schreiben. 3. Ich möchte morgen früh wieder aufwachen.