Wie begrüsst man jemanden, dem die rechte Hand fehlt? «Ich gebe gerne meine linke, weil ich in ihr Gefühl habe. Viele wollen aber, dass ich ihnen die bionische Hightech-Hand gebe, das finden sie cool», sagt Michel Fornasier (40), der mit Dysmelie zur Welt kam. Er schaut auf eine behütete Kindheit zurück mit Eltern, die ihn genauso behandelten wie seinen drei Jahre jüngeren Bruder, der mit beiden Händen zur Welt kam. Dass der Bub aus Freiburg anders ist als die anderen, hat er erst im Kindergarten richtig realisiert. «Als ich sah, wie meine Gschpändli mit zehn Fingern Dinge anpacken, was bei mir nicht ging.» Mit sieben Jahren bekam er eine Prothese. «Sie war schwer, roch nach Plastik und sah seltsam aus», erinnert er sich.
Fornasier bastelte sich eine Gipshand
Als Teenie verliebte sich Michel in Julia aus dem Nachbarsdorf, schämte sich aber für seine fehlende Hand. «Bevor ich sie traf, habe ich mir eine Gipshand gebastelt und ihr gesagt, ich hätte mir beim Skateboarden die Hand gebrochen.» Nach Wochen sagte er ihr die Wahrheit. «Sie hat super reagiert und mir gesagt, ob ich nur eine Hand oder drei Augen hätte, wäre ihr egal.» Michel ging aus und begrüsste alle mit seiner linken Hand. «Ständig wurde ich gefragt, weshalb ich nicht die richtige gebe, doch was ist schon die richtige Hand», sinniert der Ex-Finanzfachmann, den die Fragen genervt und verletzt hätten.
Aus Schüchternheit zog er sich zurück
In der Folge zog er sich zurück und versteckte Jahrelang seine fehlende Hand. «Die Jacke darüber, den Stumpf in der Hosentasche. Ausser meiner Familie und alten Schulkollegen, wusste es niemand.» Er nahm dies auf sich, weil er schüchtern war. «Ich wollte keine Aufmerksamkeit und schon gar nicht im Mittelpunkt stehen.»
Er setzt sich ein für Kinderprothesen aus dem 3-D-Drucker für 500 Franken
Vor vier Jahren outete er sich, wie er es bezeichnet. «Ich habe auf Facebook ein Kinderfoto von mir gepostet und geschrieben, dass ich ohne rechte Hand zur Welt kam. Die Reaktionen waren überwältigend», so Fornasier, der 2016 die Stiftung Give Children a Hand ins Leben rief. Er setzt sich für Kinderprothesen aus dem 3-D-Ducker für 500 Franken ein. «Heute sind wir so weit, dass sie in einem Geschäft über Nacht gedruckt werden können.» Für Mädchen in Pink und mit Glitzer, Jungs hätten gerne eine Lego- oder Spidermanhand, mit der sie greifen können.
Seine Hightech-Hand kann Popcorn picken
«Die Zeit des Versteckens ist vorbei, was ich sehr schätze», so Fornasier, der kürzlich von Eltern kontaktiert wurde, die in Bern einen Jungen ohne linke Hand bekamen. Er selbst hat eine bionische Hand mit sieben Motoren, vielen Drähten und 25 verschiedenen Bewegungsmöglichkeiten. «Drei kann ich aufs Mal per Smartphone laden. Fürs Kino zum Popcornpicken, zum Velofahren oder um am Computer zu schreiben.» Zwei Elektroden liegen auf seinem Armstumpf. Mittels Handgelenkbewegung werden diese simuliert und lösen die Bewegung aus.
Fornasiers Hand kostet 55'000 Franken
Seine Zauberhand, wie sie Kinder nennen, kostet gegen 55'000 Franken und wird von der IV übernommen. «Sie haben festgestellt, dass ich primär links belaste. Therapien für Spätfolgen wie Rückenschmerzen würden mehr kosten.» Oft habe er sich gefragt, weshalb er ohne Hand zur Welt kam, eine Antwort fand er nicht. «Oft nennt man uns eine Laune der Natur. Heute sage ich, es ist, wie es ist.»
Komiker Jonny Fischer lief am Zürich Marathon für seine Stiftung
Umso mehr hat er seine Bestimmung gefunden, Kinderprothesen für alle möglich zu machen. Um darauf aufmerksam zu machen, rannte er gestern am «Zürich Marathon» mit dem Komiker Jonny Fischer (38) und seiner Verlobten Martina Simonet (27) mit, mit der er sich eine Familie wünscht. Macht er sich Gedanken, dass sein Kind ohne Hand zur Welt kommen könnte? «Ja, auch wenn es bei mir keinen genetischen Grund gibt. Was auch passiert, ich gehe Hand in Hand mit meinem Schicksal.»
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