Melanie Oesch über Trachten und Heimat
«Tradition ist unser Fundament»

Mit Oesch’s die Dritten tritt die Sängerin am Eidgenössischen Trachtenfest auf – jedoch nicht in traditionellen Trachten. Die Jodlerin erklärt, wieso das so ist und wie sie als Volksmusikgruppe ihre Wurzeln wahren, aber dennoch Neues ausprobieren können.
Publiziert: 23.06.2024 um 09:59 Uhr
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Musik und Modeln gehören bei Melanie Oesch und ihrer Familie zur Tradition.
Foto: ANTON GEISSER
Aurelia Robles, GlücksPost
Glückspost

Wo Menschen in Trachten zu sehen sind, wird traditionellerweise auch musiziert, gejodelt und gesungen – so natürlich auch am Eidgenössischen Trachtenfest in Zürich. Jodlerin und Sängerin Melanie Oesch (36) tritt mit der erfolgreichen Musikgruppe Oesch’s die Dritten am 29. Juni um 20 Uhr am Zürcher Bürkliplatz auf. Musik und Jodel liegen in ihrer Familientradition, das Tragen einer Originaltracht eher weniger.

GlücksPost: Sind Sie mit Oesch’s die Dritten am Eidgenössischen Trachtenfest für einmal in Trachten auf der Bühne zu sehen?
Melanie Oesch: Leider nein. Das heisst, wir treten in unseren trachtigen Bühnenoutfits, in denen wir seit rund 27 Jahren unterwegs sind, auf. Sie sind massgeschneidert und ebenfalls aus hochwertigen und langlebigen Materialien wie Samt, Leinen und Seide, oftmals mit Handstickereien versehen, aber eben stets ausgerichtet auf unseren Einsatzbereich. Wir werden immer wieder gefragt, warum wir nie in richtigen Trachten auftreten. Viele verstehen es nicht.

Wieso ist es denn so?
Vorwiegend aus praktischem Grund. Unsere Bühnenkleider sind unterschiedlich kombinierbar und zum Teil in mehreren Ausführungen vorhanden. Fast alle Teile sind eigens waschbar, was bei unserer Konzertdichte und der durchschnittlichen Auftrittslänge von rund 90 Minuten am Stück ein wichtiger Faktor ist. Eine Tracht will man richtig tragen, da gehören die richtigen Schuhe, Socken und der korrekte Schmuck dazu, auch eine passende Frisur. Mit Oesch’s die Dritten passen wir nicht in dieses Korsett. Als Band wollen wir optisch zusammenpassen und wir wollen auch, dass unsere Bühnenkleider musikalisch zu uns passen und unsere offene und vielseitige Art unterstreichen.

Früher, als Kind, sind Sie aber in diesen aufgetreten.
Selten. Im «Chüjermutz», dem «Sennenhemd» oder wie wir sagen «Hupper», hatten wir bloss ein oder zwei Auftritte im Fernsehen.

Mögen Sie privat Trachten?
Ich finde eine Frau oder einen Mann in Tracht etwas sehr Schönes. Trachten sind wertig und zeitlos. Und das Tragen löst bei mir grossen Respekt aus. Das sind zum Teil Kleidungsstücke, die über Generationen weitergegeben wurden und sehr alt sind. Manchmal wünschte ich mir, wir hätten in der Schweiz nebst den Originaltrachten auch solche, die alltagstauglicher und vielseitiger einsetzbar wären. In Österreich beispielsweise tragen viele ihre Dirndl oder Lederhosen ganz normal im Alltag, bei der Arbeit oder zu Geburtstagen oder Taufen. Nicht falsch verstehen, aber manchmal ist es so, wie wenn wir keinen alltäglichen Bezug mehr dazu haben – die Edelweiss-Hemden und Blusen natürlich ausgenommen.

Trachten werden innerhalb der Familie weitergegeben. Was sind bei Ihnen in der Familie Traditionen, die weitergegeben werden?
Volksmusik – und das Jassen. Ansonsten sind es für mich mehr Werte. Wertschätzung ist, glaube ich, das Wichtigste. Dass man einander Respekt entgegenbringt, also auch über die Generation hinweg, sowohl der älteren Generation als auch der jüngeren, und sie nicht per se verurteilt. Auch eine gewisse Wertschätzung für Sachen, die wir hier haben, die vielleicht selbstverständlich wirken, aber es überhaupt nicht sind. Respekt zur Umwelt, für die Menschen, aber auch für das, was einfach so vor der Haustüre ist.

Was ist für Sie Heimat?
Heimat ist für mich der Ort, wo man sich nicht erklären muss. Wo man einfach sein kann, wie man ist. Es ist ein Privileg, wenn man das hat. Ob es an den Ursprung oder an die Person geknüpft ist, spielt für mich keine Rolle. Es ist einfach ein schönes Gefühl, ein Wohlfühlen.

Wie aktiv sind Sie bei regionalen Bräuchen Ihrer Heimat?
Wenn es zeitlich irgendwie möglich ist, dann bin ich gerne dabei. Traditionsanlässe finde ich etwas Schönes. Da trifft man auch die Leute vom Dorf. Wer wie wir viel weg ist, verpasst auch viel. Mit den Kindern tauche ich jetzt wieder etwas mehr in das Dorfleben ein.

Sind Sie in einem Verein?
Im Ski-Club und seit drei Jahren bin ich beim Ortsverein dabei, das ist dann auch schon das Höchste der Gefühle. Wir treffen uns unregelmässig, deshalb ist es machbar. Aber ich hätte Freude, wenn meine Kinder eines Tages in einem Verein sein würden, wie meine Brüder und ich im Ski-Club.

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Weshalb?
Ich würde es meinen Kindern gönnen mögen, wenn sie auf der Ebene ein Hobby fänden. In Vereinen lernt man Zusammenhalt, geht auch, wenn man mal keine Lust hat, ins Training. Diese Verantwortlichkeit zu üben, finde ich wichtig. Ich denke, das ist typisch schweizerisch und in mir drin.

Was lieben Sie, wenn Sie von zu Hause weggehen?
Ich bin grundsätzlich ein sehr neugieriger Mensch. Alles, was neu ist, finde ich spannend. Ich finde es schön, wenn man einen Rucksack voll mit Erlebnissen und Begegnungen nach Hause bringen kann. Zu Hause verstärken sich dann gewisse Dinge, die man erlebt hat. Gewisse sind schnell wieder weg.

Wie reagieren Ihre Kinder, wenn Sie heimkommen?
Wir haben ein sehr intensives Begrüssungs- und Verabschiedungsritual, weil wir alle ein bisschen emotional und nahe am Wasser gebaut sind. Ich habe meistens eine halbe Tasche mit Spielsachen, Glücksbringern oder etwas aus der Kinderküche dabei. Falls ich sie vermisse, kann ich Kaffee trinken aus der Kinderküche. Umgekehrt haben meine Söhne natürlich auch etwas von mir bei sich.

Sie geben sich gegenseitig Sachen mit?
Genau, wobei die Idee von meinen Kindern stammt, nicht von mir. «Schau, Mami, da hast du noch etwas.» Das Weggehen klappt gut, da wir zum Glück eine gute Lösung gefunden haben mit unserer Nanny und den Personen, die ich einspannen darf. Und meine Buben kommen ja auch oft mit.

Sind Ihre Söhne auch musikalisch?
Sie sind aktuell lieber auf der Rhythmus-Schiene und am Rumklopfen als am Singen. Das Musikmachen ist ihnen wichtiger, das muss «fäge». «Mittschädere» und dabei sein geht mit einem Perkussionsinstrument sehr gut.

Sie selbst löffeln.
Mein Vater hat mir mal ein paar Löffel geschenkt und dann habe ich mit ihnen angefangen. Das war jahrelang mein Instrument, weil ich als Kind nicht Gitarre oder so gelernt hatte. Bis zum heutigen Tag macht es mir immer noch viel Spass. Manchmal realisiere ich gar nicht, dass das jemand speziell findet. Im Oesch’s-die-Dritten-«Soundbild» ist das Schwyzerörgeli sicherlich das traditionellste und gleichzeitig auch prägendste Instrument.

Seit Jahren erfolgreich

Seit über 25 Jahren steht die 1987 geborene Sängerin und Jodlerin mit ihren Eltern Hansueli (65) und Annemarie (61) sowie den Brüdern Mike (35) und Kevin (33) als Oesch’s die Dritten auf der Bühne. Mit Partner Armin hat Melanie, die auch Kinderbücher schreibt, die Söhne Robin (4) und Eric (2).

Seit über 25 Jahren steht die 1987 geborene Sängerin und Jodlerin mit ihren Eltern Hansueli (65) und Annemarie (61) sowie den Brüdern Mike (35) und Kevin (33) als Oesch’s die Dritten auf der Bühne. Mit Partner Armin hat Melanie, die auch Kinderbücher schreibt, die Söhne Robin (4) und Eric (2).

Wie schaffen Sie in der Musik den Spagat zwischen Tradition und Moderne?
Tradition ist unser Fundament, die traditionelle Volksmusik und der Jodelgesang sind unsere Wurzeln. Von dort kann man immer ausschwärmen und alles erleben, ohne es ganz zu verlassen. Eines meiner Lieblingssprichwörter ist nach wie vor: «Ohne Wurzeln keine Flügel». Bodenhaftung – es ist schön, wenn man weiss, wo man herkommt. In meinem Fall wohne ich immer noch in dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Es ist für mich ein Kraftort und schlägt daher wieder den Bogen zur Tradition und Herkunft. Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich nicht alles so machen muss, wie es früher war. Ich bin wie beides. Diesen Kontrast mag ich auch.

Wo brechen Sie mit Traditionen?
Meine Denkmuster sind definitiv anders. Und vermutlich schon auch beim Musikmachen, aber nicht bewusst, sondern weil ich es spannend finde, verschiedene Elemente zu kombinieren. Für mich fühlt es sich nicht wie ein Bruch an, weil ich die Musik mache oder den Jodel singe, der mir am besten gefällt und liegt. Den Zungenschlagjodel konnte ich schon als Kind ein bisschen umsetzen. Heute ist das schnelle Jodeln immer noch mein Markenzeichen, auch wenn wir sehr oft an den Konzerten auch ein altes Jodellied dabeihaben oder ein traditionelles Stück von meinem Grossvater spielen. Das ist ein Teil unserer Geschichte. Wir haben immer noch Fans, die vor 30 oder 40 Jahren schon zu Grossvaters Musik getanzt haben und noch heute an unsere Konzerte kommen. Das ist für sie Nostalgie pur.

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