Während sich die internationale Wirtschafts- und Politelite jeweils in Davos trifft, ist Solothurn Ende Januar das kulturelle Zentrum des Landes. Bundesrat und Kulturminister Alain Berset (47) eröffnete gestern die 55. Filmtage, erstmals an einem Mittwoch. Berset sieht durchaus Parallelen: «Davos wie Solothurn zeigen, dass reale Begegnungen und Diskussionen auch im digitalen Zeitalter nichts von ihrer Wichtigkeit eingebüsst haben.»
900'000 Fichen angelegt
Zur Eröffnung gabs die Premiere von Micha Lewinskys (47) Spielfilm «Moskau einfach!». Das Werk holt den Fichenskandal ins Rampenlicht zurück, welcher vor 30 Jahren unser Land nachhaltig erschütterte. Eine parlamentarische Untersuchungskommission unter dem Vorsitz des damaligen Nationalrats Moritz Leuenberger (73) brachte 1989 ans Licht, dass die Bundesbehörden im Verlauf der Jahre über 900'000 Fichen über vermeintliche Staatsfeinde angelegt und Bürger systematisch ausspioniert hatten.
«Eine eigene Fiche war wie ein Ritterschlag»
Regisseur Lewinsky – damals 17 – findet es noch heute erstaunlich, dass dass Thema erst durch ihn als Spielfilm aufgearbeitet wurde: «Eine eigene Fiche zu haben, war wie ein Ritterschlag für einen braven Teenager wie mich.» Ein harmloser Brief an die sowjetische Botschaft für einen Schulvortrag bescherte ihm seinen Akteneintrag.
Der Spitzel verliebt sich in den schönen Jungstar
Zum Film: Ein fiktiver Spitzel namens Viktor Schuler, gespielt von Philippe Graber (44), wird im Film undercover ins Schauspielhaus Zürich eingeschleust, wo seine Vorgesetzten in der Theaterszene kommunistische Umtriebe vermuten. Doch Schuler verliebt sich in den Jungstar Odile Lehmann (Miriam Stein, 31) und beginnt an seinem Auftrag und seiner ganzen Lebenseinstellung zu zweifeln. Doch wer eine staubige Geschichtslektion erwartete, sah sich zu seinem Vorteil und Vergnügen getäuscht: «Moskau einfach!» ist ein komödiantisches Plädoyer für das Leben und die Liebe.
Erstmals empfing gestern die gebürtige Grenchnerin Anita Hugi (44) als neue Filmtage-Direktorin die 900 geladenen Gäste in der Solothurner Reithalle, darunter Bundesrat Alain Berset (47), der die Festansprache hielt. «Ich war jung genug, um keine Fiche zu haben, davon gehe ich aus», sagte er betreffend den im Eröffnungsfilm thematisierten Skandal von 1989.
Erstmals empfing gestern die gebürtige Grenchnerin Anita Hugi (44) als neue Filmtage-Direktorin die 900 geladenen Gäste in der Solothurner Reithalle, darunter Bundesrat Alain Berset (47), der die Festansprache hielt. «Ich war jung genug, um keine Fiche zu haben, davon gehe ich aus», sagte er betreffend den im Eröffnungsfilm thematisierten Skandal von 1989.
«Auch heute ein fahrlässiger Umgang mit Daten»
Bundesrat Berset betonte in seinem Statement vor Filmbeginn, dass der Schutz der Privatsphäre niemals hoch genug gewichtet werden könne. «Wir gehen auch heute teilweise zu fahrlässig mit unseren Daten um, gerade was die Informationen über die eigene Gesundheit angeht. Das hat auch mit unserem Umgang mit der Digitalisierung zu tun.» Man müsse sich bewusst sein, dass alles Publizierte irgendwo zugänglich bleibe. «Das war früher anders: Wenn wir als Kinder irgendetwas anstellten, gab es keine Fotos davon und ging vergessen.» Seinen Kindern rate er, «nichts auf Social Media zu veröffentlichen, was man nicht auch drucken und im Schulzimmer aufhängen könnte.» Die Filmtage laufen bis zum 29. Januar, «Moskau einfach» startet am 13. Februar in den Schweizer Kinos.