Wäre ich nicht Künstler geworden, dann hätte ich wohl irgendetwas Handwerkliches gemacht, Schreiner vielleicht», sagt Urs Fischer (39). Zum Glück hat es mit dem Künstler geklappt. Der ehemalige Türsteher vom Zürcher «Kaufleuten» ist in Amerika ein Star, seine Werke werden für astronomische Summen gehandelt. Gerade hat er Journalisten aus aller Welt in Venedig seine Ausstellung «Madame Fisscher» (wird heute eröffnet) gezeigt.
Und jetzt steht er in Goretex-Jacke und Turnschuhen mit der BLICK-Reporterin vor dem Palazzo Grassi, raucht und philosophiert: «Meine Kunst muss nicht zwingend einen tieferen Sinn haben. Ich mache einfach. Entweder es gefällt den Menschen oder eben nicht. Wenn man denkt, etwas sei Kunst, wird es zur Kunst.»
Seit 20 Jahren ist Fischer im Geschäft, vor acht Jahren gelang ihm der Durchbruch. 2011 erzielte sein gelber Bronze-Teddy (16 Tonnen, 7 Meter hoch) bei einer Auktion unglaubliche 6,8 Millionen Dollar (6,2 Mio. Fr.).
Urs Fischer, der Millionär? Er sagt: «Keine Ahnung. Geld kommt und geht.» Urs Fischer hat 15 Mitarbeiter, ein riesiges Atelier in New York, hohe laufende Kosten – der Künstler muss aufpassen, dass sie nicht weglaufen.
Der Zürcher ist längst ein dicker Fisch in der Kunstszene: Bei einem der wichtigsten Galeristen der Welt, Larry Gagosian (67), stellte er während der Oscar-Verleihung seine neuen Werke aus. Gagosian verwaltet den Nachlass von Pop-Art-Ikone Andy Warhol (†58), hat mit Jeff Koons (57) und Damien Hirst (46) zwei der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler unter Vertrag.
Urs Fischer ist ein Familienmensch
Fischer lebt schon lange in den USA, aber Venedig kennt er durch Ausstellungen an der Biennale gut. Diesmal ist es etwas Besonderes: «Ich habe für meine Frau Cassandra, unsere dreijährige Tochter Lotti und meine Eltern eine Wohnung gemietet.» Fischer ist ein Familienmensch: «Nichts macht mich glücklicher als meine Tochter – ausser sie hat schlechte Laune, dann kann sie ziemlich mühsam sein.»
Seine Eltern, pensionierte Ärzte, sind stolz auf den Erfolg ihres Sohnes. «Meinem Vater ist das, was ich mache, manchmal zwar ungeheuer. Und meine Mutter will wissen, ob meine Werke etwas mit ihr zu tun hätten.» Er beruhigt sie dann. «Meist ist das nicht der Fall.»
Dafür erkennen die Eltern ihren Urs in seiner Kunst wieder, beispielsweise in seinem Ebenbild aus Wachs. Der Künstler als Kerze, Sinnbild der Vergänglichkeit. «Das Schmelzen von Wachsfiguren hat nichts mit der Angst vor dem Tod zu tun. Ich beschäftige mich zwar damit und habe auch Angst davor. Aber ich habe schon immer gerne Dinge kaputt gemacht.» Fischer lacht: «Beim Schmelzen entstehen Formen, die ein Mensch nie erschaffen könnte.»
Doch bei Fischer sind auch Menschen aus Fleisch und Blut Teil der Installation: wie die nackte, namenlose Kunststudentin auf dem Sofa. Sie ist, anders als der Teddy, unverkäuflich.