Er war der grösste Entertainer, den die Schweiz je hatte: Heute Montag würde Vico Torriani (1920–1998) seinen 100. Geburtstag feiern. «Vico ist bis heute ganz tief in meinem Herzen verankert», sagt Nicole Kündig-Torriani (67), die Tochter des berühmten Troubadours mit der Samtstimme.
Während seiner fünf Jahrzehnte umspannenden Karriere verkaufte Torriani über 20 Millionen Tonträger. Als Moderator begeisterte er im gesamten deutschen Sprachraum regelmässig mehr als 20 Millionen Zuschauer. «Wir konnten manchmal tagelang das Haus nicht verlassen, weil davor hysterische Fans warteten», erinnert sich Kündig an ihre Kindheit.
Fröhlicher Engadiner
Seinen ersten Hit «Silberfäden» hatte der fröhliche Engadiner Ende der 40er-Jahre. In den 50er-Jahren sang und tanzte er auf fast allen Bühnen Europas, trat mit seinen Italianità-Schlagern sogar im Iran und in den damaligen Ostblock-Staaten auf.
Dann eroberte Torriani auch das Fernsehen! Zu seinen unvergesslichen Unterhaltungs-Shows zählen «Hotel Victoria» (ARD, 1959–1968) und «Der goldene Schuss» (ZDF, 1967–1970). Er war aber auch im «Tatort»-Krimi zu sehen oder trat beim Eurovision Song Contest auf. «Die Bühne war Vicos Leben», sagt Kündig. «Mein Vater meinte immer, das Publikum seien seine Kunden, für sie müsse er immer da sein. Er sei wie ein Arzt, der rund um die Uhr für die Patienten sorgen müsse.»
In den 70er-Jahren, als Schlager wegen der aufkommenden Pop- und Rockmusik plötzlich nicht mehr so populär war, offenbarte sich auch die ernsthafte Seite des Strahlemanns. «Papa bekam plötzlich Existenzängste.» Doch diese waren unbegründet: Torriani war ein Hansdampf in allen Gassen. Und konnte sich mit seinen Melodien für Millionen bis ins Alter an der Spitze halten. Mit der Ballade «Capri-Fischer» landete er 1985 auf Platz 1 der Hitparade, 1995 wurde ihm in München (D) der Bambi Lifetime Award überreicht.
«Papa konnte sehr streng sein»
Als Vater sei er nicht immer nur heiter gewesen. «Papa konnte sehr streng sein. Etikette und Anstand waren ihm auch in der Erziehung überaus wichtig», sagt die pensionierte Kindertherapeutin, die anlässlich des 100. Geburtstags soeben die Biografie «Vico Torriani – Ein Engadiner singt sich in die Welt» veröffentlichte.
Zu Kündigs Lieblingserinnerungen gehört eine Wanderschaft auf einen Gletscher. «Es stürmte wie wild, als Papa und ich oben ankamen. Wir mussten in einer SAC-Hütte übernachten, weil wir es nicht mehr ins Tal schafften. Es war eine der lustigsten Nächte, die ich je erlebt habe.» Nach ihrer Rückkehr am nächsten Morgen habe es auch zu Hause ein Donnerwetter gegeben. «Mutter war völlig ausser sich vor Sorge, damals gab es ja noch keine Handys.»
«Mutter wurde depressiv»
1998 starb Torriani an Herzversagen im Schlaf zu Hause im Tessin. Witwe Evelyne (1930–2010) hat sein Tod schwer mitgenommen. «Mutter wurde depressiv. Ohne Vico an ihrer Seite verlor sie ihren Lebenswillen», sagt Kündig. «Sie hat seinen Tod nie verkraftet.» Evelyne betreute hinter den Kulissen Vicos Karriere, das Paar war fast 50 Jahre unzertrennlich. Am Ende erlag sie den Folgen ihrer Demenzerkrankung.
«Meine Eltern und auch wir Kinder hatten ein prächtiges Leben», sagt Kündig. Eine solche Karriere, wie sie ihrem Vater vergönnt war, sei inzwischen nicht mehr möglich, ergänzt sie. «Die Zeiten sind anders, schnelllebiger geworden.» Selbst der grossartigste Entertainer könne sich heute nicht mehr über Jahrzehnte oben halten.
«Die halbe Welt lag ihm zu Füssen»
Vico Torriani hatte es geschafft. «Eigentlich schon sehr beeindruckend für ein Kind, das in bescheidenen Verhältnissen in den Bergen aufgewachsen war. Nach einer Kochlehre schlug er sich als Kellner durch, plötzlich lag ihm die halbe Welt zu Füssen», sagt Tochter Nicole. «Papa war einzigartig», fügt sie stolz an. «Solche wie ihn gibt es heute tatsächlich nicht mehr.»
Schweizer Ländlerpapst huldigt Schlagerlegende: Moderator Sepp Trütsch (71) hat ein ganz besonderes Lieblingsstück unter seinen Kleidern – er besitzt einen Trachtensmoking seines verstorbenen Freundes und Star-Entertainers Vico Torriani (1920–1998). «Diesen hat mir Vico kurz vor seinem Tod per Testament vermacht», erzählt der Schwyzer stolz. «Es war eine ganz besondere Überraschung, denn ich wusste nicht, dass er mir dieses Prachtstück geben wollte. Noch heute trage ich Vicos Jackett voller Stolz.»
Das Einzelstück trägt Trütsch zu ganz speziellen Anlässen. «Eine so fein ausgearbeitete Trachtenjacke gibt es in der Schweiz kein zweites Mal», erklärt er. Auch bei seinem Auftritt in der Operette «Grüezi – Der wilde Mann», die 2018 nach 80 Jahren erstmals wieder aufgeführt wurde, trug der Moderator die Kultjacke.
An Torriani, den er vor über 40 Jahren zum ersten Mal traf, hat Trütsch nur gute Erinnerungen: «Vico war ein sehr geselliger Typ, der die Menschen gernhatte. Er war der geborene Unterhalter und ist bis heute eine Legende.»
Schweizer Ländlerpapst huldigt Schlagerlegende: Moderator Sepp Trütsch (71) hat ein ganz besonderes Lieblingsstück unter seinen Kleidern – er besitzt einen Trachtensmoking seines verstorbenen Freundes und Star-Entertainers Vico Torriani (1920–1998). «Diesen hat mir Vico kurz vor seinem Tod per Testament vermacht», erzählt der Schwyzer stolz. «Es war eine ganz besondere Überraschung, denn ich wusste nicht, dass er mir dieses Prachtstück geben wollte. Noch heute trage ich Vicos Jackett voller Stolz.»
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