«Literaturclub»-Moderatorin Nicola Steiner präsentiert ihre schönsten Seiten
Lesetipps für diesen Sommer

Ein Roman übers Küssen, ein Krimi über eine ruppige Staatsanwältin und ein spektakulärer Fotoband: Nicola Steiner, Moderatorin des SRF-«Literaturclubs», verrät uns ihre wichtigsten Buchtipps für den Frühling.
Publiziert: 29.05.2019 um 13:03 Uhr
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SRF-«Literaturclub»-Moderatorin Nicola Steiner verrät uns ihre zehn wichtigsten Buchtipps für den Frühling.
Foto: SRF/Oscar Alessio
Aufgezeichnet von: Patricia Broder

Der Frühling macht eine kurze Winterpause: das perfekte Wetter für ein gutes Buch! Eines, das man auch bei herrlichem Sonnenschein nach Auffahrt nicht weglegen mag. Welche Werke das sind, verrät uns SRF-«Literaturclub» Moderatorin Nicola Steiner (45) mit ihren zehn besten Buchtipps:

Charles Lewinsky: «Der Stotterer» (Diogenes)
Wie bei Sheherazade und ihren Geschichten aus 1001 Nacht geht es im neuen Roman des Schweizer Bestsellerautors ums Geschichtenerzählen. «Der Stotterer» sitzt wegen Betrug im Gefängnis und blickt in Tagebuchaufzeichnungen und Briefen an den Gefängnispfarrer und einen Verleger auf sein Leben zurück. Und so entwickelt er das Schreiben zu einer eigenen Kunstform. Aber Vorsicht: Schon auf der zweiten Seite wird klar, dass er sich dabei nicht an die Wahrheit hält ... Ein Buch über die Kraft des Erfindens und die Macht der Sprache – unterhaltsam, boshaft, humorvoll, scharfsinnig und spitzzüngig.

Simone Meier: «Kuss» (Kein & Aber)
Der Frosch wird zum Prinzen, wenn man ihn küsst. Bei Simone Meier ist das etwas komplizierter: Hier muss man aufpassen, dass der Prinz nicht zum Frosch wird. Ein Kuss (nein, mehrere) als Auslöser dafür, dass Lebensentwürfe bröckeln. Yann und Gerda, Gerda und Alex, Yann und Valerie – die Liebe ist kompliziert in digitalisierten Zeiten. Schicht für Schicht legt Simone Meier die Sehnsüchte, Begehren und Obsessionen unserer Gesellschaft frei. Ein unterhaltsamer Roman, der unter die Haut geht.

Simone Buchholz: «Mexikoring» (Suhrkamp)
Simone Buchholz ist die Meisterin des deutschsprachigen Kriminalromans – buchstäblich ausgezeichnet, denn in diesem Jahr hat sie zum zweiten Mal innerhalb von nur drei Jahren den Deutschen Krimipreis bekommen. Der achte Fall der ruppigen Hamburger Staatsanwältin Chastity Riley ist wieder ein hochpolitischer Krimi, in dessen Zentrum die Organisierte Kriminalität steht. Diesmal: die patriarchalen Strukturen der Clan-Familien aus dem Nahen Osten, die bei Rauschgift- und Glücksgeschäften mitmischen. Ein brisanter und kluger Gesellschaftsroman – nicht nur spannend, sondern auch literarisch überzeugend.

Julian Barnes: «Die einzige Geschichte» (Kiepenheuer & Witsch)
«Würden Sie lieber mehr lieben und mehr leiden – oder lieber weniger lieben und weniger leiden?» Diese pikante Frage ist der Ausgangspunkt im neuen Roman des bedeutenden britischen Romanciers Julian Barnes – ein Roman, der einem beim Lesen den Boden unter den Füssen wegzieht. Barnes schildert die Liebesgeschichte zwischen einem jungen Mann und einer knapp 30 Jahre älteren Frau in einer Kleinstadt nahe London in den 60er-Jahren. Eine Amour fou, die verheerend endet. Eine Reflexion über die Beschaffenheit der Liebe – humorvoll, düster, erschütternd, schmerzhaft. Und ungeheuer lebensklug.

David Foster Wallace: «Der Spass an der Sache» (Kiepenheuer & Witsch) Die gesammelten Essays und Reportagen des «Rebells der amerikanischen Literatur» in einem Band (Achtung: über 1000 Seiten, aber es lohnt sich!). Wallace berichtet von «Federer-Momenten» und der fast schon religiösen Erfahrung beim Betrachten seines Tennisspiels («Mozart und Metallica in Personalunion»). Er erzählt von Kreuzfahrten und erklärt, warum sie unerträglich traurig machen (ein «vernichtendes Gefühl der eigenen Bedeutungslosigkeit»). Er besucht Hummer-Festivals und Preisverleihungen der Pornofilm-Industrie. Ideologie- und Konsumkritik auf höchstem Niveau – überraschend, unterhaltsam, fordernd, kurz: absolut genial!

Michael Köhlmeier: «Bruder und Schwester Lenobel» (Hanser)
Ob Sagen, Mythen, Märchen oder auch Romane – Köhlmeiers Bücher sind immer grosses Kino. Im aktuellen Roman des österreichischen Schriftstellers geht es um zwischenmenschliche Beziehungen – zwischen Geschwistern, Eltern und Kindern und Freunden. Und natürlich auch um Liebesbeziehungen. Ein Mann verschwindet von einem Tag auf den anderen – und lässt Frau und Schwester ratlos zurück. Nun ist es an der Zeit, zurückzuschauen und Bilanz zu ziehen … Einer der besten Erzähler im deutschsprachigen Raum!

Maya Angelou: «Ich weiss, warum der gefangene Vogel singt» (Suhrkamp)
In den USA ist Maya Angelou eine Legende, hierzulande ist sie noch zu entdecken! Ihr autobiografischer Roman von 1969 zeigt den harten Kampf schwarzer Frauen um Akzeptanz und gegen Rassismus. In 36 Stationen ihres Lebens entfaltet sich das Bild einer Frau, die gegen alle Widerstände ihren Weg gegangen ist – als Nachtclubtänzerin, Sängerin, Prostituierte, Schauspielerin und Lyrikerin. Für mich eine der grossen literarischen Entdeckungen dieses Jahres!

Elena Ferrante: «Frau im Dunkeln» (Suhrkamp)
Natürlich sollte man von Elena Ferrante zuerst einmal die neapolitanische Saga «Meine geniale Freundin» lesen, die demnächst als Serie im Pay-TV laufen wird. Aber danach bitte sofort zu diesem Roman greifen: Im Zentrum steht eine Mutter um die 50, die sich nach dem Wegzug ihrer beiden Töchter mit ihrer Mutterrolle neu auseinandersetzen muss – und das schonungslos ehrlich und schmerzhaft. Ein Buch, das mitten ins Herz der «Regretting Motherhood»-Diskussion trifft – motivisch ungeheuer fein und eindringlich in Literatur umgesetzt.

Tanja Grandits: «Tanjas Kochbuch. Vom Glück der einfachen Küche» (AT Verlag)
Kochen entspannt. Die Starköchin Tanja Grandits aus Basel hat ein neues Kochbuch zusammengestellt: Diesmal (und das freut mich als Mutter von zwei Kindern besonders) mit Rezepten für jeden Tag. Fürs Frühstück und unterwegs, von kleinen Snacks und Aperitifs, vegetarischen Gerichten, Fisch und Fleisch oder auch Deftigem aus dem Ofen bis hin zu Dessert-Ideen. Immer wichtig: unkompliziert zu machen.

Johann Wolfgang von Goethe: «Italienische Reise. Ein fotografisches Abenteuer von Helmut Schlaiss» (Manesse)
Der Manesse Verlag – 1944 in Zürich gegründet – wird 75. Und schenkt uns Lesern einen spektakulären Fotoband. Fotograf Helmut Schlaiss ist drei Jahre lang auf Goethes Spuren nach Italien gereist und hat die Orte dieser Reise 200 Jahre später festgehalten. Entstanden ist eine sagenhafte Dokumentation in Schwarz-Weiss – ergänzt mit Goethes Texten –, die Vergangenheit und Gegenwart kunstvoll miteinander verwebt. Von zu Hause aus nach Italien reisen – ein fotografisches Abenteuer, grossartig!

Nicola Steiner

Nach ihrem Studium der Sprachen sowie Wirtschafts- und Kulturraumstudien in Passau (D), arbeitete die gebürtige Berlinerin bei verschiedenen deutschen Literaturverlagen und 2003 bei der Zeitschrift «Du» in Zürich. Seit 2008 ist Nicola Steiner Mitglied der Literaturredaktion von SRF. 2014 wurde sie Moderatorin des «Literaturclubs». Nicola Steiner lebt mit ihrem Mann und den beiden Kindern (11 und 14) in Zürich.

Nach ihrem Studium der Sprachen sowie Wirtschafts- und Kulturraumstudien in Passau (D), arbeitete die gebürtige Berlinerin bei verschiedenen deutschen Literaturverlagen und 2003 bei der Zeitschrift «Du» in Zürich. Seit 2008 ist Nicola Steiner Mitglied der Literaturredaktion von SRF. 2014 wurde sie Moderatorin des «Literaturclubs». Nicola Steiner lebt mit ihrem Mann und den beiden Kindern (11 und 14) in Zürich.

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