Eine leere Plastikkanne, Schaumgummi, Altpapier, ein bisschen Kabelsalat und schon ist man Mummenschanz! Floriana Frassetto (68) begeistert nicht nur auf der Bühne, sondern lässt auch einen Blick hinter die Kulissen zu – sie lädt zum Masken-Workshop in ihrem Haus und Atelier in Altstätten SG. «Viel braucht es nicht, es geht darum, den Geist eines unschuldigen Kindes in sich wachzurufen», erklärt sie.
Auf dieses Spiel liessen sich diese Woche die Kaderleute von der Gemeindeverwaltung Widnau SG ein. Es wird eifrig geschnipselt und geklebt, eine geschäftige Stille macht sich breit. «Man meint immer, dass Büroleute keine Fantasie haben, aber das stimmt überhaupt nicht», so Frassetto. «Aus der Kreativität entsteht ein Moment der Freiheit. Es ist die Gelegenheit, eine Auszeit für Kopf und Herz aus dem Alltag zu nehmen.»
Weltweit unterwegs
Für Frassetto ist die Nähe zum Publikum wichtig: Wenn sie am New Yorker Broadway auf der Bühne steht, werden Zuschauer nach oben gebeten. Dort dürfen sie Frassettos Maske aus beweglichen Pailletten eine Form geben. Seit bald fünf Jahrzehnten ist die Künstlerin mit dem berühmten Schweizer Maskentheater unterwegs, dieses Jahr in Hongkong und Taiwan, ab Oktober ist sie mit «You & me» in der Schweiz, zwischendurch gehts an den Broadway. Wieso gibt ein Weltstar wie sie überhaupt Workshops?
Frassetto lacht herzlich: «Ein Weltstar? So nehme ich mich nicht wahr. Reich bin ich auch nicht, schliesslich arbeite ich noch immer!» Sie freut sich aber, wenn Leute sie auf der Strasse erkennen und ansprechen. «Das ist für mich die schönste Anerkennung.» An Ruhestand denkt Frassetto vorläufig nicht, sie führt Mummenschanz mit jungen Künstlern weiter. Und sie möchte beim bevorstehenden 50-Jahr-Jubiläum aktiv dabei sein. Schliesslich ist sie die letzte des berühmten Trios, das 1972 zusammengefunden hat und das Maskentheater bis heute prägt. Andres Bossard (†47) verstarb 1992, Bernie Schürch (75) zog sich vor sieben Jahren zurück und lebt im Tessin.
Tochter als wichtigste Kritikerin
«Natürlich vermisse ich sie beide, Bernie hatte zwei rechte Hände, was immer er anfasste, es wurde zu Kunst. Wir haben uns wunderbar gestritten und geliebt und unvergessliche Momente zusammen erlebt!» Frassetto strahlt, die wachen Augen scheinen für ein paar Momente in eine andere Welt zu wandern, dann ist die Mimin wieder ganz da: «Aber alles hat seine Zeit, und das ist auch gut so.» Austausch ist für sie essenziell, heute ist Tochter Melanya Velazquez (30) ihre wichtigste Kritikerin. Sie lebt in der Nähe, in die Fussstapfen ihrer Mutter wollte sie aber nicht treten. «Die Bühne ist nichts für mich. Aber beim Masken-Workshop bin ich gerne dabei. Auch um dieses Wissen später weitergeben zu können», so Velazquez.
Entstanden ist die Idee dazu während der Expo.02 und längst bietet Frassetto das ganz persönliche Mummenschanz-Erlebnis nicht nur in der Schweiz, sondern überall auf der Welt an, von Brasilien über New York bis Hongkong. Sind die Masken fertig, wird ein gemeinsames Stück inszeniert. Dabei kommen die verschiedensten Facetten der Teilnehmer hervor. «Eine Maske ist kein Versteck, sondern das Gegenteil. Die Maske des Alltags fällt, man zeigt sich nackt und verletzlich», sagt sie. «Der Körper spricht und das Innere kehrt sich nach aussen. Das ist die Seele von Mummenschanz.»
Mummenschanz ist mit «You & me» ab 5. Oktober in der Schweiz