Herr Aeschbacher, Sie werden dieses Jahr 70. Aber Sie wirken immer noch jung und agil. Graust Ihnen vor diesem Tag?
Kurt Aeschbacher: Na, wieso sollte es mich vor einer Zahl grausen? Im Gegenteil: Alter ist doch keine Krankheit, sondern eine Chance, neugierig auf all das zu sein, was einem noch bevorsteht. Gerade eben habe ich mit meiner besten Freundin, die ich seit der Schulzeit kenne, Sizilien bereist. Es war herrlich. Seit 60 Jahren sind wir eng verbunden.
Haben Sie den Geburtstag schon geplant?
Nicht im üblichen Sinn. Ich habe die runde Zahl zum Anlass genommen, Bilanz über meine grösste Passion zu ziehen: die Kunst. Seit ich 18 bin, habe ich Kunstwerke gekauft. Im Laufe der Jahre sind einige Hundert Werke zusammengekommen, die längst nicht mehr an meinen Wänden Platz haben, sondern mehrheitlich in einem Lager schlummern. Ehrlich gesagt habe ich die Übersicht schon lange verloren. Ende September schenke ich mir – und falls es Freunde, Bekannte oder sonst jemanden interessiert – einen Rückblick auf all das, mit einer privaten Ausstellung.
Wie exklusiv ist diese Sammlung?
Es ist viel Schräges darunter, manches hat sich im Nachhinein als durchschnittlich erwiesen. Aber es gibt auch Bilder, die mich schon beim Kauf verunsicherten und irritierten und die ich erst heute wirklich verstehe. Für mich sind gute Künstler Seismografen, die Veränderungen reflektieren und uns in ihren Werken Zusammenhänge zeigen, die wir als Betrachter erst durch sie entdecken. So wird diese Ausstellung meiner eklektischen Ansammlung von Bildern und Skulpturen auch zum Spiegel meiner Befindlichkeit, ein Blick in die eigene Seele.
Sie hatten wie Alfred Biolek unzählige Stars in Ihren Shows. Mit 82 sagte Bio: «Ich bin schon noch in der Gegenwart, aber lebe von den Erinnerungen.» Fängt das bei Ihnen auch schon an?
Klar prägen Erinnerungen die eigenen Erfahrungen. Zum Glück. Schliesslich bewahrt das einem davor, im Alltag ständig die gleichen Fehler zu machen. Aber viel mehr als die Vergangenheit interessiert mich der Moment und die Zukunft mit all ihren Überraschungen. Ich bin neugierig auf das, was das Leben jeden Tag Neues bietet. Deshalb kann ich es auch nicht lassen, immer wieder neue Ideen umzusetzen. Nicht nur in der Sendung, sondern auch als Unternehmer.
Wenn Prominente älter werden, werden sie für Medien auf seltsame Weise interessanter: Sie werden anfälliger für Krankheiten. Macht es Ihnen Angst, dass das bei Ihnen ein Thema werden könnte?
Statistisch gesehen nimmt die Wahrscheinlichkeit, im Alter krank zu werden, massiv zu. Das wissen wir alle. Und dass das Leben mit dem Tod endet, ist wohl auch kein Geheimnis. Krankheiten betrachte ich jedoch als private Angelegenheit. Ich will nie öffentlich bemitleidet werden, sollte dieser Fall eintreten.
Sie rauchen immer noch. Auf den Zigarettenpackungen steht, dass man daran stirbt. Angst?
Rauchen ist eine wissenschaftlich belegte Dummheit. Und trotzdem tu ich es. Eine idiotische Abhängigkeit von einem Suchtmittel.
Immer wieder erkranken Prominente an Krebs – wie zuletzt die eigentlich noch junge Francine Jordi. Haben Sie sich überlegt, wie Sie eine schlimme Diagnose öffentlich kommunizieren würden?
Nein, ehrlich gesagt habe ich mir das nicht überlegt.
Sie haben in der heutigen Sendung den Kabarettisten Thomas Leuenberger zu Gast. Er erkrankte vor ein paar Jahren an Leukämie. Was kann man von ihm lernen?
Dass auch in den schlimmsten Lebenssituationen der Humor ein wichtiges Mittel ist, die Belastungen einer schweren Krankheit besser zu ertragen. Humor tröstet, schenkt Hoffnung und stärkt den Glauben, dass man wieder gesund wird. Thomas lebt das Sprichwort «Humor ist, wenn man trotzdem lacht». Nachdem er die Krankheit dank den Möglichkeiten der modernen Medizin überwunden hat, finde ich es tröstlich für viele Betroffene, wenn er heute über seine Erfahrungen spricht.
Sie haben vor ein paar Jahren die Zeitschrift «50plus» gekauft. Sie sind auch redaktionell aktiv, schreiben Editorials, schreiben Artikel. Manifestiert sich hier ein neuer Lebensabschnitt?
Mich hat es gereizt, in einer Zeit, in der alle über den Niedergang der gedruckten Medien lamentieren, meine Ersparnisse zusammenzukratzen und eine klassische Zeitschrift zu gestalten. Ich glaube daran, dass das gedruckte Wort auch im digitalen Zeitalter eine Zukunft hat. Sich dafür einzusetzen und sich gemeinsam mit guten Journalisten Gedanken zu machen, was Menschen in der zweiten Lebenshälfte interessiert, ist doch gerade auch für das eigene Leben extrem inspirierend.
Verdient man mit so einer Zeitschrift Geld?
Verdient habe ich bis jetzt damit keinen Rappen. Aber in den sechs Jahren, seit ich zusammen mit einem Partner diese Zeitschrift gekauft habe, konnten wir wenigstens den Schuldenberg abbauen und haben riesig Spass, wenn sechsmal im Jahr 100’000 Exemplare an unsere Leserinnen und Leser verschickt werden können. Und ehrlich gesagt ist so eine Aufgabe auch eine fantastische Beschäftigungstherapie, wenn es irgendwann mal mit dem Fernsehen zu Ende ist.
Welche Abenteuer bringt das Alter?
Man muss sich diese Abenteuer des Alters erobern. Für viele Menschen ist der Ruhestand das grosse Abenteuer. Die Tatsache, nur noch für sich und seinen Alltag verantwortlich zu sein. Mich reizt es, mit der Erfahrung des Älterwerdens neue Ideen umzusetzen und zu überprüfen, ob sie in der Realität Bestand haben. So kam es zu diesem Engagement für «50plus». Deshalb habe ich auch vor drei Jahren mit Antagon in Zürich ein Zentrum für medizinische Massagen auf die Beine gestellt. Auch da bin ich gefordert, zusammen mit jungen Menschen ein modernes Gesundheitskonzept umzusetzen und als Unternehmen zum Erfolg zu führen – mit dem Vorteil, dass ich, wenn es irgendwo zwickt, von den besten Fachleuten durchgeknetet werde (lacht).
Schauen Sie am Morgen in den Spiegel und denken: Da braucht es wieder mal ein paar Einspritzungen gegen die Falten?
Wenn ich am Morgen in den Spiegel schaue, denke ich: Die Schwerkraft lässt sich definitiv nicht überlisten, aber sie verleiht einem wenigstens ein klares Faltenprofil.
Wie weh würde es tun, wenn Ihre Sendung morgen abgesetzt wird?
Das wird eines Tages geschehen. Dann wird bei mir mit Sicherheit Wehmut aufkommen. Aber abgefedert durch eine grosse Dankbarkeit, dass ich jahrzehntelang den geilsten Job hatte, den ich mir vorstellen konnte.
Sie machen immer noch gescheites, nachhaltiges Fernsehen. Zappen Sie manchmal herum und kriegen das Kotzen?
Vor dem Kotzen bewahre ich mich, indem ich die Flimmerkiste abschalte und zu einem Buch greife. Das schont den Kreislauf.
Wie beurteilen Sie die «Bachelorette»?
Voyeuristisches Fremdschämen.
«Liebesleben» mit Eva Nidecker?
Will ich wirklich wissen, wer es wem, mit welchen Mitteln und wie macht?
«Seitentriebe» von Güzin Kar?
Die Triebe scheinen beim SRF wilde Blüten zu treiben.
«Hinter den Hecken» mit Katharina Locher?
Hätte ich ehrlich gesagt gerne selber gemacht. Sagt neidvoll ein Heckenschütze. Ich finde die Sendung inspirierend.
Das neue «Arena»-Format mit Christa Rigozzi?
Hm. Muss das wirklich an einem Sonntagabend nach dem «Tatort» sein?
Bringt es Ihnen wenigstens Quote?
Die Sendung läuft leider nicht vor, sondern statt unserer Sendung...
Sie sind fester Bestandteil des Sonntagabends geworden. Hat sich die Züglete auf den neuen Sendeplatz gelohnt?
Die Züglete war ein Tanz auf Eiern. Wenn eine Sendung nach 17 Jahren ihren Sendeplatz ändert, braucht es eine Weile, bis das Publikum mitzieht. In der Zwischenzeit sind wir mit dem Sonntagabend sehr glücklich. Wir haben Zuschauer dazugewonnen und freuen uns, dass unsere Marktanteile jeweils zu den höchsten des Abends gehören.
Was ist am Sonntag anders?
Die Schweizerinnen und Schweizer gehen offensichtlich am Sonntag jeweils früher ins Bett als während der Woche. Das spricht ja für ihre Arbeitsdisziplin. Wir sind deshalb froh, dass unsere Sendung bereits kurz nach zehn beginnt. Um jedoch die Zuschauer bis am Schluss bei der Stange zu halten, braucht es eine gute Dramaturgie der Gäste.
Beim «Tatort» gibt es die Fangemeinde und solche, die ihn nie schauen. Wie ist es bei Ihnen?
Ich bin ehrlich gesagt ein selektiver «Tatort»-Zuschauer. Oft sind mir die Folgen etwas allzu düster und problemgeschwängert.
Fluchen Sie nie, wenn der Vorlauf wieder mal schrecklich war?
Doch, schon.
Sie haben wieder die Auftaktsendung für den ESC gedreht. Warum die Lust am Gesangs-Spektakel? Eigentlich sind Sie ja aus dem Alter heraus.
Ich bin ja nur der Füller vor dem Grande Finale. Insofern spielt bei unserem Vorprogramm weniger das Gesangsspektakel eine Rolle als vielmehr der Austragungsort. Und der lässt sich ja auch noch mit grauen Haaren voller Neugier entdecken.
Was dürfen wir in Ihrer Sendung erwarten?
Eine sehr persönliche Begegnung mit dieser faszinierenden Stadt Lissabon und einigen ihrer Bewohnern. Wir wollten weniger den ESC thematisieren als vielmehr den Austragungsort mit seiner historischen Vergangenheit. Übrigens scheint der ESC die Portugiesen nicht besonders zu interessieren.
Der ESC ist fest in der Hand von Ihnen und Sven Epiney. Kann man das als Schwuler besser? Wie erklären Sie sich die grundsätzliche Affinität von Schwulen zu diesem Gesangswettbewerb?
Er bietet wohl für Schwule den perfekten Mix mit exotischen Figuren, schrägen Auftritten und dramatischen Inszenierungen. Eine unterhaltende Mischung, die oft gewichtiger ist als die musikalische Qualität der Lieder. So lässt sich vor dem Bildschirm wunderbar über wehende Mähnen, gewöhnungsbedürftige Outfits und viel nackte Haut lästern.
Wenn man 70 wird. Wo ist da die Zukunft?
In den Projekten und Ideen für die kommenden Jahre. In der Neugier, was das Leben sonst noch bereithält. Und das alles hoffentlich noch eine Weile ohne allzu grosse gesundheitliche Einschränkungen, bis ich den Löffel abgebe.
Wann und wo fühlen Sie sich jung? Wann und wo hingegen alt?
Ich fühle mich hauptsächlich jeden Tag quietschlebendig. Alt fühlte ich mich bei meinem 29. Geburtstag, als ich dachte, dass es mit 30 im Leben nur noch bergab geht. Die letzten 40 Jahre bewiesen das Gegenteil. So verursacht mir das Gerede von Alt und Jung keine Kopfschmerzen. Ich frage mich höchstens, weshalb man Jahreszahlen eine so grosse Bedeutung zumisst und nicht der Frage, welchen Sinn ein Mensch seinem Leben gibt. Ob jung oder alt.
Haben Sie eine Patientenverfügung geschrieben?
Ja klar, und das bereits vor Jahren: Patientenverfügung, Testament, Vorsorgeauftrag. Und nicht in irgendeiner Schreibtischschublade versteckt, sondern an den richtigen Stellen deponiert und mit den Menschen abgesprochen, die im Fall meiner Unfähigkeit, zu entscheiden, in die Bresche springen müssen. Ich finde, dass man diese Aufgaben dann erledigen soll, wenn man noch alle Tassen im Schrank hat und genau weiss, was einem wichtig ist.
Alfred Biolek war ein guter Koch – so wie Sie. Heute sagt er: «Ich kann noch Karotten schnippeln, aber für mehr reicht es nicht.» Was werden Sie mit 82 in der Küche machen?
Hoffentlich mehr als nur an die Vergangenheit denken.
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