Was liebten Sie an Ihrem Mann besonders?
Ursula Gnädinger: Seine Offenheit, seine Liebe – und wie er mit den Mitmenschen umgegangen ist. Er hatte ein so grosses, feines Herz!
Wo finden Sie in dieser traurigen Zeit Trost, Halt und Kraft? Mathis’ Kinder Laura und Gilles kümmern sich ganz lieb um mich. Auch seine Brüder und meine Nichten. Es kommen viele Menschen auf mich zu und zeigen mir ihr Mitgefühl. Ich brauche aber auch Zeit, um alleine zu sein. Dann schmuse ich mit unseren zwei Katzen, die Mathis auch sehr geliebt hat. Auch ihnen fehlt er sehr. Eine schläft nur noch unter seinem Bett, was sie früher nie getan hat.
Sie waren Jugendschätze. Wie war Ihre erste Begegnung?
Ich war zwölf, als wir nach Ramsen zogen. Mathis, der da aufgewachsen ist, half im Sommer einem Bauern. Als ich ihn zum ersten Mal sah, sass er auf einem Heustock.
Und er hat Ihnen sofort gefallen.
In dem Alter hab ich noch nicht so genau geschaut, wir gingen auch zusammen zur Schule. Meine Eltern hatten ein Restaurant; er kam oft vorbei. So mit siebzehn hat er oft ein Bierli getrunken und forderte, dass ich ihm dann beim Hinterausgang einen Kuss gebe. Wehe, wenn ich das nicht tun wollte ...
Was passierte dann?
Er hat mir sofort per Post einen Expressbrief geschrieben (sie lacht herzhaft). Man muss sich mal vorstellen, was das damals kostete!
Worum gings in den Briefen?
Es waren Liebeserklärungen oder Vorwürfe, weshalb ich ihn nicht küssen wollte. Oder warum ich mit einem anderen Mann am Tisch sass. Mathis war sehr eifersüchtig.Er schrieb mir etwa zwanzig Briefe, leider habe ich sie verbrannt.
Womit hat er Sie erobert?
Mit seiner Echtheit, seinem wunderbaren Wesen, seinem Humor. Irgendwie war immer klar, dass wir zusammengehören. Wir hatten aber auch viele Jugendstreitigkeiten. Mathis schenkte mir drei Mal Freundschaftsringe. Die habe ich im Streit in den Rhein geworfen.
Geheiratet hat er eine andere Frau, Sie einen anderen Mann.
Ja, das hat sich so ergeben. Wir hatten beide schöne Ehen. Im Herzen waren wir aber immer verbunden. Mathis hat die letzten zwanzig Jahre in Stein am Rhein gewohnt, ein paar Häuser von meinem. Einmal läutete er. Mein damaliger Mann Cesar machte auf. Mathis sagte ihm, er wolle nur schauen, ob er noch lebe oder ob er schon kommen könne.
Was passierte dann?
Sie haben einen halben Liter Wein getrunken. Cesar war noch viel eifersüchtiger, als Mathis je war. Ich durfte nicht einmal die Filme mit Mathis anschauen. Und doch mochten sich die beiden. Cesar sagte, wenn ich nicht mehr bin, kannst du zu ihm gehen. Als er vor 15 Jahren starb, ging es nicht lange, da stand Mathis vor der Türe.
Und dann haben Sie geheiratet.
Ja, aber erst einiges später. Drei Jahre nach dem Tod von Cesar stand Mathis bei mir am Küchentisch. Da sagte er: «Du, ich glaube, wir heiraten.» Ein Jahr später, 2004, haben wir es dann getan.
Was ist in die Ringe eingraviert?
In seinem steht «Ursula», in meinem «Mathis».
Was haben Sie voneinander gelernt?
Ob er kochte – was er sehr gerne und gut konnte – oder mit mir am Morgen das Bett machte, alles musste für ihn komplett ordentlich und sauber sein. Die Liebe zu seinen Kindern hat mich sehr beeindruckt. Er lernte von mir, weniger bockig zu sein. Die grosse Tierliebe hatte er auch von mir. Und da war noch sein Tick für Primzahlen.
Wie dürfen wir uns das vorstellen?
Am liebsten hatte er die drei und die sieben. Waren vier Bananen beieinander, nahm er eine weg. Oder morgens, wenn wir Müesli machten, gabs für jeden sieben Beeren und je drei Nüsse von drei verschiedenen Sorten. Ich habe das übernommen (lacht).
War er abergläubisch?
Nein, die Zahlen haben ihm einfach ein gutes Gefühl gegeben. Er hatte auch ein Ritual. Vor einem Film umkreiste er sieben Mal seine Lieblingseiche in Ramsen. Wissen Sie, was verrückt ist? Er ist am 3. 4. gestorben, das ergibt die Quersumme sieben.
Was wollten Sie noch zusammen erleben?
Wir hatten viele Pläne und wollten viel reisen. Am 25. März wurde er 74. Er wollte den Rummel nicht, also buchte ich für uns eine Flussfahrt von Basel nach Amsterdam. Dann wollten wir noch nach Sizilien, Spanien und im Dezember nach Ouagadougou in Afrika. Mathis sagte immer: Gell, wir gehen nie ins Altersheim, wir schauen zueinander!
Er hat Sie sehr geliebt.
Ich ihn auch. Er sagte immer: Ich möchte vor dir gehen, ich will nicht ohne dich leben. Wir waren die letzten Jahre oft 24 Stunden am Tag zusammen. Das war einfach schön.
Sie haben letzten Herbst in Japan für den Film «Der grosse Sommer» zusammengearbeitet. Wie war das?
Eine sehr intensive, schöne Zeit. Wir haben bis zu 18 Stunden am Tag gearbeitet, zweimal mussten wir flüchten – vor einem Sturm.
Vor der Abreise hat er einen Abschiedsbrief geschrieben ...
... ja, ich auch. Mathis sagte mir, setz dich hin und schreib auch einen. Falls uns etwas in Japan passiert, haben unsere Hinterbliebenen unsere letzten Worte.
Denken Sie, er hat seinen Tod geahnt?
Nein. Mathis war sich einfach der Tatsache bewusst, dass das Leben nicht selbstverständlich ist.
War er gläubig?
Ja und nein, je nach Situation in unserem Umfeld oder auf der Welt. Er trat aus der katholischen Kirche aus, hat aber gebetet.
Er war auch ein Genussmensch. Wie gingen Sie damit um?
Ich habe immer versucht, ihn aufzufangen. Wir haben zusammen aufgehört zu rauchen. Wenn Mathis gewusst hat, dass etwas Unangenehmes auf ihn zukommt, etwa ein Interview, sagte er: Ich muss erst eins saufen, sonst geht das nicht. Es ist ja auch eine Krankheit. Das war für mich nicht immer leicht. Dann gab es Phasen, da hat er über Wochen oder Monate keinen Tropfen Alkohol getrunken.
Ich habe Sie oft an Anlässen erlebt und hatte oft den Eindruck, Sie wollten ihn abschirmen.
Mathis war eigentlich ein sehr schüchterner Mensch. Er liebte es, vor der Kamera oder auf der Bühne zu stehen. Menschenmassen waren ihm ein Gräuel. Er war dankbar, dass ich sein Management übernommen habe. Auch die Absagen, so musste er es nicht tun.
Warum tat er sich damit schwer?
Mathis wollte niemanden verletzen. Schriftlich konnte er sehr offen sein. Er hat schon auf Filmangebote geantwortet, er mache bei «dem Seich» sicher nicht mit. Im Kern seiner Seele aber war er ein sanftmütiger Mann.
Vor einem Monat stürzte er. Was ist da genau passiert?
Wir hatten zu Mittag gegessen. Ich ging ins Büro, er nach oben duschen. Dann wollte er seine Brille auf dem Nachttisch holen und ist dabei ausgerutscht. Seine Brille liegt heute noch da.
So nahm das gesundheitliche Drama seinen Lauf. Mathias Gnädinger hatte einen Oberschenkelbruch erlitten «und plötzlich Wasser auf der Lunge. Er kam ins Unispital Zürich, wurde ins künstliche Koma versetzt, seine Nieren waren angegriffen. Mathis war nie mehr ansprechbar, lag da voller Schläuche», sagt sie weinend.
Spürten Sie, dass es mit ihm zu Ende geht?
Nein! Ich habe immer gehofft, dass er stark genug ist, sich zu erholen. Doch das war er nicht. Dann kam Karfreitag, der 3. 4. Seine Kinder, sein Bruder und ich wurden ins Spital gerufen. Wir waren noch in Mathis’ Zimmer. Dann kam die Ärztin, wollte mit uns im Nebenzimmer sprechen. Kaum waren wir draussen, ist er gestorben.
War das nicht schlimm, beim letzten Atemzug nicht bei ihm gewesen zu sein?
Nein. Ich glaube, dass er gewartet hat, bis wir draussen waren. So hat er uns die Entscheidung abgenommen, die Maschinen abzustellen oder nicht. Er ging ganz nach seinem Stil: «Ich mache, was ich will.»
Hatte er einen letzten Willen?
Ja, er wollte, dass, wenn ich sterbe, unsere gemeinsame Asche an drei Orte verteilt wird. Ein Drittel in den Rhein, einen bei seiner Lieblings-Eiche und den letzten bei unserem Haus in Spanien. Bis es so weit ist, habe ich seine Urne auf dem Nachttisch neben meinem Bett.
Was möchten Sie gerne noch sagen?
Dass Mathis ein wunderbarer, lieber Mann war. Vor der Kamera genauso echt wie privat. Wir haben uns wahnsinnig fest geliebt. Ich spüre ihn überall.