Sie vertritt die These, dass die Welt in 21 Tagen geändert werden kann. Damit verfolgt die Humanistin und Kommunikationsexpertin Marie Reig Florensa (38) einen humanistischen Ansatz. Welche Auswirkungen hat Kreativität auf das soziale Umfeld? Workshops zu ihrem Thema gibt sie auf der ganzen Welt und hat es damit sogar ins renommierte Wirtschaftsmagazin «Forbes» geschafft, weil weder ihr Ansatz, noch das Ziel wirtschaftlich orientiert sind.
Wo beginnt für Sie Kreativität?
Marie Reig Florensa: Sie entspringt der Neugier und liegt in der Natur des Menschen. Wir wollen Neues kennenlernen, verstehen wie die Dinge funktionieren, hinterfragen, über das bereits Bekannte hinaus gehen. Lasst uns immer wieder Fragen neu stellen um daraus im besten Fall neue Antworten zu erhalten. Zu hinterfragen, was wir bereits wissen, ist eine ungemein gesunde Übung. Wenn du kreativ sein willst, bleib durstig und sei immer neugierig.
Wo endet Sie?
Kreativität kennt kein Ende. All die Dinge, die wir sehen, hören oder tun, all unsere Erfahrungen, Gedanken, Emotionen, Gespräche und Learnings werden in unserem Imaginarium aufbewahrt, dem grenzenlosen Behälter für das Rohmaterial, das unsere Vorstellungskraft stärkt. Je vielfältiger die Referenzen und Erfahrungen, die wir sammeln können sind, desto mehr Teile können wir neu kombinieren und mit kreativen Möglichkeiten füttern.
Wie ändern wir in 21 Tagen die Welt?
So lange benötigen wir, um eine Gewohnheit zu ändern. Gewohnheiten sind wiederholte Handlungen des Alltags, und die Welt besteht aus ihnen. Der Schlüssel liegt also im Verständnis, dass jede kleine Geste eine Waffe der Massenkonstruktion ist. Sein ist ansteckend. Und Emotionen sind es auch! Es geht also darum, das Beste aus der Macht des guten Exempels zu machen. In diesen 21 Tagen fordere ich auf, zu testen, was passiert, wenn du die Perspektive änderst und deine Handlungen und Interaktionen mit anderen Menschen vom Standpunkt aus beobachtest, dass die wichtigsten Dinge im Leben tatsächlich immateriell sind – unsichtbar für das Auge, nicht aber fürs Herz. Unser Sein ist eine Supermacht. Denn das Einzige, das ich kontrollieren kann, ist wie ich bin. Alles andere habe ich nicht in der Hand. Damit ist es der wirksamste Weg, positive Auswirkungen in der Welt zu erzeugen.
Wie würde die Welt geändert aussehen?
Sie ist das Ergebnis der Anhäufung all unserer Wünsche, Bestrebungen, Handlungen und Lebensweisen. Es liegt an jedem Einzelnen, zu entscheiden, wie er einen Beitrag leisten möchte. Sind wir in der Lage, als Team mit einer gemeinsamen Vision zu spielen, in der Wohlbefinden, persönliches Wachstum und friedliche soziale Entwicklung in Sichtweite sind? Oder werden wir weiterhin für Aufmerksamkeit, Ressourcen und den Aufbau unseres Wohlbefindens zum Nachteil anderer kämpfen? Ich habe nicht die Absicht, das Endergebnis zu definieren, sondern dazu einzuladen, das Spiel gemeinsam aus einer «Open Vision» zu spielen. Eine Vision, die es vermag, so viele andere Visionen wie möglich zu integrieren. Ich sehe eine Welt, in der positive menschliche Werte unser Verhalten und unsere Entscheidungen leiten, in der nicht das Ego unsere Beziehungen dominiert, in der wir gelernt haben, jeden zu respektieren, einschliesslich des Planeten und all seiner Bewohner; eine Welt, in der wir öfter in der Lage sind, inneren Frieden zu finden, und unser Leben und unsere Gesellschaft dies wiederspiegeln.
Sie sprechen von sozialer Kreativität, was ist das für Sie?
Du machst mich so, wie ich bin, und ich mache dich so, wie du bist. Jeder ist kreativ und wir sind alle führend. Ich bin ein bisschen von meiner Mutter, ein bisschen von meinem Vater, von meiner Familie, Freunden, Kollegen, Lehrern, Nachbarn und sogar von den Menschen, die ich auf der Strasse kreuze. Von jedem Einzelnen gibt es etwas, das ich lernen könnte. Ausserdem sind wir alle voneinander abhängig. Ideen entstehen aus Interaktionen, keine Idee gehört ganz dir oder mir. Ideen kommen immer von etwas, das man gelernt, gehört oder erlebt hat. Kreativität besteht aus dem Austausch und der Vielfalt menschlicher Perspektiven, Ideen und Gedanken. Du sagst etwas, das eine Idee in meinem Kopf auslöst, die nächste Person fügt eine andere Ansicht hinzu. Kreativität ist die Fähigkeit, die Punkte anders oder unerwartet zu verbinden, in der Tat ist sie unvermeidlich sozial. Und sie ist ein Instrument zur kontinuierlichen Verbesserung der Gesellschaft. Kreativität steht im Mittelpunkt von Problemlösung und Innovation, umso mehr, wenn wir uns auf komplexe Themen wie die sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit beziehen.
Wenn jemand weder kreativ, noch human ist, was sagen Sie ihm oder ihr?
Es gibt ein anonymes Sprichwort, das besagt: «Das Leben ist eine Schule, in der wir lernen, uns daran zu erinnern, was die Seele bereits weiss». Wir haben die Verantwortung, dieser Person zu helfen, sich daran zu erinnern, dass sie tatsächlich kreativ und menschlich ist. Jede Situation wird uns zeigen, wie wir das am besten erreichen können. Da es unsere tiefste menschliche Natur ist, ist es möglich, diesen Sinn wieder zu erwecken. Das bedeutet nicht, dass dies immer einfach wäre. Ausserdem vergessen wir diesen Sinn von Zeit zu Zeit. An einem Tag erinnerst du mich daran, am nächsten werde ich es für dich oder jemand anderen tun. Es geht darum, als Team zu spielen, und die Teammitglieder sind da, um sich gegenseitig zu unterstützen. Die besten Lehrer sind diejenigen, die uns herausfordern und uns helfen zu wachsen.
Am 22. März spricht sie dazu von 12 bis 14 Uhr öffentlich an der Zürcher Hochschule der Künste, im Rahmen der «ADC-Creative Week».