Model Verena Burgener litt an Magersucht
«Ich wog nur noch 37 Kilo»

Sie überlebte ihre Essstörung nur knapp. Jetzt nimmt Verena Burgener an einer Miss-Wahl teil, weil sie Mut machen will.
Publiziert: 29.03.2015 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 05.10.2018 um 20:47 Uhr
1/5
Die 1,68 Meter grosse Walliserin Verena Burgener ist endlich glücklich mit ihrem Körper.
Foto: Peter Gerber
Von Dominik Hug

Die Wende kommt im März 2010: «Ich lag auf dem Bett, zitternd, schwitzend und spürte nur noch schwach meinen Herzschlag», sagt Verena Burgener (22). Ihre Mutter Patricia (54) sitzt neben ihr auf dem Bett, fühlt ihr den Puls und versucht, der Tochter Zuckerwasser einzuflössen. «Sie sagte zu mir: Wenn du jetzt gehen willst, können wir nichts mehr machen.» Immer wieder döst Verena weg, sieht Bilder ihres Lebens vorbeiziehen, atmet nur noch ganz langsam. Dennoch schafft sie es irgendwie, am Löffel mit Zuckerwasser zu nippen.

«Es war der Teifpunkt!»

Fünf Jahre später sitzt sie am Burgäschisee im Kanton Solothurn: eine schöne junge Frau mit blonden Haaren. «Jener Moment war der absolute Tiefpunkt», erinnert sie sich. «Ich wog nur noch 36,9 Kilogramm. Ich wäre fast gestorben.»

Verena Burgener ist eine von zwölf Kandidatinnen der Miss-Earth-Wahl 2015. Sie macht mit, weil sie einerseits froh ist, überhaupt noch am Leben zu sein und: «Weil ich anderen Mädchen und Frauen Mut machen will, dass es ein Leben nach der Magersucht gibt.»

«Das Gefühl, ich sei dicker als alle anderen»

Das Drama begann im Sommer 2009, Verena war in der dritten Sek, sie sei, sagt sie, ein normaler Teenager gewesen mit vielen Freundinnen. «Doch ich hatte immer das Gefühl, ich sei dicker als alle anderen.» Die Schönheitsideale der Popkultur hätten sie zusätzlich angestachelt. «Je dünner, desto schöner und begehrter», so Verena. «Plötzlich steckte ich in diesem Teufelskreis.» Sie ass täglich nur noch ein halbes Joghurt oder einen Esslöffel Haferflocken. Sie zählte jede Kalorie, die sie zu sich nahm, und jedes Gramm, das sie verlor.

Die Eltern spürten, dass mit ihrer Tochter etwas nicht stimmte. Verena war oft müde, ging kaum aus, verkroch sich vor dem Computer in ihrem Zimmer und chattete mit anderen Frauen, die es satt hatten zu essen. Als die Mutter ihr beim Znacht einen vollen Teller vorsetzte, begann sie zu zittern. «Es gab oft Tränen in der Familie», sagt sie.

Verena verlor 18 Kilo in acht Monaten

In acht Monaten verlor Verena 18 Kilo. Die Hotel- und Gastronomieschule brach sie ab, wurde psychologisch betreut, mehrmals musste sie ambulant behandelt werden. «Alles half nichts», sagt sie. Schliesslich sahen die Eltern nur noch einen Ausweg: Sie schickten ihre Tochter zu den Grosseltern nach Deutschland. Dort, so Verena, geschah «das Wunder»: «Ich päppelte mich langsam wieder auf.» Der Tapetenwechsel und das Alleinsein retteten ihr das Leben: «In der Ferne erkannte ich, wie viel Leid ich meinen Liebsten verursachte.»

Sie sei bis heute nicht ganz genesen, gesteht Verena. Aber sie habe ihre Krankheit in den Griff bekommen. Auf der Waage steht sie nur noch selten. Ihr Gewicht? «So 54 Kilo, schätze ich.» Verena Burgener arbeitet heute bei den SBB und ist glücklich liiert. Sie schaut, dass sie sechsmal täglich isst, «ich liebe Fleisch!» Ende April wird sie Fitnessinstruktorin. «Jeder strebt danach, perfekt zu sein», sagt sie. «Aber niemand ist perfekt. Wichtiger ist, gesund und glücklich zu sein.»

Fehler gefunden? Jetzt melden