Kultkoch kreiert McDonald’s-Burger
Warum machen Sie Fast-Food, Herr Schudel?

Wir schauen Kochsendungen und verputzen dazu eine Tiefkühlpizza. Wenn es um gesunde Ernährung geht, setzt bei vielen Menschen der Verstand aus, sagt Kultkoch René Schudel (39). Scheue Frage: Warum arbeitet ausgerechnet er mit einem Fast-Food-Riesen zusammen?
Publiziert: 03.08.2015 um 16:10 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:12 Uhr
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René Schudel: «Am Ende werden die Leute zu Geschmackskrüppeln mutieren.»
Foto: Remo Nägeli
Interview: Esther Jürs

Herr Schudel, Sie haben für McDonald’s zum dritten Mal einen Burger kreiert. Wie viele Kalorien hat er?
René Schudel: (Lacht) Ich weiss es nicht, und es interessiert mich auch nicht. Für mich muss der Geschmack stimmen und dafür dürfte meiner Meinung nach die Sauce mal ein paar Kalorien mehr haben. Fett ist ja Geschmacksträger.

Ist Fast Food deshalb so gefragt? Immerhin wissen mittlerweile ja schon die Kleinsten, dass es Gesünderes gibt.Die Leute wollen günstig, schnell und viel essen. Deshalb ist Fast Food gefragt. Es gab übrigens auch noch nie so viele Leute, die Tiefkühlpizzen essen, während sie Kochsendungen schauen. Verrückt, nicht?

Dann sind Burger, Fritten und Co. doch nicht so ungesund?
Ihr schlechter Ruf eilt ihnen voraus. Ich bin eher der Meinung, dass unser Verhalten ungesund ist.

Wie meinen Sie das jetzt?
Wir setzen den Verstand nicht mehr ein, um uns gesund zu ernähren.

Und da haben Sie mit Ihrer Kooperation kein schlechtes Gewissen, genau zu dieser «Verdummung» beizutragen?
Alles Extreme ist nicht gut für den Menschen. Ich propagiere ja nicht, dass sich die Leute täglich mit Fast Food ernähren sollen. Einseitigkeit ist immer ungesund. Zudem ist Fast Food nicht per se schlecht. Es hängt auch dort enorm davon ab, was für Grundzutaten verwendet werden.

Wer ist dann schuld daran, dass die Schweizer jedes Jahr dicker werden?
Eine gute Frage. Ich bin der Überzeugung, dass wir in den nächsten fünf Jahren ernährungstechnisch ein viel grösseres Problem in der Psyche als in der Physis haben werden. Auf der einen Seite wird es solche geben, die extremen Körperkult betreiben und auf der anderen Seite diejenigen, die immer mehr Speck zulegen.

Woher kommt die Lust, lieber in eine Kalorienbombe zu beissen als in ein gesundes Rüebli?
Weil sich der Mensch schnell an etwas gewöhnt, was ihm vermeintlich guttut. Aber wenn Kinder am Ende mehr Lust auf Fast Food haben als auf ein Rüebli, regt mich das natürlich auch auf.

Haben die Leute verlernt, auf ihren Körper zu achten?
Fest steht: Nur die wenigsten überlegen heute noch, was sie da in sich reinstopfen. Langzeitfolgen? Sind irgendwie egal geworden. Sträflich mit seinem Körper umzugehen, scheint kein Problem mehr zu sein.

Liegts nicht auch daran, dass man für gesunde Ernährung tiefer in den Portemonnaie greifen muss? Eine Tiefkühlpizza kostet um einiges weniger als ein selbst gemachter Salat ...
Das kann man so pauschal nicht sagen. Wenn man saisonal einkauft, ernährt man sich nicht nur gesund, man hat auch mehr Rappen im Portemonnaie übrig.

Wo liegt dann das dicke Problem?
Den Leuten fehlt einfach das Know-how und das, obwohl es noch nie so viele Wege und Mittel gab, sich diesbezüglich gut zu informieren.

Einfacher ist es natürlich frei nach dem Motto: Mund auf, Essen rein, wenig Arbeit beim Kochen ...
Wir sind tatsächlich immer mehr damit beschäftigt, die Bilder vom Grillen online zu posten, als den Moment zu geniessen. Der soziale Faktor geht langsam aber sicher flöten. Am Ende werden die Leute jedoch nicht an ungesundem Essen sterben, sondern zu Geschmackskrüppeln mutieren.

Da wartet aber keine besonders kulinarische Zukunft auf die Kleinsten?
Stimmt. Kinder verlernen zu kochen, weil es ihnen oft nicht mehr  richtig vorgelebt wird. Ich bin auch der Meinung, dass Ernährungslehre viel früher in Schulen zum Pflichtfach gemacht werden sollte. Fragt man Kinder heute, woher die Milch kommt, antworten sie dir: aus dem Regal im Supermarkt.

Wie könnte man das Volk wieder an den Herd bringen?
Durch einfaches und verständliches Kochen.

Wie oft trifft man Sie eigentlich an der Theke eines Schnellrestaurants an?
Ich war erst diese Woche dort. Ich mag schnelles Essen, und ich koche auch gerne so. Für mich ist es wesentlich authentischer, als wenn man sich stundenlang an irgendeinem Firlefanz aufhält.

Dann würde man bei Ihnen die eine oder andere kulinarische Leiche entdecken?
Klar. Ich verwende zum Beispiel Hühnerbouillon-Paste oder mache mir auch mal eine Tütensuppe.

Darf man das als Spitzenkoch so einfach sagen?
Ich habe damit wirklich kein Problem. Ich bin ein Volkskoch.

Der Titel Spitzenkoch wäre fehl am Platz?
(Lacht) Ja. Aber ich bin ein grosser Fan von Spitzenköchen wie Andreas Caminada und Co. Das sind Ausnahmetalente – ich bin das nicht.

Mussten Sie deshalb auch nicht lange überlegen, als McDonald’s an die Tür klopfte?
So was muss man aus dem Bauch entscheiden. Wenn man jeden Tag aufs Neue Tausende Menüs produzieren muss, ist das auch eine Art Spitzengastronomie. Zudem finde ich, muss man erst mal die Eier haben, mit so einer berühmten Marke zusammenzuarbeiten.

Und was gibts heute Abend bei Ihnen auf dem Teller?
Einen leckeren Salat mit selbst gemachtem Dressing. Dazu eine feine Schweinsbratwurst vom Grill und ein kühles Bier aus der Region.

Guten Appetit!

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